Georg Ehring: Irgendwo muss der Atommüll hin. Das gilt für die Asse, aber noch viel dringender für den hoch radioaktiven Müll, der Tag für Tag in den Atomkraftwerken entsteht, oder aus dem Ausland aufgrund vertraglicher Vereinbarungen zurückgeholt werden muss. Und hier hat Deutschland seit vergangenem Freitag noch ein Problem: Das Bundesverwaltungsgericht entzog dem Zwischenlager in Brunsbüttel die Betriebsgenehmigung wegen rechtlicher Zweifel am Verfahren zur Sicherheitsbewertung. Telefonisch verbunden bin ich jetzt mit Mathias Edler, Atomexperte bei der Umweltorganisation Greenpeace. Guten Tag, Herr Edler!
Mathias Edler: Guten Tag, Herr Ehring.
Ehring: Herr Edler, um welchen Atommüll geht es denn in Brunsbüttel?
Edler: Wie Sie eben gesagt haben, um hoch radioaktive Abfälle, die in dem dortigen Zwischenlager in Castor-Behältern lagern. Welche Konsequenzen dieses Urteil hat, wird sich zeigen. Es wird ja jetzt erst mal mit einer Duldung reagiert. Bis 2018 soll mit einer Anordnung der Atomaufsicht der Verbleib dieser Castoren gesichert sein. Das zeigt schon das Dilemma, in dem man sich befindet. Jeder Normalbürger, der einen Betrieb hat und vom höchsten Gericht ein Urteil kassiert, dass seine Betriebsgenehmigung hinfällig ist, müsste den Betrieb dichtmachen. Das geht eben bei Atommüll nicht.
Betriebsgenehmigungen auf dem Prüfstand
Ehring: Wo sollte der Atommüll aus Ihrer Sicht denn hin? Finden Sie das richtig, dass er erst mal da geduldet wird?
Edler: Wie gesagt: Dilemma ist das Hauptwort in dieser Diskussion. Es gibt da keine einfachen Entscheidungen und schon gar keine Lösungen. Erst mal kann man froh sein, dass dieses Urteil überhaupt so gefallen ist, denn sowohl das Bundesumweltministerium als auch Schleswig-Holstein und der Betreiber waren sichtlich überrascht. Die hatten damit gerechnet, wir kommen da irgendwie so wieder raus. Aber das Bundesverwaltungsgericht ist da konsequent geblieben und hat Fehler beim Nachweis der Sicherheit formuliert, und da sind wir schon bei dem entscheidenden Punkt. Es wird immer wieder gesagt, na ja, sie hätten jetzt nicht moniert, dass es wirklich unsicher sei. Das muss dann erst noch mal geklärt werden. Zumindest beim Zwischenlager in Unterweser, auch in Niedersachsen, ist eine ähnliche Genehmigungssituation, also eine nicht rechtskräftige Genehmigung, und auch da läuft eine Klage. Da könnte es auch zum Entzug der Betriebsgenehmigung kommen. Und da muss man einfach sehen, was passiert mit den Zwischenlagern in Süddeutschland. Die haben 0,85 Meter dicke Wände, während Brunsbüttel, wo die Genehmigung entzogen wurde, 1,2 Meter Wandstärke hat. Werden da auch Betriebsgenehmigungen fallen? Und zu guter Letzt bleiben natürlich die Atomkraftwerke, die noch laufen. Eigentlich nach menschlichem Ermessen, weil das Gefahrenpotenzial da noch wesentlich höher ist, müsste es da jetzt auch um die Betriebsgenehmigung gehen.
Wir müssen Übergangslösungen finden
Ehring: Wie steht es denn aus Ihrer Sicht um die Sicherheit dieser Zwischenlager?
Edler: Argumentiert wird in den Verfahren mit veralteten Parametern. Es geht ja um Flugzeugabsturz auf so ein Zwischenlager und dann um sogenannte Störmaßnahmen, Einwirkungen Dritter, also im Endeffekt terroristische Angriffe, und für beide Szenarien arbeitet man mit veralteten Annahmen. Wenn man neuere Annahmen nehmen würde, müsste das alles neu bewertet werden, und wir sehen das ja an den fast hilflosen Versuchen für diese Zwischenlager, "Sicherheit" herzustellen, indem man da zum Beispiel zehn Meter hohe Mauern verordnet, die da jetzt gebaut werden sollen, die den Anflug eines Flugzeuges verhindern sollen. Das löst das Grundproblem nicht. Wir müssen grundsätzlich über die Zwischenlagerung reden in Deutschland, denn die ist ja mit der Endlagerung verbunden, und jeder auch auf Betreiberseite, jeder Experte sagt heute, wir haben in 40 Jahren kein "Endlager". Ob man das je haben wird, wird sich zeigen. Das heißt, wir müssen sowieso in Bezug auf die Zwischenlager was tun. Wir müssen zumindest eine Übergangslösung finden, und die geht weit über das bisherige Zwischenlagerkonzept hinaus.
Ehring: Müsste sich jetzt nicht Greenpeace auch als Kritiker von Gorleben stark einschalten, um die Suche nach einem Endlager zu beschleunigen, wenn das mit den Zwischenlagern so unsicher ist?
Ein Zwischenlager ist erst mal der bessere Weg
Edler: Ja, das ist genau der springende Punkt. Wenn Sie die Wahl haben, Sie machen ein ganz schnelles sogenanntes Endlager mit Sicherheitsrabatt in tiefen geologischen Formationen. Also einfach ausgedrückt, Sie verbuddeln das in 800 Meter Tiefe, mit Sicherheitsrabatt, weil Sie machen es schnell und Sie wissen ganz viele Sachen noch nicht, oder Sie lagern das oberflächennah oder oberirdisch, natürlich dann behütet - das muss kontrolliert werden -, dann ist für mich eine Abwägung, wenn ich diesen Sicherheitsrabatt für die tiefengeologische Lagerung nicht eingehen will, ganz klar ein Zwischenlager erst mal der bessere Weg. Das kann auch für einen definierten Zeitraum geschehen. Aber die Unsicherheiten in Bezug auf tiefengeologische Lagerung sind einfach zu groß. Man hat da 40 Jahre komplett einfach nur drauf gesetzt. Wenn Sie sich Deutschland angucken, die Asse war eben im Beitrag, das zweite, in einem Salzstock errichtete tiefengeologische Lager ist Morsleben, beide sind havariert und da kann man nicht einfach auf diesem Weg so weitermachen, sondern man muss zumindest alle anderen Optionen erst mal herausbekommen, was sind die eigentlich, und dann alle anderen Optionen prüfen.
Ehring: Das war Mathias Edler von Greenpeace zur Suche nach einem Endlager für Atommüll. Herzlichen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.