Tschernobyl. Das Lenin-Kraftwerk. Am 26. April 1986, um 1 Uhr und 24 Minuten, explodiert Block 4. Für ein Experiment hatte die Betriebsmannschaft alle Sicherheitssysteme abgeschaltet. Nur so war der Versuch möglich - aber auch nur so konnte eine Explosion den 1000 Tonnen schweren Deckel des Reaktorkerns wegschleudern und das Gebäude zerfetzen, als sei es aus Papier - und der Wind verteilte dann die radioaktive Fracht über halb Europa.
Der 2. Dezember 2000. Der Leitstand. Zufälligerweise hat die Mannschaft Dienst, die in zwei Wochen den Reaktor für immer abschalten wird. Gerade läuft eine Sicherheitsübung. Aber die Stimmung ist gedrückt. Ein paar Meter weiter, nur durch eine Betonwand getrennt, herrscht das Chaos. Block 4, der Havarist. Trotzdem: Wenn es nach diesen fünf Männern hier ginge, bliebe ihr Kernkraftwerk am Netz. Dass Block 3 auf internationalen Druck hin abgeschaltet wird, halten sie für einen Fehler:
"Für mich wie für alle meine Kollegen ist es ein sehr trauriges Ereignis, denn wir haben hier die besten Jahre unseres Lebens verbracht. Nach der Havarie haben wir uns sehr bemüht, das Kraftwerk wieder ans Laufen zu bringen. Dabei verloren viele meiner Kollegen ihre Gesundheit, manche starben sogar. Wir haben uns so bemüht - wirklich, es ist schade, dass das alles umsonst war."
Wie Schichtleiter Alexander Yelschischin dachten damals viele in der Ukraine. Angesichts der Stromsperren zählte für sie jede Kilowattstunde. Bitter bemerkten sie, dass Österreich zwar sein eigenes Kernkraftwerk nach der Katastrophe abgebaut, dafür aber über Jahre hinweg Strom aus Tschernobyl gekauft hatte.
Tschernobyl war ein Schock. Zwar liegt pro Betriebsjahr statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit für einen GAU bei eins zu einer Million. Das klingt sehr beruhigend - aber trotzdem ist es passiert. Deshalb wandte sich vor allem in Deutschland die Bevölkerung mit Leib und Seele gegen die Großtechnik: Zu gefährlich, urteilte sie.
2002 schien folgerichtig mit dem Atomkonsens das Ende der Kernkraft besiegelt: 2020 sollte der letzte Reaktor vom Netz, spätestens. Große Probleme erwartete niemand, denn es gab Strom im Überfluss: 2006 erzeugten deutsche Kraftwerke rund 636 Terrawattstunden Strom. Dabei kamen knapp 40 Prozent aus der Kohle, rund ein Viertel aus der Kernkraft, alle Erneuerbaren zusammen steuerten etwa 15 Prozent bei, Erdgas den Rest. Um sich das Ende der Kernkraft leisten zu können, sollte es reichen, auf Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse zu setzen, den Verbrauch zu senken und vielleicht hin und wieder Strom aus dem Ausland zu importieren. Schließlich sollte parallel zum Atomausstieg auch das Klima gerettet werden. Da drängt nämlich die Zeit:
"Die Klimastudien, die neuesten, sagen, dass es im Grunde schlimmer wird, als man ursprünglich gedacht hat von Klimaforschungsseite, und dass die Auswirkungen jetzt schon messbar und spürbar sind, des Klimawandels, und dass es deswegen es umso wichtiger ist, Alternativen zu entwickeln, die in Richtung einer CO2-freien Gesellschaft gehen."
Wolfgang Irrek ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Um den Klima-GAU zu vermeiden, wollen die Staaten der Europäischen Union bis 2020 den Ausstoß von Kohlendioxid um ein Fünftel senken. Deutschland will sogar mit gutem Beispiel voran gehen.
"Wenn wir mal die CO2-Emissionen in Deutschland betrachten, dann ist es ja keineswegs so, dass - anders als in der öffentlichen Wahrnehmung hier - dass wir Vorreiter im Klimaschutz sind, sondern es ist so, dass wir in Deutschland pro Kopf Emissionen an CO2 haben, die etwa 17 Prozent höher sind als der europäische Durchschnitt."
Im Vergleich zu Frankreich, Schweden oder der Schweiz, wo Kernenergie oder Wasserkraft bei der Stromerzeugung eine sehr große Rolle spielen, sind es sogar mehr als 30 Prozent Plus, erklärt Alfred Voß, Leiter des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung an der Universität Stuttgart.
"Das heißt, in diesen Ländern hat man CO2-Reduktionsziele schon lange erreicht, über die wir gerade in Deutschland für das Jahr 2020 diskutieren."
