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Atomwaffenverbot tritt in Kraft
Ungleichgewicht des Schreckens

Das Atomwaffenverbot der Vereinten Nationen tritt nun in Kraft - mehr als 50 Staaten haben den Vertrag bislang ratifiziert. Deutschland und die anderen NATO-Staaten gehören nicht dazu. Experten meinen trotzdem: Das Verbot ist mehr als nur Symbolpolitik.

Von Andrea Rehmsmeier |
Russisches Atom-U-Boot Dmitry Donskoy
Konfliktforscher Borska sorgt sich besonders um den neuen Konfrontationskurs zwischen den USA und Russland (dpa / Zoonar.com / Denis Pomortsev)
"Militärischer Sicherheitsbereich", steht auf dem Schild am Eingangstor, "Vorsicht Schusswaffengebrauch". Das Gelände der Deutschen Luftwaffe ist mit NATO-Draht umzäunt, Wachsoldaten patrouillieren: Der Fliegerhorst Büchel, idyllisch gelegen in der Eifel, ist die Basis des Taktischen Luftwaffengeschwaders 33 - und gilt als der einzige Ort in Deutschland, wo US-Atomwaffen gelagert werden. Etwa 25 Nuklearsprengköpfe sollen es sein. Zwar hat die Bundesregierung das nie offen bestätigt. Hier in Büchel scheint es dennoch jeder zu wissen:
"Man ist gegen Atomwaffen. Grundsätzlich. Ja, da sind wir alle einverstanden. Nur was ist der nächste Schritt, die abzuschaffen?" - "Da hat, glaube ich, Deutschland nicht das alleinige Sagen."
Dossier: Atomwaffen
Dossier: Atomwaffen (picture-alliance/dpa/Fotoreport)

Massenvernichtungswaffen in der Nachbarschaft

Nicht alle Anwohner sehen die Atomwaffen in Büchel so kritisch wie Veronika Rass. Für die Pastoralreferentin im Dekanat Cochem aber sind die Massenvernichtungswaffen in ihrer Nachbarschaft unerträglich. Darum hat sie auf einem nahegelegenen Rasenstück zu einem Friedensgebet eingeladen.
"Wenn hier irgendwelche Verrückten ein Flugzeug hineinflögen, dann wird das ganze Ding hier hochgehen."
"Ja, aber die liegen ja nicht da! Die sind im Bunker."
"Meiner Meinung nach sind die nicht geschützt vor solchen Angriffen."
Etwa 13.400 Nuklearwaffen gibt es derzeit auf der Welt. Diese Zahl hat das Stockholmer internationale Friedensforschungsinstitut Sipri in seinem jüngsten Jahresbericht veröffentlicht – und es warnt zugleich vor einem neuen nuklearen Wettrüsten. Die Abrüstungsverträge zwischen Russland und den USA, die die Rüstungsspirale bislang unter Kontrolle hielten, sind inzwischen fast alle ausgelaufen oder sie wurden einseitig gekündigt. Für das letzte bedeutende nukleare Abkommen, "New Start", gibt es nun aber neue Hoffnung. Noch am Tag der Amtseinführung des US-Präsidenten Joe Biden verkündete sein neuer Außenminister Anthony Blinken, das Abkommen verlängern zu wollen. Die Zeit drängt, denn am 4. Februar endet es sonst. (*)
Ein Bundeswehr-Aufklärungsflugzeug vom Typ Tornado startet am 05.01.2016 vom Fliegerhorst Büchel (Kreis Cochem-Zell) in der Eifel zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei.
Nukleare Teilhabe - Taugen Atomwaffen noch als Abschreckung? SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hat eine Debatte um die sogenannte nukleare Teilhabe der NATO entfacht: Er möchte, dass in Deutschland keine Atomwaffen mehr stationiert werden. Doch viele halten das weiter für notwendig.
Dazu kommt: Die Zahl der Staaten, die Atomwaffen besitzen, wächst. Neun sind es laut Sipri bereits. Neben den offiziellen Atommächten USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China sind das außerdem Israel, Indien, Pakistan und Nordkorea. Es könnten weitere Länder hinzukommen. Denn auch der Atomwaffensperrvertrag, der die Verbreitung verhindern soll, steht auf der Kippe. Die letzte Überprüfungskonferenz im Jahr 2015 ist gescheitert, der kommenden, die noch in diesem Jahr stattfinden soll, werden kaum bessere Chancen zugerechnet.

