Seit Hiroshima und Nagasaki hat niemand mehr gewagt, Atombomben einzusetzen. Die Wirkung war zu zerstörerisch, zu verheerend die Folgen. Und doch blieb da immer der Wunsch mancher Strategen, diese mächtige Waffe zu nutzen - für einen begrenzten Atomschlag, als Option einer glaubhaften Abschreckung. Weil die Sprengköpfe kleiner werden, die Trägersysteme präziser und die geopolitische Lage sich zuspitzt, könnten solche Ideen durchaus gehört werden. Ein Überblick über die Entwicklung von Atomwaffen, ihre Wirkung, die Logik der neuen atomaren Rüstung und ihre Risiken.
Hinweis: Dieser Beitrag wird im Kontext des russischen Angriffs auf die Ukraine im Februar 2022 häufig abgerufen. Wir möchten Sie darauf hinweisen, dass er am 16. Juli 2020 erstellt wurde.
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Die Wirkung von Atomwaffen (auch Kernwaffen oder Nuklearwaffen genannt) beruht nicht auf chemischen Reaktionen, sondern auf Kernspaltung oder Kernverschmelzung von radioaktiven Materialien. Dabei wird enorme Energie in Form von Hitze, Druck und Strahlung freigesetzt. Die Atombombe ist die stärkste und gefährlichste Waffe, die jemals entwickelt wurde.
Die ersten Atombomben beruhten auf Kernspaltung von Plutonium und Uran und wurden 1945 von den USA zwei Mal mit verheerenden Folgen eingesetzt - bis heute sind es die einzigen Atombomben-Einsätze geblieben. Wasserstoffbomben gibt es seit 1953. Sie beziehen ihre Energie nicht aus der Kernspaltung, sondern aus der Kernfusion. Während des Kalten Krieges setzten die Supermächte beim Wettrüsten auf möglichst viele Megatonnen TNT-Äquivalent: Die Uran- und Plutoniumbomben erscheinen winzig im Vergleich zu den bis zu 4.000 Mal stärkeren Wasserstoffbomben. Diese Megawaffen haben sich durchgesetzt.
Die Fortentwicklung und Modernisierung der Kernwaffen liegt weniger im Bereich der Sprengköpfe, sondern bei Transport und "Verpackung". Neue Trägersysteme wie die russische interkontinentale Schwerlastrakete Sarmat, die gleich zehn bis 15 Atomsprengköpfe auf einmal aussetzen kann, sind eine der zentralen Säulen bei der Modernisierung der Atomwaffenarsenale. Ebenso arbeiten viele Länder an der Weiterentwicklung von Hyperschallflugkörpern, die ihr Ziel schneller und genauer erreichen.
Um zu bewirken, dass die Atomwaffe vor der Explosion metertief ins Erdreich eindringt, werden beispielsweise Hüllen aus hochlegiertem Stahl zugefügt. So könnten etwa unterirdische Bunker zerstört werden. Oder Bomben bekommen eine Präzisionslenkung, die sie wesentlich treffsicherer macht. Mehr Treffsicherheit hat den Effekt, dass die Waffen kleiner werden können und ihr Ziel trotzdem zuverlässig vernichten. Das ist gewollt: Man wünscht sich Atomwaffen mit geringer Sprengkraft, die nicht Millionen Menschen töten und die Welt in einen sogenannten nuklearen Winter stürzen. Doch genau vor diesen Waffen warnen Experten, weil sie die Hürden für einen Einsatz senken und einen Atomkrieg wahrscheinlicher machen.
Ein weiterer Bereich der Entwicklung betrifft die Digitalisierung. Dass künstliche Intelligenz eines Tages über den Einsatz von Nuklearwaffen alleine entscheidet, halten Expertinnen und Experten für unwahrscheinlich – doch ihr Einfluss wird vermutlich wachsen. So könnte KI in der Steuerung von Raketen oder Torpedos eingesetzt werden, bei der Erkennung und Abwehr von Cyberangriffen und bei der Truppenführung.
Die Weiterentwicklung von Atomwaffen sollte 1996 mit dem Atomteststopp-Vertrag verhindert werden - er verbietet alle Arten von Nuklearwaffentests.
Aber Ländern wie Russland und China wird vorgeworfen, den Vertrag gebrochen zu haben. Zudem können Waffensysteme auch rein mit Hilfe von Simulationsprogrammen und Laser-Technologie entwickelt werden.
