Sandra Schulz: 26 Castorbehälter sorgen derzeit für erheblichen Streit in der großen Koalition. Gestern hat die sozialdemokratische Umweltministerin Barbara Hendricks ihr Konzept vorgestellt, es geht um radioaktiven Müll, den Deutschland nach der Wiederaufarbeitung aus Frankreich und England zurücknehmen muss. Danach soll der Atommüll auf vier Bundesländer verteilt werden – auf Hessen, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und auch Bayern. Und von dort, besser gesagt aus der CSU, kommt jetzt schroffer Widerspruch. Die Festlegungen seien politisch unklug und dreist, heißt es vom Münchner Staatskanzleichef Huber, und die bayrische Energieministerin Aigner spricht von einem unfreundlichen Akt. Darüber wollen wir jetzt sprechen, am Telefon begrüße ich Otto Hünnerkopf von der CSU, er ist stellvertretender Vorsitzender des Umweltausschusses im Bayerischen Landtag. Guten Morgen!
Otto Hünnerkopf: Guten Morgen aus Bayern, hallo!
Schulz: Guten Morgen! Bayern gehört ja zu den größten Produzenten von Atommüll, da ist es logisch, dass Ihr Land auch bei der Lagerung von Atommüll in der Pflicht ist, oder?
Hünnerkopf: Das sehen wir auch so, das ist nicht unbedingt das Thema. Es verärgert uns halt, dass zu diesem Zeitpunkt jetzt die Umweltministerin mit so einer Festlegung kommt.
Schulz: Ja, Sie sagen, Sie sehen das auch so, dass Bayern Atommüll lagert – wie viel Castorbehälter wollen Sie nehmen?
Hünnerkopf: Das will ich jetzt nicht festlegen. Vom Grundsatz her haben wir natürlich die Kernenergie genutzt und können wir nicht sagen in der Situation, nachdem wir kein Endlager haben, dass wir nicht dabei sind. Aber ...
Schulz: Aber warum sagen Sie das denn dann?
Hünnerkopf: Bitte?
Schulz: Warum sagen Sie das denn dann? Denn das ist ja jetzt der Widerspruch, der aus München kommt.
Hünnerkopf: Aus München kommt der Widerspruch dahingehend, dass die Umweltministerin die Länder beauftragt hat, einen Konsens zu finden. Dass das natürlich nicht einfach ist, das kann man sich vorstellen, aber dann muss sie die einzelnen Länder dazuholen und gemeinsam eine Lösung finden. Jetzt aus der Ferne den Bayern zu sagen, ihr müsst die Castorbehälter übernehmen, so apodiktisch, das ist verwunderlich und ärgert uns, weil wir natürlich auch die Entsorgung von Atommüll im Zusammenhang mit der ganzen Energiewende sehen. Wir mussten aussteigen, wir haben das Problem, dass wir große Anteile unserer Energieversorgung nun anderweitig decken müssen, und da wollten wir das partnerschaftlich gelöst wissen und nicht so apodiktisch von oben festgelegt.
Schulz: Warum haben denn die Verhandlungen, die ja nun monatelang auch liefen, monatelang keinen Erfolg hatten, warum haben die dann zu nichts geführt, wenn Bayern sich da so kooperativ gezeigt hat, wie Sie das jetzt skizzieren?
Hünnerkopf: Da ist es Aufgabe der übergeordneten Bundesministerin, da die Bereitschaft und die sinnvollen Lösungen zusammenzuführen, und das ist nicht erfolgt. Sie hat sie arbeiten lassen und hat dann, nachdem es kein Ergebnis gegeben hat, diese Festlegung getroffen. Und das sehen wir als unklug und das provoziert uns ein bisschen und ärgert uns, denn wir sind ja auch in der Großen Koalition dabei und hätten erwartet, dass man das gemeinsam löst.
Schulz: Aber es läuft doch darauf raus, Ihre Argumentation, dass Sie sagen, uns passt es eigentlich nicht, diese Castorbehälter zu nehmen. Verstehe ich Sie da richtig?
Hünnerkopf: Es ist natürlich schwierig, jetzt zu sagen auf die Schnelle, wie könnte die Lösung aussehen, aber grundsätzlich meine ich, so korrekt müssen wir sein und miteinander umgehen, dass wir nicht sagen können, wir sind dann nicht im Boot – also das sage ich als bayrischer Landtagsabgeordneter –, aber wie und wie viel, das ist natürlich eine eigene Frage.