Wichtiges Zeichen der UN: der Atomwaffenverbotsvertrag

Umso wichtiger könnte das Zeichen sein, das die Vereinten Nationen mit dem Atomwaffenverbotsvertrag setzen, das nun in Kraft getreten ist [am 22.01.2021, Anm. d. Red.]. Damit werden Atomwaffen wie bereits biologische und chemische Waffen völkerrechtlich geächtet.
"Der Vertrag über ein Verbot von Atomwaffen wurde während der UN-Generalversammlung am 7. Juni 2017 von 122 Staaten aus der Taufe gehoben. Wir haben dafür den Friedensnobelpreis bekommen - wir, einfache Bürger mit einer Vision, die sich entschlossen haben, etwas zu tun." So die Schwedin Beatrice Fihn, Direktorin der Internationalen Kampagne zur Abschaffung der Atomwaffen, kurz Ican. Das Bündnis von mehr als 500 Nichtregierungsorganisationen wurde 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Ican macht sich seit Jahren für ein völkerrechtliches Verbot von Atomwaffen stark. Laut diesem UN-Vertrag sind Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen verboten. 51 Staaten haben den Vertrag bislang ratifiziert, die Bundesrepublik und auch die anderen NATO-Staaten gehören nicht dazu.
"Heute gibt es mehr Atomwaffenstaaten als je zuvor. Und alle sind in die unterschiedlichsten regionalen Krisen verstrickt - die USA gegen Nordkorea, Indien gegen Pakistan, Indien gegen China, die USA gegen China, die USA gegen Russland. Und so weiter."
Eine Welt ohne Atomwaffen dürfte dennoch ein hehres Ziel bleiben. 2009 hatte der damalige US-Präsident Barack Obama große Hoffnungen geweckt, dass er die nukleare Abrüstung auf die Agenda der US-Regierung setzen werde. Die flammenden Reden haben Obama den Friedensnobelpreis eingebracht, politisch jedoch ist die Initiative verpufft. Als die Vereinten Nationen auf ihrer Generalversammlung 2017 über den Atomwaffenverbotsvertrag abstimmten, da wurden die USA – dann schon mit Donald Trump im Weißen Haus - schmerzlich vermisst. Die übrigen Atomwaffenstaaten fehlten ebenfalls, genauso wie die meisten NATO-Mitgliedsstaaten. Die UN-Initiative wurde dennoch ein Erfolg: 122 von insgesamt 193 UNO-Staaten stimmten FÜR das Atomwaffenverbot.
"Wir werden nicht ewig mit Atomwaffen leben können, ohne dass sie eingesetzt werden. Wissenschaftler auf der ganzen Welt warnen, dass wir einem Atomkrieg heute näher sind als jemals zuvor."