Weil hierzulande ein großer Teil der Kohlendioxid-Emissionen aus dem Betrieb von Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken stammt, sollen sie langfristig zurückgedrängt werden. Das wünscht sich auch Grünen-Politikerin Bärbel Höhn:
"Wir wollen keine neuen Kohlekraftwerke, weil Kohlekraftwerke 50 Jahre lang laufen. Das heißt, wir hätten sie, wenn wir sie heute bauen, auch noch 2060, und das ist einfach so klimaschädlich, dass wir es nicht wollen."
Zwar träumen die Ingenieure von sauberen Kohlekraftwerken, deren Kohlendioxid abgeschieden und tief in der Erde endgelagert wird - aber derzeit ist noch nicht einmal klar, wie das überhaupt funktionieren kann. Diese sogenannte Clean-Coal-Technology scheint noch in weiter Ferne zu sein - in zu weiter Ferne für den Zeithorizont von zwölf Jahren bis zum Abschalten des letzten Reaktors.
Die Frage, woher der Strom 2020 kommen soll, regte lange Zeit niemanden besonders auf. Bis die Preise für Kohle, Öl und Gas ins Astronomische zu steigen begannen und die Inflation anheizten. Die Furcht geht um, eines Tages ohne warme Dusche im Dunkeln zu sitzen - oder dass Hauptlieferant Russland den Gashahn zudreht: Schließlich erweist sich Moskau schon jetzt nicht als sonderlich zuverlässiger Vertragspartner. Deshalb reagiert das Stimmungspendel: In Meinungsumfragen wird die Kernenergie wieder salonfähig, als Retter des Klimas - und der Geldbörse.
"Es kommt ja darauf an, dass wir die Energieversorgung zu vertretbaren Kosten bei gleichzeitiger Reduktion der Treibhausgasemissionen und auch bei einer gewissen Versorgungssicherheit sichern wollen. Und in diesem Kontext muss man, glaube ich, die Frage der weiteren Nutzung der Kernenergie diskutieren."
So fasst es Alfred Voß zusammen. Derzeit scheint in der Bevölkerung die Angst vor der Preisspirale größer zu sein als die vor einem GAU.
"Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, nehmen wir natürlich Kapazität vom Markt. Das heißt, das wird natürlich auch einen Druck auf die Preise bedeuten und damit auch steigende Preise. Das heißt, wenn wir die Kernkraftwerke länger am Netz lassen, wird das eine dämpfende Wirkung haben. Das wird den Anstieg bremsen, ganz klar,"
glaubt Dieter Marx, Generalbevollmächtigter des Deutschen Atomforums in Berlin. Der Strompreis bildet sich am Markt, und zwar gibt ihn das teuerste Kraftwerk vor, das gerade produziert. Meist ist es eines, das mit Gas läuft oder mit Öl, und alle anderen profitieren vom teuersten. So lässt ein abgeschriebenes Kernkraftwerk bei den Betreibern die Kasse klingeln. Da außerdem jeder Haushalt noch rund 40 Prozent Steuern und Abgaben pro Kilowattstunde zahlt, verdient der Staat daran auch noch kräftig mit. Auf den ersten Blick hat der deutsche Verbraucher vom Preisvorteil des Nuklearstroms wenig - allerdings: Sind die Kernkraftwerke vom Netz, muss die Rendite anders erwirtschaftet werden und außerdem schließen dann neue und teure Anlagen die aufgerissene Lücke - schon steigen die Preise weiter.
Auch der für den Klimaschutz entwickelte Zertifikatehandel wird sie nach oben treiben, weil in Deutschland nach dem Auslaufen der Kernenergie wohl zunächst einmal verstärkt Klimasünder wie Kohle oder das teure Gas am Netz sein werden. Die Betriebe dürfen die Luft nicht mehr kostenlos als Müllkippe nutzen, sondern sie müssen sich beim europäischen Zertifikatehandel die entsprechen Rechte kaufen. Nur dann gibt es die Lizenz, Kohlendioxid zu emittieren. Derzeit bekommen die Stromerzeuger den größten Teil ihrer Zertifikate umsonst - übrigens auch die Betreiber der Atomkraftwerke. Aber schon bald soll wirklich ernsthaft mit den Emissionsrechten gehandelt werden. Und wenn dann nach dem Ausstieg aus der Kernenergie die fossilen Brennstoffe eine noch größere Rolle spielen als ohnehin, werden die Verschmutzungsrechter die deutschen Unternehmen teuer zu stehen kommen.
