Münchener Straße in Frankfurt am Main heute Mittag, auf dem Bürgersteig vor dem Attac-Büro. Der Mehrheit der Passanten hier unweit des Bankenviertels sagt der Name Attac nichts:
Passant: "Die Bank sagt mir nichts, habe ich keine Erfahrung zu."
Reporter: "Attac ist keine Bank, sondern eine globalisierungskritische Organisation, so wie Greenpeace - für Finanzthemen."
Passant: "Da ich selbst in der Finanzbranche angestellt bin, ist es denke ich kein Problem, dass so finanzkritische Organisationen abgehen."
Das bekräftigt auf dem Bürgersteig auch die Minderheit derjenigen, die Attac kennen:
Passant: "Ja, im Zuge der Globalisierung muss es eben Organisationen geben, die auch eindeutig Position beziehen in dem Zusammenhang. Und ich glaube, dass die sich sehr für Menschenrechte einsetzen und deshalb ist mir das wichtig."
Reporter: "Und das halten sie für gemeinnützig?"
Passant: "Ja, durchaus."
Ist es aber nicht, sagt das Frankfurter Finanzamt
"Das Finanzamt Frankfurt hat Attac rückwirkend für die Jahre 2010, 2011 und 2012 die Gemeinnützigkeit aberkannt",
bestätigt Frauke Distelrath, Pressesprecherin von Attac. Die Oberfinanzdirektion Frankfurt will zu dem Vorgang nichts sagen. Da gelte das Steuergeheimnis, heißt es am Telefon. Frauke Distelrath erklärt, was in dem Brief stand, den Attac bekommen hat:
"Das Finanzamt hat es begründet, allerdings sehr kurz und knapp. In dem Bescheid steht, das Attac allgemeinpolitische Ziele verfolge, das sei nicht gemeinnützig. Als Beispiele genannt werden explizit das Engagement von Attac für eine Regulierung der Finanzmärkte in Form der Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer. Und unser Engagement nach einer gerechteren Verteilung von Reichtum und da explizit die Forderung nach einer Vermögensabgabe."
Gauck würdigte Attac
Nicht nur Attac, sondern beispielsweise auch der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) in Hamburg hat Probleme damit, dass ein Finanzamt seine Aktivitäten als zu politisch einstuft und die Gemeinnützigkeit in Frage stellt. Doch im Fall Attac hatte gerade gestern kein geringerer als Bundespräsident Joachim Gauck in Deutschland rund 30.000 Mitglieder zählende Organisation noch dafür gelobt, dass sie sich aus Gerechtigkeitsgründen für die Transaktionssteuer eingesetzt habe. Wörtlich sagte er bei einer Konferenz der Robert-Bosch-Stiftung, nachzulesen auf der Homepage des Bundespräsidialamtes:
"Vieles von dem, was wir heute als selbstverständlich erachten, ist aus der Gesellschaft heraus – und oft gegen massive Widerstände – erkämpft worden: Ich meine Fortschritte bei der Verankerung der Menschenrechte, beim Umweltschutz oder der Gleichstellung der Geschlechter. Viele Ideen, die als naiv verspottet, Themen, die als Randmeinung abgetan und Innovationen, die als unrealisierbar angesehen wurden, sind heute im Zentrum der Debatte oder in der Wirklichkeit angekommen. Europaweit wird inzwischen über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer verhandelt – die Gründungsforderung von Attac."
Das Lob des Staatsoberhauptes freue Attac zwar sehr, sagt Sprecherin Frauke Distelrath. Doch am Entzug der Gemeinnützigkeit ändert das zunächst nichts:
"Das bedeutet für uns aktuell, dass wir unseren Mitgliedern und Spendern aktuell keine Bescheinigungen ausstellen können für Steuervergünstigungen, also diese Spendenabzugsbescheinigung."
Die Organisation hat jedoch Widerspruch gegen den Bescheid des Finanzamtes eingelegt. Der Entzug der Gemeinnützigkeit ist nämlich existenzgefährdend für eine Organisation, die sehr auf Spenden angewiesen ist. Ein langer Rechtsstreit steht im Raum. Vielleicht hilft das Lob Joachim Gaucks Attac ja auf dem Instanzenweg.