Neuer Konfrontationskurs zwischen USA und Russland

Ist die Welt dem Atomkrieg tatsächlich so nah, wie die Unterzeichner des UN-Atomwaffenverbots befürchten? Das würde die NATO-Doktrin der Nuklearen Abschreckung in ihrer Grundannahme in Frage stellen: dass nämlich keine Nuklearmacht ihre Atombombe je als Erste einsetzen würde, wenn sie fürchten müsste, dass der Gegner danach umso vernichtender zurückschlägt. Dann wäre das sogenannte "Gleichgewicht des Schreckens" auf beängstigende Weise ins Ungleichgewicht geraten.
Der Feuerball der ersten gezündeten Atombombe im "Trinity"-Projekt auf der "White Sands Missile Range", New Mexico am 16. Juli 1945.
Das neue atomare Wettrüsten "Gadget" war der Codename der ersten Atombombe, die vor 75 Jahren explodierte. Drei Wochen später lagen Hiroshima und Nagasaki in Schutt und Asche. Jetzt gibt es "moderne" Bomben. Sie sind hochpräzise – und gelten als Option für einen "begrenzten Atomschlag".
Auch Michael Brzoska, Professor am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, gibt keine Entwarnung. Er sorgt sich besonders um den neuen Konfrontationskurs zwischen den USA und Russland. Nach Krim-Annexion, Einmischung in Wahlkämpfe und Wirtschaftssanktionen haben beide Kontrahenten ihre nuklearen Streitkräfte demonstrativ ausgebaut. Konfliktforscher Brzoska fürchtet: Die Signalwirkung könnte fatal sein - insbesondere auf Staaten, die derzeit an der Schwelle zur Nuklearmacht stehen.
"Iran wäre natürlich ein Staat, der einem in den Sinn kommt, aber auch Saudi-Arabien oder Japan. Es gibt eine ganze Reihe von Kandidaten, über die immer wieder spekuliert wird, die momentan sagen: Nein, wir haben uns völkerrechtlich verpflichtet, keine Nuklearwaffen zu haben. Aber wo natürlich in den Staaten selber starke politische Kräfte sind, die sagen: Wenn es eben so ist, dass die Sicherheitslage international sich verschlechtert, dann müssen wir neu über Atomwaffen nachdenken."

Konfliktforscher: Hohe Gefahr eines Atomkrieges

Die völkerrechtliche Verpflichtung zur Nichtverbreitung geht aus dem Atomwaffensperrvertrag hervor. Auch die fünf offiziellen Atommächte USA, Frankreich, China, Großbritannien und Russland sind unter den 191 Staaten, die der Konvention beigetreten sind. Dem Atomwaffensperrvertrag zufolge dürfen Staaten ohne Atomwaffen niemals welche anschaffen, Staaten mit Atomwaffen verpflichten sich zur Abrüstung. Doch gerade die USA und Russland haben diese Verpflichtung in den vergangenen Jahren ignoriert.
"Die beiden großen Mächte haben eigentlich versprochen, in den letzten 15, 20 Jahren, dass sie massiv nuklear abrüsten wollen. Wenn jetzt aber die Botschaft ist: Selbst der letzte Vertrag, den wir haben, New Start, wird nicht verlängert! Nuklearwaffen sind offensichtlich etwas, was man gerne hat als großer Staat. Und zumindest Russland und die USA sind nicht bereit, weitere Schritte der Abrüstung zu gehen. Warum sollten wir? Wo insbesondere durch Pakistan, Nordkorea und USA, in deren Verhältnis - die Gefahr eines Atomkrieges tatsächlich ziemlich hoch ist."
Nach der Explosion einer französischen Atombombe 1971 schwebt dieser riesige Atompilz über dem Mururoa-Atoll.
Warum es immer noch 13.400 Atombomben gibt Am 16. Juli 1945 explodierte in der Wüste von Nevada die erste Atombombe. Drei Wochen später warfen die USA ihre neu entwickelte Waffe über Hiroshima und Nagasaki ab. Danach hat niemand mehr gewagt, Atombomben einzusetzen. Und doch gibt es im Jahr 2020 weltweit noch rund 13.400 Atomwaffen – auch in Deutschland. Von Abrüstung und neuem Wettrüsten.
Jetzt hofft Konfliktforscher Brozska auf den neuen US-Präsidenten Joe Biden, der noch am Tag seiner Amtseinführung verkünden ließ, das Abkommen retten zu wollen. Dazu müsste er sich allerdings auf die Schnelle mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin einigen. Ein diplomatischer Kraftakt, denn bis zum Vertragsende von "New Start" am 4. Februar bleiben nur noch Tage.(*) Sollte bis dahin keine Nachfolgeregelung gefunden sein, gebe es erstmalig seit 1972 keine vertragliche Begrenzung mehr für Sprengköpfe und Trägersysteme. Es gebe keine regelmäßige Rüstungskontrolldiplomatie und keine gegenseitigen Waffeninspektionen mehr. Dann gebe es nur noch die nukleare Abschreckung.