Schon 2006 war europaweit der Industriestrom nur in einem Land kostspieliger als in Deutschland: im sehr stark von Stromimporten abhängigen Italien. Und dort will man jetzt angesichts der hohen Preise und der häufigen Blackouts doch noch auf die nukleare Karte setzen - wie viele andere Nationen auch: Derzeit wird in Finnland ein neues Kernkraftwerk gebaut, ebenso in Frankreich. Großbritannien und die Schweiz wollen neue Reaktoren errichten, Slowenien, Polen, Litauen, Tschechien, die Ukraine zeigen sich interessiert. Dort erscheint vielen Politikern die Kohlendioxidarmut des Atomstroms als willkommenes Geschenk im Kampf ums Klima. Alfred Voß:
"Wenn man dies einmal bilanziert, dann ist es so, dass die Kohlendioxid-Emissionen pro Kilowattstunde Strom hier in der Größenordnung bei der Kernenergie zwischen 15 und 20 Gramm liegen, dass ist bei der Windenergie ähnlich. Bei der Photovoltaik ist das ein Faktor fünf bis sechs höher, aber insgesamt sind natürlich diese indirekten Emissionen deutlich niedriger als die Emissionen, die mit der Stromerzeugung auf Basis von Braun-, Steinkohle und auch Erdgas verbunden sind, diese liegen im Bereich von 400 bis 1000 Gramm pro Kilowattstunde."
Die Frage ist, ob neue Kernkraftwerke die Lösung aller Probleme bringen. Schließlich sind die Anlagen billig im Betrieb. Und deshalb ist in Deutschland um die Frage, ob Kernkraft als klimarettender und portemonnaieschonender Ersatz für Öl, Gas und Kohle taugt, ein so heftiger Streit entbrannt. Wolfgang Irrek vom Wuppertal-Institut:
"Wenn man sich die Kernenergie anschaut: Sie trägt insgesamt nur sechs Prozent zur Primärenergieversorgung weltweit bei, und 16 Prozent der Stromversorgung. Der Beitrag der Kernenergie würde selbst bei optimistischen Ausbau-Szenarien sehr klein bleiben, und da wir sehr schnell jetzt handeln müssen bezüglich des Klimawandel, wäre es aus meiner Sicht sinnvoller, diese jetzt zu erschließen."
Die Reaktoren arbeiten im Grundlastbereich, produzieren also den Strom, der rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss. Diese Zuverlässigkeit können die Regenerativen nicht bieten. Sie arbeiten für ein ganz anderes Segment. Peter Fritz, Vorstandsmitglied des Forschungszentrums Karlsruhe:
"Ich sehe im Moment gar keine andere Lösung, als diese verordnete Laufzeitbegrenzung aufzuheben. Wenn man sich zum Beispiel einmal anschaut, was wir tatsächlich an Alternativen zur Verfügung haben. Wenn sie in der Bevölkerung fragen, woraus wir zukünftig unseren Strom erzeugen, werden Sie ganz schnell die Antwort bekommen: Sonne und Wind. 2007 kamen 0,3 Prozent unseres erzeugten Stroms aus der Photovoltaik. Gleichzeitig repräsentieren diese Photovoltaikanlagen, die in Deutschland installiert sind, mehr als 50 Prozent der in der ganzen Welt installierten Anlagen. Das sind 0,3 Prozent!"
Bei der Windenergie sind derzeit rund 20.000 Megawatt Leistung installiert. Und wenn in Norddeutschland Flaute herrscht oder wenn die Sonne nicht scheint, müssen die Ersatzkraftwerke ran, um jede nicht bei den Erneuerbaren erzeugte Kilowattstunde installierter Leistung zu ersetzen. Dieser Ausgleich erfolgt derzeit meist über Gas- oder Pumpspeicherkraftwerke, die schnell ins Netz geschaltet werden können. Was dagegen fehlt, sind Speichertechniken - sei es neue Stauseen, aus denen schnell über die Turbinen Wasser abgelassen werden kann oder leistungsstarke Batterien. An neuen Speichermedien wird seit langem intensiv geforscht, aber ein Durchbruch für die Großtechnologie steht noch aus. Dabei sind sie notwendiger denn je. Alfred Voß:
"Ich denke, wenn wir die Klimaschutzziele und auch das Ziel einer preiswerten und günstigen Versorgung mit Elektrizität und übriger Energie in Deutschland auch bei einer Reduzierung der Ölabhängigkeit erreichen wollen, dann wird es sicher so sein, dass dann der Stromverbrauch weiter wachsen wird."
Neue Märkte kommen hinzu. Beispiel: Elektroautos. Sie sollten die Luftverschmutzung in den Städten mindern, die Ölrechnung senken und sie wären gut gegen den Klimawandel - sofern der Strom für die Batterien kohlendioxidarm erzeugt wird: also durch die Erneuerbaren - oder die Kernenergie:
"Wenn wir heute den Strom, wie im Bereich der Photovoltaik nur zu Energieäquivalenzkosten von etwa fünf Euro je Liter Benzinäquivalent bereitstellen können, da kann man sich vielleicht vorstellen, dass dies auch keine Lösung darstellt, um im Verkehrsbereich mit einem so teuren Strom Öl substituieren zu wollen."