Schulz: Aber das scheint ja gerade das Problem zu sein. Aus den drei anderen Ländern, da kommt ja das Signal, dass die Castorbehälter da auch genommen werden, der Widerstand kommt ja jetzt tatsächlich nur aus Bayern. Warum haben Sie das Problem und die grünen Umweltminister aus den anderen Ländern nicht? Kann es sein, dass die Grünen da verantwortungsvoller sind als Sie?
Hünnerkopf: Uns vorzuwerfen, wir sind nicht verantwortungsvoll, das kann ich so nicht stehen lassen. Ich kann auch nicht aus den bisherigen Äußerungen unserer Vertreter der Staatsregierung heraushören, dass sie überhaupt nicht bereit sind, Castorbehälter aufzunehmen, sondern es geht um das Wie, um dieses Von-oben-Vorgesetzte und nicht mit unserer Zustimmung, mit unserer Überlegung, wie wir das lösen können.
Schulz: Aber ist das Argument nicht vorgeschoben, dass man einfach in den Verhandlungen immer wieder sagt, wir konnten uns nicht einigen und deswegen kann es jetzt auch kein Konzept geben?
Hünnerkopf: Das sehe ich nicht so. Ich kann nur noch mal sagen, wir werden am Ende, nachdem es keine Endlagerung gibt, nachdem wir zwischenlagern müssen, nach Lösungen suchen müssen, an denen sich auch Bayern beteiligen muss. Also das können wir niemandem im übrigen Bundesgebiet vermitteln, dass wir sagen, wir sind grundsätzlich oder sind auf keinen Fall bereit. Aber die Lösung, wie die aussehen kann, die kann man nur im gemeinsamen Gespräch finden und nicht einem so mitteilen, wie es gestern passiert ist durch die Bundesministerin Hendricks.
Schulz: Ja, hat Bayern denn gesagt, wie viel Castorbehälter es nehmen würde? Sie haben mir das ja jetzt eben in unserem Gespräch nicht verraten. Ist es in den Verhandlungen denn mal gesagt worden?
Hünnerkopf: Ich war in den Verhandlungen nicht dabei, muss ich Ihnen gestehen, und ich kann Ihnen auch nicht sagen, wie jetzt da konkret die Bereitschaft Bayerns oder was da signalisiert worden ist, da habe ich mich auch nicht abgestimmt mit den Verhandlungsführern. Ich spreche jetzt als bayrischer Abgeordneter, der hierzu eine eigene Meinung hat, insofern kann ich Ihnen da nicht sagen, wie viele Castorbehälter da im Spiel waren.
Schulz: Schließen Sie denn aus, dass das Verhandlungsposition war zu sagen, wir nehmen gar nichts?
Hünnerkopf: Also ich meine, das können wir nicht, und das können wir in der Situation nicht so durchziehen. Wir müssen uns da beteiligen, aber wie viel und wo, das ist eine eigene Frage.
Schulz: Aber wenn ich jetzt kurz resümiere unser Gespräch, wir drehen uns jetzt seit Minuten im Kreis, ich unterstelle, dass die Verhandlungen vielleicht, dahin, wo die Castorbehälter gehen, dass die ähnlich gelaufen sind. Ist es nicht klar, dass die Umweltministerin, die ja auch nicht davon ausgehen kann, dass sich diese Castorbehälter jetzt in Luft auflösen, dass die eine Entscheidung treffen muss?
Hünnerkopf: Sie wird mit Sicherheit eine Entscheidung treffen, aber der Kernpunkt der Verärgerung und der momentanen Haltung Bayerns – und das muss ich noch mal sagen –, dass man nicht final versucht hat, eine Lösung zu finden, sondern die uns einfach überstülpen will. Und das ist das Entscheidende. Und noch mal: Ich kann nicht jetzt für die Staatsregierung sprechen, wozu die bereit ist, da bin ich einfach als Umweltsprecher oder stellvertretender Vorsitzender da nicht in der Lage, ich sage Ihnen nur grundsätzlich: Wir Bayern müssen uns beteiligen, wir müssen da mit im Boot sein – wie und wo jetzt da die Unterbringung dieser Castorbehälter erfolgen soll, das muss mit der Staatsregierung ausgehandelt werden.
Schulz: Sagt Otto Hünnerkopf von der CSU, der Vorsitzende des Umweltausschusses, besser gesagt der stellvertretende Vorsitzende des Umweltausschusses im Bayerischen Landtag in München und heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Haben Sie herzlichen Dank für das Interview!
Hünnerkopf: Ja, gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.