Österreich - Mitinitiator des Verbotsvertrags

Doch ist die altgediente Doktrin aus dem Kalten Krieg für die komplexe Konfliktlage in der Welt von heute überhaupt tauglich?
"Es ist nicht nur eine Kalte-Kriegs-Doktrin, sondern es ist durchaus die gültige Doktrin auch der NATO. Sie ist noch relevant. Die NATO selbst sagt: Solange es nukleare Waffen gibt, wird die Nato eine nukleare Allianz bleiben." Ekkehard Brose ist Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik in Berlin, eine Weiterbildungsstätte unter anderem für Führungskräfte aus Bund und Ländern.
"Richtig ist, dass die Rüstungskontrolle gerade im nuklearen Bericht darniederliegt. Die USA sind aus dem Atomwaffenvertrag mit Iran ausgestiegen. Und das ist aus meiner Sicht auch ein wichtiger Grund, warum andere Staaten gesagt haben: "Wir brauchen diesen Verbotsvertrag!" Das ist ein Teil zumindest einer frustrierten Reaktion auf das Ausbleiben der Zusage aus dem Nichtverbreitungsvertrag, nuklear abzurüsten."
Die ICAN-Geschäftsführerin Beatrice Fihn und Koordinator Daniel Hogstan jubeln über den Friedensnobelpreis, der ihrer Organisation verliehen wird.
Van Aken (Linke) "Atomwaffen gehören verboten" Der Friedensnobelpreis 2017 geht an die Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen. Er habe sich sehr gefreut, sagte der Linken-Politiker Jan van Aken im Dlf. Allerdings glaube er nicht, dass der Preis Auswirkungen auf aktuelle Konflikte haben werde.

Inititative will Ächtung von Atomwaffen erreichen

Zu den Wortführern dieser frustrierten Staaten gehört das neutrale Österreich, das den Verbotsvertrag auf UN-Ebene mit initiiert hat. In Deutschland wird das Atomwaffenverbot oftmals als Symbolpolitik dargestellt. Der Student Robin Jaspert glaubt: Die Deutschen nehmen das Thema zu leicht. Darum ist er als ehrenamtlicher ICAN-Botschafter im ganzen Bundesgebiet unterwegs oder hält Onlinevorträge über die Profiteure und die Opfer der Atomwaffenpolitik und über die Strukturen auf den Weltmärkten, die die Abrüstung verhindern. Die Hoffnung, die Jaspert in die völkerrechtliche Ächtung von Atomwaffen setzt, ist groß.
"Was ein starker Referenzrahmen! Das ist nicht eine Stadtverordnetenversammlung, die mal beschlossen hat, eine Parkbank zu bauen. Das ist ein Großteil der Staaten dieser Welt, die inzwischen sagen: Hey, wir wollen keine Atomwaffen mehr! Und es ist auch ein Großteil der Bevölkerung in Deutschland, der das sagt. Und das muss irgendwann anerkannt werden, auch politisch."

Folgen für Nicht-Unterzeichner

Fast die gesamte Südhalbkugel der Erde könnte bald atomwaffenfreie Zone sein, hofft Jaspert - und das würde einen neuen Rechtsrahmen schaffen, den der ICAN-Botschafter alles andere als nur "symbolisch" findet. Denn das würde den Unterzeichnerstaaten Handlungsspielraum verschaffen, zum Beispiel, indem sie künftig den Transit von Atomwaffen durch ihren Luftraum und ihre Küstengewässer untersagen. Vor allem aber würden diejenigen Banken, Investitions- und Pensionsfonds, die das Völkerrecht als moralische Richtschnur nutzen, künftig in Erklärungsnot geraten, wenn sie in geächtete Atomwaffen und Trägersysteme investieren oder entsprechende Kredite vergeben.
"Wenn 50 Staaten bereit sind und einem völkerrechtlich gültigen Vertrag beitreten, mit Perspektive auf 122, die den Vertrag unterzeichnet haben, dann erschwert das schon sehr viel in der Produktion und auch in der Bereitstellung von Atomwaffen, zum Beispiel die Finanzierung. Zum Beispiel sind Österreich und Irland dabei. Und nun wissen wir, dass sehr viele Banken den Sitz in Irland haben. Und wenn aus Irland irgendwann die Finanzierung von Nuklearwaffen verboten ist, wird das auch politische Konsequenzen haben."