Die großen Energiesparpotenziale müssen ausgeschöpft werden - von den viel zitierten Energiesparlampen über stromsparende Computer und Fernseher bis hin zu neuen Prozesssteuerungen:
"Wir haben ja in der Vergangenheit die Energieproduktivität unserer Wirtschaft über die letzten anderthalb Jahrzehnten um etwa 1,5 Prozent pro Jahr steigern können. Dies hat dazu geführt, dass bei dem Wirtschaftswachstum, was wir in der Vergangenheit gehabt haben, der Primärenergieverbrauch etwa auf dem gleichen Niveau geblieben ist. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir vielleicht ein Wirtschaftswachstum in Zukunft haben in der Größenordnung von zwei Prozent pro Jahr, um ausreichende Beschäftigung zu schaffen, dann müssten wir ja die Energieeffizienzverbesserungen, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, noch einmal um 50 Prozent erhöhen, damit auf Dauer der primär Energieverbrauch nur auf dem gleichen Niveau verbleibt, wie wir ihn heute haben - und das wäre aus meiner Sicht schon ein hehres Ziel."
So dass schon viel erreicht sei, wenn der Energieverbrauch nicht weiter steigen wird, so Alfred Voß. Aber gerade in den Haushalten und bei den kleinen und mittleren Betrieben gebe es noch ein großes brachliegendes Potenzial, entgegnet Wolfgang Irrek vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Er ist optimistisch: Energiesparen sei die wichtigste Säule für die klimafreundliche Energieerzeugung. Dazu komme die Effizienzverbesserung der Kraftwerke...
"...beispielsweise indem man die Abwärme bei der Stromproduktion auch nutzt in der sogenannten Kraft-Wärme-Kopplung, beziehungsweise Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und das dritte ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, der halt noch viel stärker beschleunigt werden muss."
Aber das alles kostet Geld. Noch liegen bei den Erneuerbaren die Erzeugungskosten höher als bei Kohle-, Gas- und erst recht gegenüber abgeschriebenen Kernkraftwerken, so Alfred Voß:
"Das heißt, alles was wir heute an Beiträgen von Windenergie und Photovoltaik sehen, die sind im Prinzip subventionsgetrieben. Diese Techniken können sich heute im Wettbewerb noch nicht behaupten. Je nachdem, wie es in Zukunft mit Forschungs- und Förderanstrengungen gelingt, die Kosten weiter zu reduzieren bei diesen Techniken, davon wird es letztlich abhängig sein, welchen Anteil sie an der Stromversorgung und an der Energieversorgung der Zukunft übernehmen können."
Sollen also die Atomkraftwerke ein paar Jahre länger laufen, damit die Strompreise nicht durch die Decke gehen? Solange puffern, bis der Preisunterschied zwischen Erneuerbaren und fossilen sowie nuklearen Energiequellen Vergangenheit ist? Und falls ja, sollen alle Reaktoren am Netz bleiben oder nur die jüngeren? Die haben Vorteile gegenüber denen aus den sechziger und siebziger Jahren, erklärt Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt und Mitglied der Reaktorsicherheitskommission:
"Das eine ist, wenn man die verschiedenen Störfälle oder Unfälle, die passieren können, durchdenkt, sieht man, dass die alten Anlagen im Durchschnitt weniger Sicherheitsreserven haben als die neuen. Zum Beispiel weniger Sicherheitssysteme oder weniger verschiedene Möglichkeiten einzugreifen."
Die Werkstoffe seien auch besser als bei den alten. Außerdem sind die jüngeren Anlagen baulich gegen den Absturz einer Militärmaschine gesichert, was ihnen auch einen besseren Schutz gegenüber Terrorattacken verleiht, so Sailer.
"Es ist erst einmal eine gesellschaftliche Entscheidung, denn die neuen haben ihre Risiken und die alten haben ihre Risiken, die wahrscheinlich größer sind als bei den neuen. Man kann jetzt, wie es einige diskutieren, sagen, die alten sind ein so hohen Risiko, dass man sie auf jeden Fall kurzfristig abschalten sollte und dafür sollte man die neueren länger laufen lassen. Unter Risikogesichtspunkten ist das eine Umverteilung des Risikos. Wahrscheinlich ist das Gesamtrisiko dann etwas kleiner, aber es ist nicht Null."
Falls in einem Reaktor mehrere Sicherheitssysteme versagen und in großen Mengen Radionuklide frei gesetzt werden, werden Hunderte Quadratkilometer Land zumindest kontaminiert, vielleicht unbewohnbar - falls etwas passiert. Und der Klimawandel? Er kommt - und er könnte mit allen seinen globalen Folgen die Zivilisation wie wir sie kennen ruinieren. An der Kernenergie scheiden sich jedenfalls die Geister:
"Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, diese Risiken gegen die Klimarisiken auszuspielen. Letztlich muss man erst einmal entscheiden, will man diese Risiken in Kauf nehmen zukünftig oder nicht."