Atomwaffen gehören zu den zerstörerischsten Waffen der Menschheit. Die Explosion setzt enorme Mengen an Energie frei. Durch die außerordentliche Druck- und Hitzewelle wird alles in der unmittelbaren Umgebung ausgelöscht - ob Menschen, Gebäude oder Natur. Der Druck verursacht Lungen- und Ohrenverletzungen sowie innere Blutungen bei Menschen in etwas größerer Entfernung, die intensive Hitze schwerste Verbrennungen.
Hinzu kommt eine hohe Strahlenbelastung: Radioaktives Material wird in die Höhe getragen und fällt innerhalb weniger Minuten wieder herab. Dieser radioaktive Niederschlag (Fallout) verseucht ein großes Gebiet um die Explosionsstelle herum. Hohe Dosen von Strahlung töten Zellen, beschädigen Organe und führen zu einem raschen Tod, niedrigere Dosen schädigen Zellen, führen zu genetischen Schäden und erhöhtem Risiko für Krebserkrankungen (Brust-, Darm-, Schilddrüsenkrebs und Leukämie) und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. In die Atmopshäre gelangen aber eher geringfügige Mengen an radioaktivem Material, sodass es nicht zu einer so immensen jahrzehntelangen Verstrahlung des Gebietes kommt wie etwa bei einem Unfall in einem Atomkraftwerk, bei dem große Mengen an radioaktiven Partikeln freigesetzt werden. Die Gefahr liegt also in der unmittelbaren, extrem hohen Strahlenbelastung, die ungeborenes Leben schädigt und Langzeitschäden für die betroffnen Menschen und spätere Generationen nach sich zieht.
Auswirkungen einer 100-Kilotonnen-Atombombe (Quelle: ICAN):
- 3-km-Radius: Ein radioaktiver Feuerball, der heißer ist als die Sonne und eine Kraft entsprechend 100.000 Tonnen TNT hat, tötet alles Leben.
- 5-km-Radius: Die überwiegende Mehrheit der Menschen stirbt rasch an den Folgen von Verletzungen durch die Druckwelle, an Ersticken oder im Laufe der nächsten Wochen an der Strahlenkrankheit.
- 10-km-Radius: Die Hälfte der betroffenen Menschen erliegt ihren Verletzungen und Verbrennungen. Viele sterben bald nach der Explosion aufgrund von Bränden und an der Strahlenkrankheit.
- 80-km-Radius: Radioaktiver Niederschlag verbreitet sich. Im Laufe der Zeit sterben Tausende Menschen an der Strahlenkrankkeit und an Krebs.
Käme es heutzutage zu einem globalen nuklearen Krieg, wären die Folgen verheerend. Derzeit gibt es mehr als 13.400 Atombomben, die um ein Vielfaches wirkungsmächtiger sind als die alten Modelle. Sie könnten alles Leben auf der Erde auslöschen. Auch ein regionaler Atomkonflikt hätte das Potenzial, auf einen Schlag das Leben von Millionen von Menschen zu zerstören, der Gesundheit zukünftiger Generationen zu schaden, das Weltklima nachhaltig zu verändern und einen sogenannten nuklearen Winter auszulösen: Die Feuersbrünste pumpen Rauch und Ruß in die Atmosphäre, die Sonne heizt sie weiter auf, sodass sie bis in die Stratosphäre aufsteigen. Ein dunkler Schleier schirmt Sonnenlicht ab, die globale Durchschnittstemperatur sinkt um zwei bis fünf Grad, und weil dadurch dann auch weniger Wasser verdunstet, kommt es zu Dürren. Ernteausfälle und extreme Hungersnöte sind die Folge. Die indirekten Folgen eines Atomwaffeneinsatzes könnten noch gravierender für die Menschen sein als die direkten.
Die Möglichkeit der Kernspaltung entdeckte der Chemiker Otto Hahn - am 6. Januar 1939 veröffentlichte er zum ersten Mal die Ergebnisse seiner Experimente. Allerdings beabsichtigte er die Nutzung der Atomenergie für zivile Zwecke und war erschüttert, als sie schon bald für den Bau von Atombomben genutzt wurde.
Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wurde der länderübergreifende Austausch von wissenschaftlichen Ergebnissen und Forschungsständen gestoppt. In den USA warnten immigrierte Wissenschaftler wie Albert Einstein vor der Gefahr der Entwicklung von Atomwaffen in Deutschland. Daraufhin wurde 1942 das "Manhattan-Projekt" gestartet: Unter der Leitung des Kernphysikers Robert Oppenheimer sollten zwei Atombomben aus verschiedenen spaltbaren Materialien entwickelt werden, Plutonium und Uran. Nur drei Jahre später, am 16. Juli 1945, erfolgte auf dem Testgelände White Sands in der Wüste von New Mexico die Zündung der ersten Atombombe.
Die Begründung für ihren tatsächlichen Einsatz veränderte sich: Nachdem sich die Entwicklung deutscher Kernwaffen nicht bewahrheitet hatte, wurde die Atombombe nun als einziges Mittel im Kampf gegen Japan gesehen. Drei Wochen nach dem Test in Nevada wurde eine Uranbombe am 6. August 1945 über Hiroshima, die Plutoniumversion am 9. August 1945 über Nagasaki abgeworfen. Mehrere Hunderttausend Menschen starben. Und noch heute erkranken Atombombenopfer infolge der damaligen extremen Strahlenbelastung. Seither ist keine Atombombe mehr zu Eisatz gekommen. Doch die Arsenale der Atommächte sind mehr als gut gefüllt.
Als Atommächte gelten neun Länder weltweit:
- USA
- Russland
- Frankreich
- Großbritannien
- China
- Indien
- Pakistan
- Israel
- Nordkorea
Eine Wasserstoffbombe nachweislich gezündet haben die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China. Diese fünf "offiziellen" Atomwaffenstaaten sind durch den Atomwaffensperrvertrag anerkannt. Die anderen vier "de-facto"-Atomwaffenstaaten sind keine Mitgliederstaaten des Atomwaffensperrvertrags.
Während manche Länder offen mit ihrem Nuklearwaffenarsenal umgehen, weiß man bei anderen nicht, über wie viele Sprengköpfe sie wirklich verfügen. Knapp 13.400 Atomwaffen gibt es weltweit, mehr als 90 Prozent sind im Besitz der beiden militärischen Supermächte USA und Russland mit jeweils rund 6.000 Atomsprengköpfen. Diese große Anzahl an Kernwaffen resultiert aus dem jahrzehntelangen Wettrüsten während des Kalten Krieges. Etwa 150 US-Atomwaffen befinden sich im Rahmen der NATO-Strategie "Nukleare Teilhabe" in Europa, und zwar in Belgien, Deutschland, Niederlande, Italien und der Türkei.
Fast 4.000 der weltweiten Nuklearwaffen sind sofort einsatzfähig, davon geschätzte 1.800 in ständiger Höchstalarmbereitschaft, die ihr Ziel binnen weniger Minuten erreichen können. Auch wenn die Anzahl weltweiter Nuklearsprengköpfe sinkt, steigt das Risiko eines Atomkriegs, so die Einschätzung von Expertinnen und Experten.
"Erstens ist mit Nordkorea ein neuer Nuklearstaat dazugekommen. Zweitens laufen in allen anderen Atomwaffenstaaten Modernisierungsprogramme. Und drittens ist die Rüstungskontrolle in ernsthaften Schwierigkeiten", so Dan Smith, Direktor des Internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI in Stockholm.
Seit sechs Jahrzehnten lagern US-amerikanische Atombomben in Deutschland - ebenso in der Türkei, Belgien, den Niederlanden und in Italien. Im Kalten Krieg waren es Tausende, heute befinden sich zwanzig Atomsprengköpfe im rheinland-pfälzischen Fliegerhorst Büchel im Rahmen der "Nuklearen Teilhabe".
Das Konzept ist ein Baustein der NATO-Sicherheitsarchitektur und soll Nicht-Nuklear-Staaten – wie Deutschland, dem es völkerrechtlich verbindlich verboten ist, eigene Atomwaffen zu besitzen – über nukleare Abschreckung vor Angriffen schützen. Dieses Abschreckungskonzept des atlantischen Bündnisses sieht vor, dass deren Verbündete, also auch Deutschland, im Kriegsfall Zugriff auf amerikanische Atomwaffen haben und diese dann mit eigenen Flugzeugen ins Ziel bringen können. Gleichzeitig haben die beteiligten Staaten in einem Gremium der NATO, der Nuklearen Planungsgruppe, ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der atomaren Abschreckungspolitik.