Deutschland lässt Stationierung von US-Atomwaffen zu

Nur auf Deutschlands Unterschrift unter das UN-Nuklearwaffenverbot wartet Jaspert bislang vergeblich. Dabei hat sich im Bundestag längst ein "Parlamentskreis Atomwaffenverbot" gegründet. Hunderte Bundestags-, Landtags- und EU-Abgeordnete sowie mehr als 100 deutsche Städte fordern Deutschlands Beitritt zum Verbotsvertrag. Allerdings würde das wohl ein Zerwürfnis mit den USA bedeuten, denn die in Deutschland gelagerten amerikanischen Atomwaffen müssten abgezogen werden.
"Es ist für mich eine absolute Schande, ehrlich gesagt. Es wird sehr stark davon gesprochen: Okay, wir brauchen irgendein breites internationales, gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen für Abrüstung. Und da kann ich es immer nur wieder wiederholen: Es gibt kein breiteres, besser abgestimmtes Vorgehen gegen Atomwaffen und für Abrüstung als den Nuklearwaffenverbotsvertrag. Wenn die deutsche Bundesregierung, wenn das keine reinen Lippenbekenntnisse sind, würde sie sich ernsthaft damit auseinandersetzen und darauf reagieren und gucken: Okay, wie können wir das ernsthaft voranbringen, dieses Thema, auch in Deutschland und auf EU-Ebene? Und das wird nicht getan."

Deutschland - gebunden an nukleare Teilhabe

Eine Welt ohne Atomwaffen ist auch für die Bundesregierung ein erklärtes außenpolitisches Ziel, das bringt Außenminister Heiko Maas in seinen Reden immer wieder zum Ausdruck. Und nach Ansicht von Ekkehard Brose von der Bundesakademie für Sicherheitspolitik sind das nicht nur Lippenbekenntnisse.
"Wir haben das für uns ja auch abgelehnt, Nuklearwaffen überhaupt zu besitzen und zu produzieren. Und wir nehmen eben nur teil an der Verantwortung, indem wir amerikanische Waffen bei uns haben. Diese Kombination begründet und definiert zugleich den Umfang der nuklearen Teilhabe."
Die nukleare Teilhabe: Durch diese Nato-Strategie garantieren die USA, ihre atomwaffenfreien Bündnispartner mit den eigenen Nuklearstreitkräften zu verteidigen - aber nicht ohne Gegenleistung. Deutschland muss die Stationierung von US-Atomwaffen auf dem eigenen Staatsgebiet zulassen und selbst geeignete Trägersysteme bereitstellen. Im Kriegsfall würde es die Aufgabe von Bundeswehrpiloten sein, die Nuklearsprengköpfe zum Einsatzort zu fliegen. Im Widerspruch zum großen Ziel einer atomwaffenfreien Welt stehe das aber nicht, findet Brose.
"Ja, im Rahmen einer allseits vereinbarten Aufgabe nuklearer Waffen in der Welt würden auch wir dafür eintreten, dass es diese Waffen nicht geben sollte. Das reflektiert das moralische Dilemma, dass der Mensch hier eine Waffe entwickelt hat, die so unvorstellbar gewaltsam und brutal ist, dass er etwas Angst vor ihr selbst hat. Aber in der Realität sehen wir, dass es diese Waffen gibt. Und wir sehen nicht, dass die, die die Waffen haben, irgendwelche ernsthaften Anstrengungen machen, sie aufzugeben. Und das zusammengenommen führt eben dann im Rahmen dieser Strategie der Abschreckung dazu, dass man sagt: Wir brauchen sie auch!"