Der 2. Dezember 2000. Der Leitstand. Zufälligerweise hat die Mannschaft Dienst, die in zwei Wochen den Reaktor für immer abschalten wird. Gerade läuft eine Sicherheitsübung. Aber die Stimmung ist gedrückt. Ein paar Meter weiter, nur durch eine Betonwand getrennt, herrscht das Chaos. Block 4, der Havarist. Trotzdem: Wenn es nach diesen fünf Männern hier ginge, bliebe ihr Kernkraftwerk am Netz. Dass Block 3 auf internationalen Druck hin abgeschaltet wird, halten sie für einen Fehler:
"Für mich wie für alle meine Kollegen ist es ein sehr trauriges Ereignis, denn wir haben hier die besten Jahre unseres Lebens verbracht. Nach der Havarie haben wir uns sehr bemüht, das Kraftwerk wieder ans Laufen zu bringen. Dabei verloren viele meiner Kollegen ihre Gesundheit, manche starben sogar. Wir haben uns so bemüht - wirklich, es ist schade, dass das alles umsonst war."
Wie Schichtleiter Alexander Yelschischin dachten damals viele in der Ukraine. Angesichts der Stromsperren zählte für sie jede Kilowattstunde. Bitter bemerkten sie, dass Österreich zwar sein eigenes Kernkraftwerk nach der Katastrophe abgebaut, dafür aber über Jahre hinweg Strom aus Tschernobyl gekauft hatte.
Tschernobyl war ein Schock. Zwar liegt pro Betriebsjahr statistisch gesehen die Wahrscheinlichkeit für einen GAU bei eins zu einer Million. Das klingt sehr beruhigend - aber trotzdem ist es passiert. Deshalb wandte sich vor allem in Deutschland die Bevölkerung mit Leib und Seele gegen die Großtechnik: Zu gefährlich, urteilte sie.
2002 schien folgerichtig mit dem Atomkonsens das Ende der Kernkraft besiegelt: 2020 sollte der letzte Reaktor vom Netz, spätestens. Große Probleme erwartete niemand, denn es gab Strom im Überfluss: 2006 erzeugten deutsche Kraftwerke rund 636 Terrawattstunden Strom. Dabei kamen knapp 40 Prozent aus der Kohle, rund ein Viertel aus der Kernkraft, alle Erneuerbaren zusammen steuerten etwa 15 Prozent bei, Erdgas den Rest. Um sich das Ende der Kernkraft leisten zu können, sollte es reichen, auf Wind, Wasser, Sonne oder Biomasse zu setzen, den Verbrauch zu senken und vielleicht hin und wieder Strom aus dem Ausland zu importieren. Schließlich sollte parallel zum Atomausstieg auch das Klima gerettet werden. Da drängt nämlich die Zeit:
"Die Klimastudien, die neuesten, sagen, dass es im Grunde schlimmer wird, als man ursprünglich gedacht hat von Klimaforschungsseite, und dass die Auswirkungen jetzt schon messbar und spürbar sind, des Klimawandels, und dass es deswegen es umso wichtiger ist, Alternativen zu entwickeln, die in Richtung einer CO2-freien Gesellschaft gehen."
Wolfgang Irrek ist stellvertretender Leiter der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Um den Klima-GAU zu vermeiden, wollen die Staaten der Europäischen Union bis 2020 den Ausstoß von Kohlendioxid um ein Fünftel senken. Deutschland will sogar mit gutem Beispiel voran gehen.
"Wenn wir mal die CO2-Emissionen in Deutschland betrachten, dann ist es ja keineswegs so, dass - anders als in der öffentlichen Wahrnehmung hier - dass wir Vorreiter im Klimaschutz sind, sondern es ist so, dass wir in Deutschland pro Kopf Emissionen an CO2 haben, die etwa 17 Prozent höher sind als der europäische Durchschnitt."
Im Vergleich zu Frankreich, Schweden oder der Schweiz, wo Kernenergie oder Wasserkraft bei der Stromerzeugung eine sehr große Rolle spielen, sind es sogar mehr als 30 Prozent Plus, erklärt Alfred Voß, Leiter des Instituts für Energiewirtschaft und Rationelle Energieanwendung an der Universität Stuttgart.
"Das heißt, in diesen Ländern hat man CO2-Reduktionsziele schon lange erreicht, über die wir gerade in Deutschland für das Jahr 2020 diskutieren."
Weil hierzulande ein großer Teil der Kohlendioxid-Emissionen aus dem Betrieb von Kohle-, Öl- und Gaskraftwerken stammt, sollen sie langfristig zurückgedrängt werden. Das wünscht sich auch Grünen-Politikerin Bärbel Höhn:
"Wir wollen keine neuen Kohlekraftwerke, weil Kohlekraftwerke 50 Jahre lang laufen. Das heißt, wir hätten sie, wenn wir sie heute bauen, auch noch 2060, und das ist einfach so klimaschädlich, dass wir es nicht wollen."
