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Atommüll
Wie lange halten Castoren im Zwischenlager?

Frühestens im Jahr 2050 ist ein Endlager für hochradioaktiven Atommüll betriebsbereit. Bis dahin müssen die Castoren halten, die für 40 Jahre ausgelegt sind. Wie sicher die Behälter auch nach 100 Jahren wären, simuliert nun ein Forschungsprojekt.

Von Dagmar Röhrlich |
Ein Zug mit Atommüll-Castoren fährt vom Bahnhof Biblis zum Zwischenlager am stillgelegten Kernkraftwerk Biblis. Der Atommüll kommt aus der britischen Atomanlage Sellafield (aufgenommen im November 2020).
Als manche der Castoren beladen wurden, glaubte man noch, dass der strahlende Müll nach 40 Jahren endgültig unter Tage sein würde – nur für diesen Zeitraum wurden Sicherheitsnachweise erbracht. Doch die beladenen Behälter werden viel länger in den Zwischenlagern stehen. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
Leer wiegen sie rund ein Viertel mehr als ein Airbus A320 und bestehen aus 44 Zentimeter Gusseisen mit Kugelgraphit. Dazu kommen zwei massive Deckel samt Metalldichtungen und Kühlrippen für die Nachwärmeabfuhr: die Castoren, die den Atommüll bis zum Endlager sicher einschließen sollen, erläutert Maik Stuke von der BGZ, der Bundeseigenen Gesellschaft für Zwischenlagerung: „Die ersten Castor-Behälter sind so Mitte der 90er beladen worden, Anfang/Mitte der 90er, und da gab es ja noch am fernen Horizont ein Endlager. Das war Gorleben, und darauf hatte man sich eigentlich damals noch mit dem gesamten Genehmigungsapparat drauf festgelegt.“

Damals glaubte man, dass der Müll nach 40 Jahren sicher unter Tage sein würde – und für diesen Zeitraum wurden die Sicherheitsnachweise erbracht. Doch die beladenen Castoren werden viel länger in den Zwischenlagern stehen. „Im Idealfall passiert natürlich nicht viel. 19 oder 52 Brennelemente sind dann in einem Behälter, und die stehen und werden dabei kühler. Der Nachzerfall, der wird ja weniger. Dadurch kühlt das Ganze aus. Es gibt natürlich nach wie vor noch Strahlung da drin", sagt Maik Stuke.

Langzeitverhalten der Hüllrohre um den Atommüll noch unklar

Forschungsprogramme sollen zeigen, ob ein Castor auch nach 100 Jahren sicher ist. Ein zentrales Thema: das Verhalten der Hüllrohre, in denen die Brennstofftabletten stecken. Während der Zeit im Reaktor korrodieren diese etwas mehr als bleistiftdicken Rohre aus Zirkoniumlegierungen durch Spaltprodukte wie Radiochlor. Offen ist, wie diese Korrosion im Castor fortschreitet und die Hüllrohre brüchig werden lässt. Schließlich müssen die Brennelemente irgendwann in Lagerbehälter gepackt werden. Maik Stuke: "Das muss man natürlich zeigen, dass diese Brennstabhüllrohre auch dann noch halten, wenn man jetzt von Daten wie 2080 ausgeht.“
Die Grafik zeigt den Aufbau eines Castors V/52 für 52 abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken
Die Grafik zeigt den Aufbau eines Castors V/52 für 52 abgebrannte Brennelemente aus Atomkraftwerken (picture alliance/dpa/dpa Grafik | dpa-infografik GmbH)
Brüchigkeit kann auch auf andere Weise entstehen. Die Zirkoniumlegierungen der Hüllrohre reagieren im Reaktor und im Abklingbecken mit Wasser. Wasserstoff entsteht, der wieder mit dem Zirkonium reagiert und sogenannte Hydride bildet. Die sind spröde, es entstehen feine Risse: Die verlaufen parallel zur Rohrwand und sind recht harmlos. Werden die Brennelemente dann in den Castor gepackt und getrocknet, ändern sich die Druckverhältnisse und Temperatur.
Maik Stuke: „Durch diese erhöhten Temperaturen können sich diese Wasserstoffverbindungen lösen und es bilden sich neue Ketten, dann von innen nach außen, quasi in diesem Hüllrohrmaterial. Dann wird das Material ja auch immer kühler, je älter es wird. Es könnte sein, dass irgendwann so eine Grenztemperatur unterschritten werden würde, wo das Material dann versprödet.

Der Alterungsprozess aufgrund von Transporten wird simuliert

Solange es im Zwischenlager steht, dürfte nicht viel passieren, schätzt Maik Stuke. Werden die Castoren aber eines Tages per Zug quer durch die Republik zum Endlager transportiert, ist offen, was das für die Stabilität bedeutet. Deshalb wird der Alterungsprozess simuliert. Die Daten fließen in komplexe Computerprogramme ein, mit denen man hofft, die Entwicklungen in den nächsten 100 Jahren vorherzusagen zu können. Es laufen zudem Forschungen zur sogenannten Myonentomographie. Die funktioniert im Grunde wie ein Computertomograph im Krankenhaus, nur dass Teilchen aus der kosmischen Strahlung genutzt werden. Diese Myonen interagieren nur mit sehr dichter Materie wie Uran oder Plutonium. Die Hoffnung: Bilder des Behälterinneren zu machen, die zeigen, ob die Brennelemente noch intakt sind.

Stuke: „Im Moment sind wir so an zwei Fronten da aktiv: Einmal an der Analyse der Daten, da versuchen wir mit ganz klassischen Auswertemethoden, aber auch mit Machine Learning das Ganze zu verbessern und effizienter zu machen. Und das Zweite ist, was natürlich auch so einen experimentellen Aufbau erst mal designen, der dann auch in so einem Zwischenlager durchführbar ist.“