Christine Heuer: Bisher gibt es kein Ergebnis in Lausanne. Auch heute Nacht haben die Außenminister der Fünf-plus-eins-Staaten mit dem Iran über sein Atomprogramm verhandelt. Mein Kollege Gerd Breker im Interview dazu mit Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Gerd Breker: Kann man sagen, jedes Abkommen ist besser als gar keins?
Oliver Meier: Aus Sicht der Kontrolle des iranischen Atomprogramms ist es wahrscheinlich besser, wenn ein Abkommen abgeschlossen wird, das auf jeden Fall die Fortsetzung der Inspektionen garantiert und auch eine Beschränkung des iranischen Atomprogramms beinhaltet. Allerdings ist es natürlich so, dass die Staaten in der Region argwöhnisch diese Verhandlungen beäugen, und aus deren Sicht ist natürlich nicht jedes Abkommen besser als gar keines, sondern die haben höhere Maßstäbe.
Breker: Sie haben es angedeutet, Herr Meier: Die einen wollen die iranische Atombombe verhindern, die anderen die friedliche Nutzung der Atomkraft. Kann man das überhaupt in einem Abkommen regeln?
Meier: Ja, das kann man in einem Abkommen regeln. Das ist der Kern des Atomwaffen-Sperrvertrages, wo allen Nicht-Kernwaffen-Staaten erlaubt wird, friedlich die Atomkraft zu nutzen, und gleichzeitig müssen diese Staaten aber Kontrollen akzeptieren. Im Falle Irans ist dieser Sonderfall, dass der Iran über viele Jahre seine Auflagen verletzt hat und die internationalen Bestimmungen verletzt hat, und deswegen muss er besonders streng kontrolliert werden, und er soll für einen bestimmten Zeitraum auch auf bestimmte, besonders missbrauchsrelevante Aktivitäten verzichten.
"Wir sind ja nur hier auf dem Weg zu einem Zwischenziel"
Breker: Sie sagen, die Kontrolle müsse glaubwürdig sein. Wenn man sich jetzt den Verlauf dieser Verhandlungen anschaut, dann könnten die Kontrollen ein ähnliches Ausmaß haben und immer wieder in eine Verlängerung müssen.
Meier: Na ja, die Verhandlungen müssen hier in eine Verlängerung erst mal, wenn ein solches Abkommen tatsächlich abgeschlossen werden sollte, und das wird ja nicht in den nächsten Tagen abgeschlossen, sondern dann erst Ende Juni. Wir sind ja nur hier auf dem Weg zu einem Zwischenziel. Aber wenn wir ein solches Abkommen dann Ende Juni haben sollten, dann würde das ja über viele Jahre, die Amerikaner sagen auf jeden Fall mehr als zehn Jahre umgesetzt werden, und für diesen Zeitraum müsste der Iran dann sich besonderen Bestimmungen unterwerfen, in der Hoffnung, dass dann das internationale Vertrauen in die friedlichen Absichten des Iran wiederhergestellt ist.
Breker: Forschung und Entwicklung in der Nukleartechnik, die kann man doch gar nicht bewusst auf überholte Standards halten. Die geht doch immer weiter, und das kann man dem Iran doch nicht verwehren, oder doch?
Meier: Nein, man kann es ihm nicht grundsätzlich verwehren. Das wird man auch nicht tun. Es besteht auch jetzt - und das ist ein großer Fortschritt gegenüber der Diskussion, die wir etwa vor zwei Jahren noch hatten. Es ist klar, dass es nur um ein zeitlich begrenztes Abkommen geht, an dessen Ende dann Iran genauso frei ist, nuklear zu forschen und sein Nuklearprogramm zu entwickeln, wie alle anderen Nicht-Atomwaffen-Staaten, die dem Atomwaffen-Sperrvertrag beigetreten sind. Aber für diesen speziellen Zeitraum sollen dem Iran bestimmte Aktivitäten auch im Bereich der Forschung und Entwicklung untersagt sein, und es sollen diese Aktivitäten auch strenger kontrolliert werden. Diese Restriktionen sollen dann nach und nach gelockert werden und im Gegenzug wird dann dem Iran auch Sanktionen gelockert, oder ganz aufgegeben.
"Diese Freiheit wird sich keine Regierung aus der Hand nehmen lassen"
Breker: Wenn die Kontrolle nicht glaubwürdig vonstattengehen kann, dann soll es Sanktionen per Automatismus geben. Ist das nicht eine etwas weitgehende Forderung des Westens?
Meier: Ja, da bin ich sehr skeptisch. Es gibt in den USA diese Vorschläge der sogenannten Snapback-Sanktionen im Sicherheitsrat. Das heißt, wenn der Iran hier gegen ein solches Abkommen verstößt, dann würden die Sanktionen, die dann gelockert worden sind, automatisch wieder verhängt. Ich glaube, letzten Endes werden sich die ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Russland insbesondere - das hat auch Moskau klar gesagt - dieses Recht nicht aus der Hand nehmen lassen durch einen solchen Mechanismus und die Verhängung von Strafmaßnahmen, ob es nun Sanktionen sind oder auch mögliche Militärschläge, wird natürlich der Kern nationalstaatlichen Handelns, und diese Freiheit wird sich, glaube ich, keine Regierung durch ein Abkommen aus der Hand nehmen lassen.
Breker: Die Gegenleistung des Westens wäre die Aufhebung der Sanktionen. Sie haben es eben angedeutet. Da will der Westen im Moment diese Sanktionen schrittweise aufheben, also zuerst die Sanktionen, die die USA aufgestellt haben, die die Europäische Union aufgestellt haben, und dann erst die Sanktionen der Vereinten Nationen. Macht das Sinn? Ist das tragfähig?
Meier: Die Idee ist, dass man möglichst lange den Druck auf Iran aufrecht erhält und diejenigen Sanktionen, die wahrscheinlich auch am schwierigsten wieder zu beschließen wären, erst am Ende aufhebt. Der Iran will auch aus symbolischen Gründen, dass der Sicherheitsrat sehr schnell eine Aufhebung der zumindest nuklearbezogenen Sanktionen beschließt und hier seine Beschlüsse, die er gegenüber dem Iran gefasst hat, widerruft sozusagen oder zumindest reformiert. Das ist insofern erstaunlich, weil die Sicherheitsratsresolutionen eigentlich diejenigen sind, deren Aufhebung am wenigsten wirtschaftliche Vorteile für den Iran bringen würden. Aber der Iran setzt offensichtlich darauf, wenn der Sicherheitsrat hier seine Sanktionsbeschlüsse ändert, dass dann auch die Wirtschaftssanktionen, die etwa die Europäer und die Amerikaner verhängt haben, ihre Legitimation verlieren und dass zumindest dann einige der Staaten, die hier auch Wirtschaftssanktionen verhängt haben, in der Folge eines solchen Sicherheitsratsbeschlusses auch die Wirtschaftssanktionen aufheben oder lockern.
Heuer: Oliver Meier von der Stiftung Wissenschaft und Politik in einem Gespräch mit meinem Kollegen Gerd Breker.
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