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Atommülldebatte
Ethische Fragen der Endlagerung

Gegen das Atommüll-Endlager im französischen Bure, 150 Kilometer entfernt von der deutschen Grenze, formiert sich Protest. Bürger bemängeln die Informationspolitik der Regierung. Auch die Kirche engagiert sich: Sie diskutiert in einer Arbeitsgruppe ethische Fragen der Atommüll-Endlagerung.

Von Suzanne Krause |
    Zur Lagebesprechung empfängt Jean Mangin, Pfarrer in der Kleinstadt Ligny en Barrois, seine Mitstreiter mit einem kleinen Happen. Alle gehören zu der Arbeitsgruppe, die sich seit fast drei Jahren mit dem Thema ‚Ethik und Atommüll‘ auseinandersetzt. Initiiert wurde dieser Kreis von vier Bischöfen in den benachbarten Regionen. Mehrmals hat Pfarrer Mangin den heutigen Informationsabend in seinem Kirchenblatt angekündigt.
    "Zu meinem Erstaunen hat dies keinerlei Reaktion hervorgerufen. Weder wurde ich dafür kritisiert, noch hat sich jemand positiv geäußert. Da herrscht eine Art Omertà, Schweigen."
    Ein Schweigen, das gebrochen werden soll. Dank einer Broschüre der Arbeitsgruppe: Auf 32 Seiten listet sie detailliert alle Fragen und kritischen Punkte zum geplanten Atommüll-Endlager auf. Dabei stützt sich die Arbeitsgruppe ausschließlich auf bislang veröffentlichte Fakten. Mag es der Kirche auch an technischen Kenntnissen mangeln - in Ethikfragen ist sie sehr wohl kompetent - und aus ethischen Gründen gegen die Entsorgung von Nuklearmüll tief in der Erde, sagt Marc Stenger, Bischof aus Troyes und Vorsitzender der Arbeitsgruppe.
    "Wir haben den Eindruck, dass die Bevölkerung zur atomaren Endlagerung in Bure nur sehr partiell informiert wurde. Es scheint uns ein bisschen, als würde man die Leute vor vollendete Tatsachen stellen. Da erhebt sich die Frage nach der Würde. Zudem geht es darum, wer eigentlich über das Projekt entscheidet. Das Parlament soll diesbezüglich ein Gesetz verabschieden, aber die Abgeordneten können doch nur dann richtig abstimmen, wenn die Bevölkerung die Gelegenheit hatte, ihre Meinung zu äußern."
    Dass die öffentliche Debatte von der damit beauftragten nationalen Kommission wegen militanter Störaktionen ins Internet verlegt wurde, mache manchem in der strukturschwachen Region die Teilnahme unmöglich, sagt Bischof Stenger. Er will nun mit seiner Arbeitsgruppe die Abgeordneten der Nationalversammlung direkt ansprechen: um ihnen die Broschüre zu übergeben. Und zu resümieren, was bei den vier Diskussionsabenden, die er bislang mit organisierte, an Ängsten und an Widerstand zur Sprache kam.
    Zur Veranstaltung im bescheidenen katholischen Gemeindesaal in Ligny en Barrois sind 60 Besucher erschienen. Darunter auch ein Biobauer, Bürgermeister in einem benachbarten Dorf.
    "Meine Gemeinde liegt keineswegs in direkter Nachbarschaft des geplanten Atommülllagers von Bure. Aber dennoch bekommen auch wir Geld von der ANDRA, die für das Projekt zuständig ist. Immer wieder höre ich um mich herum Stimmen, die sagen: Wer als Bürgermeister gegen Bure ist, der ist falsch auf dem Posten. Der verteidigt nicht die Interessen seines Départements."
    An diesem Abend in Ligny en Barrois äußern mehrere Gemeindevertreter: Die Argumente der Arbeitsgruppe machten ihnen nun Mut, sich dem Endlagerprojekt zu widersetzen. Ein Novum, sagt Michel Gueritte. Gueritte kämpft seit 2006 gegen das geplante Atommüll-Endlager. Indem er derzeit beispielsweise Eingabe über Eingabe für die ‚nationale Debatte‘ der speziellen Kommission verfasst. Damit kritische Punkte des Projekts, die bislang zu wenig zur Sprache kamen, aktenkundig werden. Was ihn zunehmend auf die Palme treibt: dass die geologische Endlagerung, in 500 Meter Tiefe, seit 2006 gesetzlich vorgeschrieben ist, also angeblich nicht mehr zu verhindern sei, wie auch die Gegner immer wieder resigniert anmerken. Guerittes neues Schlachtwort: Das Gesetz muss geändert werden.
    "Laut meiner Analyse geht es nicht anders. Und ich bin überzeugt, dass dies machbar ist, es gibt genügend Beispiele von Gesetzen, die geändert wurden."