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Atomverhandlungen mit dem Iran
"Das Misstrauen ist zu groß auf beiden Seiten"

Bei den Atomverhandlungen mit dem Iran wird es aus Sicht des Konfliktforschers Christian Hacke zu keinen detaillierten Ergebnissen kommen. Hacke sagte im DLF, mit Blick auf die geostrategische Lage der Welt sei nichts anderes zu erwarten gewesen. Der Iran werde erst mit dem Westen verhandeln, wenn er auf Augenhöhe behandelt wird.

Christian Hacke im Gespräch mit Sandra Schulz |
    Verhandlungen zwischen den 5+1-Mächten und dem Iran am Montag in Lausanne.
    Konfliktforscher: Verhandlungen mit dem Iran sind nur erfolgreich, "wenn sie in einem halbwegs entspannten Klima stattfinden." (imago/Xinhua)
    Sandra Schulz: Gestern war er aus Lausanne abgereist, der russische Außenminister Lawrow, von den Verhandlungen über ein iranisches Atomprogramm. Schon da hieß es aber, wenn die Gespräche gut laufen, dann kommt er heute zurück, und das hat er heute Vormittag auch angekündigt.
    Am Telefon begrüße ich jetzt Professor Christian Hacke, Politikwissenschaftler und internationaler Konfliktforscher. Guten Tag!
    Christian Hacke: Seien Sie gegrüßt, Frau Schulz.
    Schulz: Herr Hacke, lässt sich das sagen: Wenn es heute um Mitternacht ein Papier geben wird, wird das die Welt sicherer machen?
    Hacke: Ich glaube, die Einschätzung von Herrn Maurus ist treffend. Gesichtswahrend werden beide Seiten, denke ich, danach streben, zumindest ein Papier vorzulegen, was einen groben Rahmen umschreibt. Aber im Detail wird es, so vermute ich oder so befürchte ich auch, heute zu keinen Ergebnissen kommen, und das sollten wir ganz nüchtern sehen. Wir haben hier einen ungeheuren Medien-Hype jetzt. Nach zwölf Jahren denkt man, jetzt auf den letzten zwölf Stunden müsste es passieren. Das ist natürlich auch kontraproduktiv, denke ich, und wir sollten mit sehr viel nüchternerem Blick diese Dinge jetzt sehen.
    "Wir haben eine neue konfrontative Entwicklung"
    Schulz: Sie rechnen damit, dass es ein Papier gibt, das eigentlich ein Nichtpapier ist?
    Hacke: Ja, nicht ein diplomatisches "non paper", das hat wieder eine andere Bedeutung, aber ein relativ nichts sagendes Papier. Ich denke, wir dürfen auch einen weiteren Punkt nicht vergessen. Herr Maurus hat sehr schön dargestellt, was die Problematik im Detail anbelangt, die technischen Fragen und hier natürlich das Problem, dass der Iran sich nicht auf den Status einlassen wird, nur minderwertige Atomforschung betreiben zu dürfen.
    Aber der Kern, Frau Schulz, liegt, glaube ich, in dem Bereich, der direkt im Abkommen hier nicht berührt wird. Das sind die geostrategischen Umstände. Und wir wissen, dass natürlich Rüstungskontrollen - wir haben Erfahrungen aus den 80er-Jahren; das war damals hauptsächlich zwischen den USA und der Sowjetunion - nur dann erfolgreich sein können, wenn sie in einem halbwegs entspannten Klima stattfinden. Und was wir jetzt haben ist eher eine neue konfrontative Entwicklung, wo der Iran natürlich involviert ist in den neuen Konflikt innerhalb der muslimischen Welt, in den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten.
    Und da sind sie halt im Jemen, im Libanon, in Syrien, im Irak (und dann noch Unterstützung der Hisbollah) so involviert, dass unausgesprochen natürlich in einem solchen Klima neuer Konfrontationen im Westen die Bereitschaft oder bei bestimmten Staaten die Bereitschaft, hier nun dem Iran weitgehend entgegen zu kommen, nicht da sein wird.
    Schulz: Aber was ist denn dann der Unterschied zwischen einem Papier, in dem eigentlich nichts drinsteht, und einem Scheitern der Gespräche?