Die Bevölkerung in den fünf Ländern, in denen die Atombomben lagern, empfinden diese mehrheitlich weniger als Schutz denn vielmehr als Bedrohung. Sie fürchten, zum herausragenden potenziellen Angriffsziel in einer nuklearen Konfrontation zu werden. Die meisten Militärstrategen sind dagegen überzeugt, dass ohne die nukleare Teilhabe verlässlicher Schutz europäischer Länder nicht möglich wäre. Und sie argumentieren auch, dass das Konzept der Nuklearen Teilhabe zudem gegen eine Weiterverbreitung von Nuklearwaffen wirkt: Es ermöglicht Ländern einem nuklearen Schirm, ohne eigene nukleare Kapazitäten entwickeln zu müssen.
In Deutschland hatte zuletzt der SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich eine Debatte um die Nukleare Teilhabe der NATO angestoßen. Er stellt infrage, "ob die gedachte nukleare Abschreckung des Kalten Krieges heute überhaupt noch angemessen ist". Die Bundesregierung bekennt sich zur Nuklearen Teilhabe der Nato als wichtigem Bestandteil einer glaubhaften Abschreckung des Bündnisses.
Der Atomwaffensperrvertrag (NVV) von 1968
In der Zeit des Kalten Krieges besaßen fünf Staaten Atom- und Wasserstoffbomben: USA, Sowjetunion, Großbritannien, Frankreich und China. Etwa 8.000 Atomsprengköpfe hatten sie Ende der 1960er-Jahre in ihren Arsenalen. Um den Kreis der Atommächte nicht weiter zu vergrößern und das Risiko eines Atomkriegs zu vermindern, legten die Vereinigten Staaten und die Sowjetunion den Vereinten Nationen 1967 gemeinsam einen Vertragsentwurf vor. Der "Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV)" fußte auf drei Säulen:
- Er verpflichtete die Staaten, die Kernwaffen besaßen, solches Kriegsgerät und die Technologie zu dessen Herstellung nicht an Drittländer weiterzugeben. Staaten ohne Atomwaffen garantierten, dass sie keine Versuche unternehmen, in ihren Besitz zu gelangen.
- Die Atomstaaten verpflichteten sich zu einem vollständigen Abbau ihrer Arsenale.
- Die Staaten vereinbarten eine Zusammenarbeit bei der zivilen Nutzung der Atomtechnologie etwa für die Energiegewinnung.
Am 1. Juli 1968 unterzeichneten Washington, Moskau und London den "Atomwaffensperrvertrag". Ihre Unterschriften sowie die von vierzig weiteren Staaten waren nötig, damit er 1970 in Kraft treten konnte. Deutschland unterzeichnete im November 1969, erst Jahrzehnte später folgten auch die Atommächte China und Frankreich. Bis heute sind 191 Länder beigetreten. Nordkorea schied 2003 wieder aus - der Südsudan und die Atommächte Indien, Pakistan, Israel haben niemals unterschrieben. Es fehlen also Problemfälle des internationalen Nichtverbreitungs- und Abrüstungsregimes, die entweder schon im Besitz der Bombe sind oder ihn heimlich anstreben.
Die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO) überwacht die Einhaltung der Vertragsbestimmungen im Turnus von fünf Jahren. Die Überprüfungskonferenz 2015 konnte sich trotz intensiver Verhandlungen nicht auf ein Abschlussdokument einigen - umso wichtiger ist, den Vertrag 2020 zukunftsfest zu machen und ihn mit neuen Initiativen zu stärken.
"Die Abrüstungssäule ist der schwächste Teil des Vertrags", sagt Tytti Erästö vom Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI. "Anders als bei der Nicht-Verbreitung gibt es hier auch keine Fristen oder Kontrollen. Dass hier so wenig passiert ist, hat in den 50 Jahren seit Vertragsschluss zu einem allgemeinen Gefühl der Desillusionierung der Vertragsstaaten geführt. Das Verhalten der Nuklearstaaten erfüllt die Erwartungen nicht. Statt Abrüstung sehen wir Modernisierungsprogramme der Atomwaffenarsenale und eine nukleare Aufrüstung auch in der politischen Rhetorik."
