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Atommüll unter Druck

Umwelt. - Die Wogen schlagen mal wieder hoch in der Diskussion um den Schacht Asse II, in dem radioaktiver Abfall gelagert ist. So muss der eben neu berufene Betreiber - das Bundesamt für Strahlenschutz - bereits neue Mängel melden: Die Stabilität einer Lager-Kammer scheint gefährdet.

Von Björn Schwentker |
    Es war eine Routinemessung, die zu der neuen Aufregung um die Asse führte. Erschütterungssensoren hatten in 750 Meter Tiefe so genannte "mikroseismische" Vibrationen gemessen. Das heißt: Direkt an der Kammer mit der Nummer vier, in der schwach radioaktiver Abfall lagert, bebte das Salzgestein ungewöhnlich häufig – wenn auch schwach. Den Experten vom Aufsicht führenden Bundesamt für Strahlenschutz sind solche Signale bekannt. Sie können bedeuten, dass es in der benachbarten Bergwerkskammer zu so genannten "Lösern" kommt. Das heißt: Kleinere oder größere Brocken Salzgestein fallen aus der Decke auf den Boden. Neu daran ist nur, dass das diesmal in einer der 13 Kammern mit radioaktivem Abfall geschieht. In anderen Kammern kam es schon öfter zu solchen Lösern. Dass das Bergwerk instabil ist, sei seit langem bekannt, sagt Rolf Bertram. Er ist einer der Wissenschaftler, die im Auftrag von Bürgern, Politikern und Asse-Betreibern die Vorgänge im Schacht kritisch begleiten.

    "Wir müssen uns das ja so vorstellen: die Asse ist bergbautechnisch durchlöchert, vollkommen durchbaut, wie ein riesiges Hochhaus unter Tage. Mit vielen Etagen, mit vielen Kammern, die aus der früheren Salzausräumung stammen, und die man dann leichtfertigerweise benutzt hat, um dort Atommüll einzulagern. Ohne zu berücksichtigen, dass es mit der Stabilität dieser Kammern nicht so weit her ist."

    Millionen von Tonnen an Gebirgsgestein drücken die 131 Kammern unter Tage ebenso zusammen wie Gänge und Stollen. Das ist nichts Besonderes. Jedes Salzbergwerk verformt sich und verschließt sich durch die Last des Gebirges schließlich selbst. Doch für die Asse wird dies zu einem Problem. Denn die 89.000 Tonnen Atommüll, die hier seit den 60er Jahren eingelagert wurden, sind wahrscheinlich nicht mehr sicher. Weil der Berg in sich zusammengesackt ist, dringen seit einigen Jahren große Mengen Wasser in den Schacht ein. Die Gefahr dabei: Es könnte eines Tages unter dem enormen Druck des Gesteins radioaktives Material an die Oberfläche spülen und die Umwelt verseuchen. Die große Frage ist nun, was mit dem Müll geschehen soll: Sollte man ihn am besten herausholen und an anderer Stelle lagern? Oder Barrieren in den Stollen bauen, die das Wasser von den Kammern mit Atommüll fernhalten?

    "Die Abwägung dieser verschiedenen Optionen, schon bei der Bewertung, braucht Zeit. Man kann da keineswegs so Schnellschüsse machen, sondern man muss alles sorgfältig abwägen. Das dauert nicht nur Wochen, nicht nur Monate, das dauert Jahre."

    Denn: Bliebe der Müll im Berg, müsste er auch noch in Tausenden von Jahren sicher sein. Will man ihn aber herausholen, muss zuerst geklärt werden, ob das überhaupt ohne Gefahr für das Asse-Personal und die Anwohner in der Gegend möglich ist. Die größte Angst der Politiker: Dass das Bergwerk schon bald so brüchig ist, dass keiner mehr hineingehen kann. Dann müsste man es schließen, ohne Abfälle gegen Wasser gesichert oder sie herausgeholt zu haben. In der Öffentlichkeit kann darum jedes Zittern der Asse für Wirbel sorgen. Wie jetzt an der Abfallkammer Nummer vier. Noch ist nicht klar, ob dort überhaupt in näherer Zeit größere Teile der Decke auf die Abfallgebinde stürzen werden. In einem ähnlichen Fall im Endlager Morsleben waren es jedoch einmal 5000 Tonnen, die auf den Boden prasselten. Das Bundesamt für Strahlenschutz beruhigt: Selbst wenn in der Asse Müllgebinde beschädigt und dadurch Radioaktivität frei würde, bliebe sie in der Kammer, da sie zugemauert ist. Einen rechnerischen Nachweis dafür könne man aber nicht bringen. Zur Sicherheit wird vor der existierenden Mauer, die schon ein paar Jahrzehnte alt ist, nun eine zweite Betonmauer gebaut. Die Kammer aufmachen und bis zur Decke mit stabilisierendem Material vollpumpen will hingegen man nicht. Denn es ist unklar, ob sich dann der Abfall wieder aus der Kammer holen ließe, wenn dies der endgültige Plan für die Schließung der Asse sein sollte. Bis zu dieser Entscheidung müssen alle Optionen offen bleiben. Jede Prognose, wann der Schacht zusammenbreche, sagt Asse-Fachmann Rolf Bertram, sei letztlich auch immer politisches Kalkül. Das gelte auch für das offizielle Datum des Asse-Zusammenbruchs, das in den letzten wissenschaftlichen Stabilitätsstudien steht: Das Jahr 2014.

    "Das kann auch 2024 sein, das kann auch 2044 sein, das kann auch – worst case – schon 2010 sein. Und diese Fixierung auf 2014 hat eben einfach den Vorteil, dass man sagt: Gut, bis da und da hin müssen wir aber irgendwas gemacht haben. Denn wenn man jetzt sagen würde: Na ja, es kann auch 2040 sein, dann lehnt man sich wie gehabt zurück und sagt: na ja, dann haben wir ja Zeit. Dann brauchen wir ja noch nichts zu machen."