    Hacke: Das gehört dazu. Das müssen Sie so sehen, dass immer in der internationalen Politik die Gefahr besteht oder auch das Glück, dass man nicht sich völlig zerstreitet, sondern dass man sagt, okay, wir machen einen Zwischenstrich und einigen uns auf die Punkte, die relativ allgemein gehalten sind, und dann verhandeln wir weiter. Aber das ist, angesichts dieser gesamtgeostrategischen Lage in der Weltpolitik und im Nahen Osten, auch nicht anders zu erwarten. Das Misstrauen ist zu groß auf beiden Seiten, sowohl mit Blick auf den Nuklearstatus als auch die Rolle des Iran im Nahen Osten.
    "Die Interessenlagen sind zu weit auseinander"
    Schulz: Das heißt dann aber auch: Die Einschätzung, die immer wieder zu hören war oder die auch immer wieder ja gesagt worden ist, man sei sich noch nie so nahe gewesen wie jetzt, die stimmt dann schlichtweg nicht?
    Hacke: Sie mag halbwegs stimmen mit Blick auf die technischen Details. Aber da ist natürlich auch viel Optimismus. Vergessen Sie nicht: Die fünf plus eins sind ja keine Einheit. Frankreich wird zunehmend kritisch, das darf man nicht vergessen. Und was wir von der Bundesregierung hören, ist immer mit einer Überdosis von Optimismus gefüllt gewesen. Das war auch positiv: Deutschland hat einen ganz entscheidenden Beitrag geleistet, dass diese Verhandlungen überhaupt immer wieder in Gang gingen. Aber Außenminister Steinmeier hat auch nüchtern gesagt, besser kein Abkommen als ein schlechtes. Aber hier, denke ich, sind die Einschätzungen und vor allem die Interessenlagen zu weit auseinander.
    "Iraner wollen als Gleiche unter Gleichen behandelt werden"
    Schulz: Herr Hacke, verstehe ich Sie da aber richtig, dass letzten Endes die Verhandlungen, so wie sie laufen, auch egal was heute um Mitternacht dabei herauskommt, dass das eigentlich Kosmetik ist?
    Hacke: Ja, ich will Ihnen Folgendes sagen. Diese Einschätzung wird nicht von vielen geteilt. Der Iran wird erst mit dem Westen verhandeln, wenn er auf Augenhöhe behandelt wird, wenn der Westen ihn sieht als ein Land, das gleichberechtigt behandelt werden soll und muss. Es ist ein stolzes Land, was zivile Atomforschung natürlich sowieso betreiben darf. Und wenn wir jetzt dieses Moment der Zielgerade jetzt mal auf die Entwicklung anwenden, dann können Sie erst ganz kurz vorm Ziel erkennen, ob die Forschung rein zivil bleibt, oder auch militärisch wird. Das ist der eine Punkt: Sie wollen als Gleiche unter Gleichen behandelt werden.
    Auf der anderen Seite hat der Westen natürlich Recht, wenn er sagt, wir würden euch als Gleiche unter Gleichen behandeln und euch auch eine Menge im zivilen Nuklearprogramm zugestehen und vielleicht auch die Möglichkeit, dass ihr binnen eines Jahres dann auch in anderer Form fähig werdet, aber dann müsst ihr euch dementsprechend auch politisch verhalten. Und das wird der Iran aufgrund seines Führungsanspruches der schiitischen Welt einfach nicht hinnehmen und wird auf diesen Anspruch nicht verzichten wollen, und hier liegt der Gegensatz.
    Deshalb haben wir nicht nur die fünf plus eins, sondern Sie müssen auch sehen: Da kommt natürlich noch Israel dazu, da ist die Opposition der Republikaner im Kongress, dann ist Saudi-Arabien und dann ist Ägypten da. Die sind alle mehr als kritisch. Und die Schlüsselfrage ist auch, das dürfen Sie nicht vergessen: Welche Gefahr besteht, alte Freunde zu verprellen um den Preis, einen neuen, unsicheren Kantonisten, hier den Iran, in diesem Abkommen zu gewinnen? Das ist eine ganz schwierige Abwägungsfrage.
    Schulz: Macht alles nicht viel Mut?
    Hacke: Nein.
    Schulz: Vielen Dank an den Politikwissenschaftler Professor Christian Hacke hier heute in den "Informationen am Mittag" im Deutschlandfunk. Danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.