Zwar träumen die Ingenieure von sauberen Kohlekraftwerken, deren Kohlendioxid abgeschieden und tief in der Erde endgelagert wird - aber derzeit ist noch nicht einmal klar, wie das überhaupt funktionieren kann. Diese sogenannte Clean-Coal-Technology scheint noch in weiter Ferne zu sein - in zu weiter Ferne für den Zeithorizont von zwölf Jahren bis zum Abschalten des letzten Reaktors.
Die Frage, woher der Strom 2020 kommen soll, regte lange Zeit niemanden besonders auf. Bis die Preise für Kohle, Öl und Gas ins Astronomische zu steigen begannen und die Inflation anheizten. Die Furcht geht um, eines Tages ohne warme Dusche im Dunkeln zu sitzen - oder dass Hauptlieferant Russland den Gashahn zudreht: Schließlich erweist sich Moskau schon jetzt nicht als sonderlich zuverlässiger Vertragspartner. Deshalb reagiert das Stimmungspendel: In Meinungsumfragen wird die Kernenergie wieder salonfähig, als Retter des Klimas - und der Geldbörse.
"Es kommt ja darauf an, dass wir die Energieversorgung zu vertretbaren Kosten bei gleichzeitiger Reduktion der Treibhausgasemissionen und auch bei einer gewissen Versorgungssicherheit sichern wollen. Und in diesem Kontext muss man, glaube ich, die Frage der weiteren Nutzung der Kernenergie diskutieren."
So fasst es Alfred Voß zusammen. Derzeit scheint in der Bevölkerung die Angst vor der Preisspirale größer zu sein als die vor einem GAU.
"Wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, nehmen wir natürlich Kapazität vom Markt. Das heißt, das wird natürlich auch einen Druck auf die Preise bedeuten und damit auch steigende Preise. Das heißt, wenn wir die Kernkraftwerke länger am Netz lassen, wird das eine dämpfende Wirkung haben. Das wird den Anstieg bremsen, ganz klar,"
glaubt Dieter Marx, Generalbevollmächtigter des Deutschen Atomforums in Berlin. Der Strompreis bildet sich am Markt, und zwar gibt ihn das teuerste Kraftwerk vor, das gerade produziert. Meist ist es eines, das mit Gas läuft oder mit Öl, und alle anderen profitieren vom teuersten. So lässt ein abgeschriebenes Kernkraftwerk bei den Betreibern die Kasse klingeln. Da außerdem jeder Haushalt noch rund 40 Prozent Steuern und Abgaben pro Kilowattstunde zahlt, verdient der Staat daran auch noch kräftig mit. Auf den ersten Blick hat der deutsche Verbraucher vom Preisvorteil des Nuklearstroms wenig - allerdings: Sind die Kernkraftwerke vom Netz, muss die Rendite anders erwirtschaftet werden und außerdem schließen dann neue und teure Anlagen die aufgerissene Lücke - schon steigen die Preise weiter.
Auch der für den Klimaschutz entwickelte Zertifikatehandel wird sie nach oben treiben, weil in Deutschland nach dem Auslaufen der Kernenergie wohl zunächst einmal verstärkt Klimasünder wie Kohle oder das teure Gas am Netz sein werden. Die Betriebe dürfen die Luft nicht mehr kostenlos als Müllkippe nutzen, sondern sie müssen sich beim europäischen Zertifikatehandel die entsprechen Rechte kaufen. Nur dann gibt es die Lizenz, Kohlendioxid zu emittieren. Derzeit bekommen die Stromerzeuger den größten Teil ihrer Zertifikate umsonst - übrigens auch die Betreiber der Atomkraftwerke. Aber schon bald soll wirklich ernsthaft mit den Emissionsrechten gehandelt werden. Und wenn dann nach dem Ausstieg aus der Kernenergie die fossilen Brennstoffe eine noch größere Rolle spielen als ohnehin, werden die Verschmutzungsrechter die deutschen Unternehmen teuer zu stehen kommen.
Schon 2006 war europaweit der Industriestrom nur in einem Land kostspieliger als in Deutschland: im sehr stark von Stromimporten abhängigen Italien. Und dort will man jetzt angesichts der hohen Preise und der häufigen Blackouts doch noch auf die nukleare Karte setzen - wie viele andere Nationen auch: Derzeit wird in Finnland ein neues Kernkraftwerk gebaut, ebenso in Frankreich. Großbritannien und die Schweiz wollen neue Reaktoren errichten, Slowenien, Polen, Litauen, Tschechien, die Ukraine zeigen sich interessiert. Dort erscheint vielen Politikern die Kohlendioxidarmut des Atomstroms als willkommenes Geschenk im Kampf ums Klima. Alfred Voß:
"Wenn man dies einmal bilanziert, dann ist es so, dass die Kohlendioxid-Emissionen pro Kilowattstunde Strom hier in der Größenordnung bei der Kernenergie zwischen 15 und 20 Gramm liegen, dass ist bei der Windenergie ähnlich. Bei der Photovoltaik ist das ein Faktor fünf bis sechs höher, aber insgesamt sind natürlich diese indirekten Emissionen deutlich niedriger als die Emissionen, die mit der Stromerzeugung auf Basis von Braun-, Steinkohle und auch Erdgas verbunden sind, diese liegen im Bereich von 400 bis 1000 Gramm pro Kilowattstunde."