Der INF-Vertrag von 1987
Ende der 1980er-Jahre hatten die USA und die Sowjetunion den Höhepunkt der Aufrüstung erreicht, mit rund 23.000 US-amerikanischen und 40.000 sowjetischen Atomsprengköpfen. In einem Schritt der nuklearen Entspannungspolitik unterzeichneten Ronald Reagan und Michael Gorbatschow am 8. Dezember 1987 den Mittelstrecken-Nuklearstreitkräfte-Vertrag (INF).
Das am 1. Juni 1988 in Kraft getretene Abkommen sah eine bis dahin beispiellose atomare Abrüstung beider Länder vor. Gorbatschow und Reagan vereinbarten darin die Vernichtung aller landgestützten Marschflugkörper und Mittelstreckenraketen mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern. See- und luftgestützte Nuklearwaffen blieben ausgenommen.
Engmaschige gegenseitige Überprüfungen sollten sicherstellen, dass die an Land stationierten Atomwaffen auch tatsächlich vernichtet wurden. Diese Kontrollen dauerten de facto bis 2001 an. In Folge des Vertrags wurden bis Mitte 1991 über 1.600 Atomwaffen-Trägersysteme zerstört.
Der INF-Vertrag galt auch Deutschland als "ein wichtiger Baustein europäischer Sicherheit", so die Bundesregierung im Jahr 2019. Im August jenes Jahres ließen die USA und Russland als Rechtsnachfolger der UdSSR den Vertrag allerdings auslaufen. US-Präsident Donald Trump hatte mit Verweis auf Russlands Produktion des Marschflugkörpers 9M729 den Austritt seines Landes aus dem Abkommen angekündigt. Russland erklärte kurz darauf, der Vertrag entspreche nicht mehr seinen Interessen. Beide Länder hatten einander immer wieder Vertragsbrüche vorgeworfen.
Der Wegfall des INF-Vertrags 2019 fällt in eine Zeit der Aufrüstung. Die weltweite Sicherheitsarchitektur wird zusehends fragiler. Atommächte betonen militärische Stärke mit Doktrinen wie "Eskalieren, um zu deeskalieren" oder Planspielen über den taktischen Einsatz von Mini-Nukes (kleinen Atomwaffen). Die Hemmschwelle zum Einsatz von Atomwaffen scheint gesunken, das Misstrauen der Mächte wächst.
Dagegen brauche es vertrauensbildende Maßnahmen, glaubt Tytti Eräströ vom Internationalen Stockholmer Friedenforschungsinstitut SIPRI. Eine davon könnte sein, dass neben China auch die anderen vier offiziellen Atommächte USA, Russland, Großbritannien und Frankreich ihren Verzicht auf einen nuklearen Erstschlag erklären. Auch explizite Sicherheitsgarantien für andere Länder oder die offizielle Verurteilung von Atomwaffen als Kriegsmittel könnten laut Eräströ für mehr Vertrauen sorgen.
Der Atomwaffenverbotsvertrag von 2017
Nach der gescheiterten Überprüfungskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag im Jahr 2015 formierte sich eine neue internationale Bewegung, die sich für eine atomwaffenfreie Welt stark macht. Das Resultat ist ein Vertrag über das Verbot von Kernwaffen, den die Generalversammlung der Vereinten Nationen am 20. September 2017 zur Unterschrift auslegten.
Der Atomwaffenverbotsvertrag verbietet laut Deutschem Bundestag nunmehr "umfassend Herstellung, Erprobung, Besitz, Einsatz bzw. die Androhung eines Einsatzes, Transfer über und Stationierung von Atomwaffen im eigenen Staatsgebiet sowie jegliche Beihilfe zu den vorgenannten Verhaltensweisen. Jeder Staat, der beim Beitritt Atomwaffen besitzt, verpflichtet sich, diese so bald wie möglich zu vernichten. Ferner verpflichten sich die Mitgliedstaaten, Opfern von Atomwaffentests oder –einsätzen medizinische, psychologische, wirtschaftliche und soziale Hilfe zu leisten und in ihrem Hoheitsgebiet Maßnahmen zur Sanierung kontaminierter Gebiete zu ergreifen".
Auf der UN-Vollversammlung 2017 unterzeichneten zunächst 53 Staaten, bis Januar 2020 waren es 80 Staaten. Ratifiziert haben bisher 34 Staaten, darunter Österreich. In Kraft treten wird der Vertrag 90 Tage nach der 50. Ratifizierung.