Aktivistin: Atomwaffen auf deutschem Boden "völkerrechtswidrig"

In Büchel in der Eifel ruft die "Hiroshima-Glocke" zum Friedensgebet - eine Kopie der Glocke, die in Japan an den ersten Atombombenabwurf 1945 erinnert. Das kleine Rasenstück, einen Steinwurf vom Fliegerhorst entfernt, ist ein Treffpunkt der örtlichen Friedensgruppen. Auch die katholische Organisation Pax Christi veranstaltet hier Andachten.
Friedensaktivistin Elke Koller im Jahr 2017 auf der Friedenswiese nahe des Bundeswehr-Fliegerhorstes in Büchel.
Friedensaktivistin Elke Koller auf der Friedenswiese nahe des Bundeswehr-Fliegerhorstes in Büchel (picture alliance / Thomas Frey/dpa)
Mit dabei ist auch Elke Koller, 78-jährige studierte Apothekerin, die sich seit Jahrzehnten in der Friedensbewegung engagiert und dort so etwas wie eine Prominente ist. Dass deutsche Piloten wenige Kilometer von ihrem Wohnort entfernt für den Atombombeneinsatz trainieren, findet sie unerträglich:
"Das sind acht Grüfte, da drüben sind so Erdhügel - 'Shelter' nennen sich die. Da können also die Tornados reinfahren. Und dann kommen die aus diesen Grüften, die Atombomben, hochgefahren, und dann werden die unter diese Tornados geklinkt."
Elke Koller hat deshalb sogar das Bundesverteidigungsministerium verklagt. Damals, vor zehn Jahren, war das ein juristisches Novum. Unterstützung bekam sie von der Vereinigung für Friedensrecht, Ialana. Die Atomwaffen auf deutschem Boden seien "völkerrechtswidrig", argumentierte das Juristenteam und stützte sich dabei auf ein Gutachten des Internationalen Gerichtshofs. Dieser war schon 1996 zu dem Schluss gekommen, dass Atomwaffen "grundsätzlich im Widerspruch" zu den Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts stehen. 2011, im Verwaltungsgericht Köln, kam es zum Verfahren.
"Da saßen drei Richter vom Verwaltungsgericht. Dann war ich als Klägerin da, mein Rechtsanwalt, und das Verteidigungsministerium hatte eine Ministerialbeamtin geschickt. Und es waren etliche Zuschauer im Raum. Ich durfte mich da äußern und mein Rechtsanwalt hat einige Passagen aus der Klage vorgelesen, aber durfte das eigentlich gar nicht näher begründen."
Auch ihr persönliches Risiko wegen der Massenvernichtungswaffen in ihrer Nachbarschaft machte Elke Koller geltend. Die Anwältin des Ministeriums hielt dagegen: Die "pauschale Maximalforderung" der Klägerin fuße auf vagen Befürchtungen, eine einzelne Bürgerin könne der Bundesregierung nicht vorschreiben, welche Art von Politik sie zu betreiben habe. Das Verwaltungsgericht Köln wies die Klage ab. Eine Revision wurde nicht zugelassen. Die Ialana-Juristen legten Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

Hoffnung auf internationale Signalwirkung

"Und dann hieß es, meine Beschwerde sei völlig unbegründet. Ich sei ja noch nicht zu Schaden gekommen. Und im Übrigen wäre das Thema eigentlich nicht so interessant. Das fand ich eigentlich einen Skandal."
Es war eine juristische Niederlage für Elke Koller. Umso mehr freut sie sich über das nun in Kraft getretene UN-Atombombenverbot. Die US-Atomwaffen in der Eifel betrifft der neue Rechtsrahmen zwar nicht: Solange Deutschland den Vertrag nicht unterzeichnet und ratifiziert hat, kann die Bundesregierung auch nicht auf dieser Grundlage zur Rechenschaft gezogen werden. Doch Elke Koller und viele andere Friedensaktivisten hoffen auf die internationale Signalwirkung:
"Dann ist es ja wirklich so, dass Atombomben völkerrechtlich wirklich geächtet sind. Und da gibts auch kein Vertun mehr."
(*) Das Manuskript wurde hier der aktuellen Entwicklung angepasst