Die Frage ist, ob neue Kernkraftwerke die Lösung aller Probleme bringen. Schließlich sind die Anlagen billig im Betrieb. Und deshalb ist in Deutschland um die Frage, ob Kernkraft als klimarettender und portemonnaieschonender Ersatz für Öl, Gas und Kohle taugt, ein so heftiger Streit entbrannt. Wolfgang Irrek vom Wuppertal-Institut:
"Wenn man sich die Kernenergie anschaut: Sie trägt insgesamt nur sechs Prozent zur Primärenergieversorgung weltweit bei, und 16 Prozent der Stromversorgung. Der Beitrag der Kernenergie würde selbst bei optimistischen Ausbau-Szenarien sehr klein bleiben, und da wir sehr schnell jetzt handeln müssen bezüglich des Klimawandel, wäre es aus meiner Sicht sinnvoller, diese jetzt zu erschließen."
Die Reaktoren arbeiten im Grundlastbereich, produzieren also den Strom, der rund um die Uhr zur Verfügung stehen muss. Diese Zuverlässigkeit können die Regenerativen nicht bieten. Sie arbeiten für ein ganz anderes Segment. Peter Fritz, Vorstandsmitglied des Forschungszentrums Karlsruhe:
"Ich sehe im Moment gar keine andere Lösung, als diese verordnete Laufzeitbegrenzung aufzuheben. Wenn man sich zum Beispiel einmal anschaut, was wir tatsächlich an Alternativen zur Verfügung haben. Wenn sie in der Bevölkerung fragen, woraus wir zukünftig unseren Strom erzeugen, werden Sie ganz schnell die Antwort bekommen: Sonne und Wind. 2007 kamen 0,3 Prozent unseres erzeugten Stroms aus der Photovoltaik. Gleichzeitig repräsentieren diese Photovoltaikanlagen, die in Deutschland installiert sind, mehr als 50 Prozent der in der ganzen Welt installierten Anlagen. Das sind 0,3 Prozent!"
Bei der Windenergie sind derzeit rund 20.000 Megawatt Leistung installiert. Und wenn in Norddeutschland Flaute herrscht oder wenn die Sonne nicht scheint, müssen die Ersatzkraftwerke ran, um jede nicht bei den Erneuerbaren erzeugte Kilowattstunde installierter Leistung zu ersetzen. Dieser Ausgleich erfolgt derzeit meist über Gas- oder Pumpspeicherkraftwerke, die schnell ins Netz geschaltet werden können. Was dagegen fehlt, sind Speichertechniken - sei es neue Stauseen, aus denen schnell über die Turbinen Wasser abgelassen werden kann oder leistungsstarke Batterien. An neuen Speichermedien wird seit langem intensiv geforscht, aber ein Durchbruch für die Großtechnologie steht noch aus. Dabei sind sie notwendiger denn je. Alfred Voß:
"Ich denke, wenn wir die Klimaschutzziele und auch das Ziel einer preiswerten und günstigen Versorgung mit Elektrizität und übriger Energie in Deutschland auch bei einer Reduzierung der Ölabhängigkeit erreichen wollen, dann wird es sicher so sein, dass dann der Stromverbrauch weiter wachsen wird."
Neue Märkte kommen hinzu. Beispiel: Elektroautos. Sie sollten die Luftverschmutzung in den Städten mindern, die Ölrechnung senken und sie wären gut gegen den Klimawandel - sofern der Strom für die Batterien kohlendioxidarm erzeugt wird: also durch die Erneuerbaren - oder die Kernenergie:
"Wenn wir heute den Strom, wie im Bereich der Photovoltaik nur zu Energieäquivalenzkosten von etwa fünf Euro je Liter Benzinäquivalent bereitstellen können, da kann man sich vielleicht vorstellen, dass dies auch keine Lösung darstellt, um im Verkehrsbereich mit einem so teuren Strom Öl substituieren zu wollen."
Die großen Energiesparpotenziale müssen ausgeschöpft werden - von den viel zitierten Energiesparlampen über stromsparende Computer und Fernseher bis hin zu neuen Prozesssteuerungen:
"Wir haben ja in der Vergangenheit die Energieproduktivität unserer Wirtschaft über die letzten anderthalb Jahrzehnten um etwa 1,5 Prozent pro Jahr steigern können. Dies hat dazu geführt, dass bei dem Wirtschaftswachstum, was wir in der Vergangenheit gehabt haben, der Primärenergieverbrauch etwa auf dem gleichen Niveau geblieben ist. Wenn wir jetzt davon ausgehen, dass wir vielleicht ein Wirtschaftswachstum in Zukunft haben in der Größenordnung von zwei Prozent pro Jahr, um ausreichende Beschäftigung zu schaffen, dann müssten wir ja die Energieeffizienzverbesserungen, die wir in der Vergangenheit gesehen haben, noch einmal um 50 Prozent erhöhen, damit auf Dauer der primär Energieverbrauch nur auf dem gleichen Niveau verbleibt, wie wir ihn heute haben - und das wäre aus meiner Sicht schon ein hehres Ziel."
So dass schon viel erreicht sei, wenn der Energieverbrauch nicht weiter steigen wird, so Alfred Voß. Aber gerade in den Haushalten und bei den kleinen und mittleren Betrieben gebe es noch ein großes brachliegendes Potenzial, entgegnet Wolfgang Irrek vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie. Er ist optimistisch: Energiesparen sei die wichtigste Säule für die klimafreundliche Energieerzeugung. Dazu komme die Effizienzverbesserung der Kraftwerke...
"...beispielsweise indem man die Abwärme bei der Stromproduktion auch nutzt in der sogenannten Kraft-Wärme-Kopplung, beziehungsweise Kraft-Wärme-Kälte-Kopplung und das dritte ist der Ausbau der erneuerbaren Energien, der halt noch viel stärker beschleunigt werden muss."
Aber das alles kostet Geld. Noch liegen bei den Erneuerbaren die Erzeugungskosten höher als bei Kohle-, Gas- und erst recht gegenüber abgeschriebenen Kernkraftwerken, so Alfred Voß:
"Das heißt, alles was wir heute an Beiträgen von Windenergie und Photovoltaik sehen, die sind im Prinzip subventionsgetrieben. Diese Techniken können sich heute im Wettbewerb noch nicht behaupten. Je nachdem, wie es in Zukunft mit Forschungs- und Förderanstrengungen gelingt, die Kosten weiter zu reduzieren bei diesen Techniken, davon wird es letztlich abhängig sein, welchen Anteil sie an der Stromversorgung und an der Energieversorgung der Zukunft übernehmen können."
Sollen also die Atomkraftwerke ein paar Jahre länger laufen, damit die Strompreise nicht durch die Decke gehen? Solange puffern, bis der Preisunterschied zwischen Erneuerbaren und fossilen sowie nuklearen Energiequellen Vergangenheit ist? Und falls ja, sollen alle Reaktoren am Netz bleiben oder nur die jüngeren? Die haben Vorteile gegenüber denen aus den sechziger und siebziger Jahren, erklärt Michael Sailer vom Öko-Institut Darmstadt und Mitglied der Reaktorsicherheitskommission:
"Das eine ist, wenn man die verschiedenen Störfälle oder Unfälle, die passieren können, durchdenkt, sieht man, dass die alten Anlagen im Durchschnitt weniger Sicherheitsreserven haben als die neuen. Zum Beispiel weniger Sicherheitssysteme oder weniger verschiedene Möglichkeiten einzugreifen."
Die Werkstoffe seien auch besser als bei den alten. Außerdem sind die jüngeren Anlagen baulich gegen den Absturz einer Militärmaschine gesichert, was ihnen auch einen besseren Schutz gegenüber Terrorattacken verleiht, so Sailer.
"Es ist erst einmal eine gesellschaftliche Entscheidung, denn die neuen haben ihre Risiken und die alten haben ihre Risiken, die wahrscheinlich größer sind als bei den neuen. Man kann jetzt, wie es einige diskutieren, sagen, die alten sind ein so hohen Risiko, dass man sie auf jeden Fall kurzfristig abschalten sollte und dafür sollte man die neueren länger laufen lassen. Unter Risikogesichtspunkten ist das eine Umverteilung des Risikos. Wahrscheinlich ist das Gesamtrisiko dann etwas kleiner, aber es ist nicht Null."
Falls in einem Reaktor mehrere Sicherheitssysteme versagen und in großen Mengen Radionuklide frei gesetzt werden, werden Hunderte Quadratkilometer Land zumindest kontaminiert, vielleicht unbewohnbar - falls etwas passiert. Und der Klimawandel? Er kommt - und er könnte mit allen seinen globalen Folgen die Zivilisation wie wir sie kennen ruinieren. An der Kernenergie scheiden sich jedenfalls die Geister:
"Ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, diese Risiken gegen die Klimarisiken auszuspielen. Letztlich muss man erst einmal entscheiden, will man diese Risiken in Kauf nehmen zukünftig oder nicht."