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Attribute der Macht
"Frauen sind immer noch die Fremden in der Politik"

Wir hätten uns noch nicht daran gewöhnt, dass Frauen an die Spitze kommen, sagte die Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha im DLF. Es werde auch noch lange dauern, bis dies normal sein werde. Frauen in Spitzenposition stünden vor der großen Herausforderung, eine Balance zu finden zwischen Weiblichkeit und einer ausreichenden Prise Männlichkeit.

Christina Holtz-Bacha im Gespräch mit Maja Ellmenreich |
    Man sieht die Beine einer Frau, die in bunten High Heels auf dem Asphalt läuft.
    Die britische Premierministerin Theresa Mays trägt bunte High Heels (imago/i Images)
    Maja Ellmenreich: Das hat nun wirklich Seltenheitswert, dass die Frisur, das Äußere eines mächtigen Politikers so viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Bei einer Politikerin sieht das schon ganz anders aus. Bestes und jüngstes Beispiel: Theresa May, die in diesem Moment fast schon die Minuten zählen kann, bis sie in London von der Queen zur neuen Premierministerin ernannt wird.
    Pumps im Leopardenmuster, Slipper mit Nietenbesatz, farbenfrohe Kleider und Kostüme – das Äußere der bisherigen Innenministerin Großbritanniens ist bereits ausführlich thematisiert worden. Selbst einmal angesprochen auf ihren Kleidungsstil sagte Theresa May, es sei schon eine Herausforderung für Frauen in der Politik und in der Geschäftswelt, einfach nur sie selbst zu sein. Frauen sollten sich viel häufiger sagen:
    O-Ton Theresa May: "You can be clever and like clothes.”
    Ellmenreich: Kluger Kopf und guter Geschmack müssen sich laut Theresa May also nicht ausschließen.
    Christina Holtz-Bacha ist Professorin für Kommunikationswissenschaften an der Universität Erlangen-Nürnberg. Und die Darstellung von Politikerinnen in den Medien ist eines ihrer Forschungsthemen. Frau Holtz-Bacha, ist das die einzig kluge Strategie, sich so offensiv und auch so charmant zum eigenen Spaß an der Mode zu bekennen, wie Theresa May das getan hat?
    "Authentizität gehört zur Inszenierung"
    Christina Holtz-Bacha: Theresa May klingt ein in den Chor der Politikerinnen, die sich immer beklagen darüber, dass zuerst auf ihr Äußeres geachtet wird und dass sie bei dem Blick auf die Frisur, das Kleid, die Hose, die Schuhe mit ihren Themen nicht durchdringen können. Da höre ich doch zuerst mal diese Klage und dann die Ankündigung, man will doch selbst die eigene Person in den Vordergrund stellen, den eigenen Charakter zum Ausdruck bringen. Ist schön und gut, das versuchen Politikerinnen und Politiker immer. Authentizität ist das, was wir in jedem Wahlkampf erleben, wonach alle streben. Aber machen wir uns doch nichts vor: Auch diese Authentizität und dieses Selbstsein ist auch aufgesetzt und gehört zur Inszenierung, wie wir sie alle betreiben. Es gehört zu der Rolle, die wir spielen.
    Ellmenreich: Sie glauben Theresa May nicht, dass sie wirklich Pumps im Leopardenmuster mag?
    Holtz-Bacha: Ich glaube es ganz bestimmt, dass sie die mag. Sie nimmt nur vorweg - und das hat sie ja in diesen Tagen nun schon erlebt -, dass alle darauf gucken, dass alle ihr auf die Füße gucken, und sie will dem vorbauen und hofft, dass sie dann, indem sie das offensiv angeht, dann doch mit ihren Themen, ihrem Programm durchkommt. Ich bezweifle aber, dass das so einfach sein wird.
    Ellmenreich: Das heißt, eine Frau, eine Politikerin muss dieses Spiel erst mal ein bisschen mitspielen, um dann durch die Hintertür doch noch die Inhalte durchzusetzen.
    Holtz-Bacha: Ja, oder man spielt nicht mit. Gucken wir uns an, was die Bundeskanzlerin macht. Die hat sich ja, seitdem sie Kandidatin war und dann zur Bundeskanzlerin gewählt wurde, entschieden zu dieser Uniform, die dann eigentlich keine Diskussionen mehr zulässt: Immer die schwarze Hose und da wechselt nur die Farbe der Jacken, darüber gibt es nicht mehr viel zu diskutieren. Sie erlebt aber, wenn sie das mal wechselt, wenn sie nach Bayreuth zum Opernfestival geht, dann hat sie das Kleid an und da springen doch alle, vor allen Dingen die Fotografen drauf an und es gibt die Kommentare und wir hören, das war doch das Kleid, was sie schon mal getragen hat, oder dann gibt es die Diskussion über den Schwitzfleck, oder sie hat die Söckchen an, was nicht so gut aussieht, wenn das unter dem Kleid hervorguckt. Das erleben wir ja sogar bei Angela Merkel, die versucht, dieser Kleiderfrage aus dem Weg zu gehen.
    Ellmenreich: Fassen wir zusammen: Politikerinnen können es, ob sie nun Uniform oder extravagantes Schuhwerk wählen, es einfach der Öffentlichkeit und den Medien nicht recht machen.
    "Zur Rolle der Spitzenpolitikerin gehören auch immer die männlichen Eigenschaften"
    Holtz-Bacha: Niemals! Frauen sind da in der Klemme, denn Frauen müssen, gerade wenn sie an die Spitze kommen, so wie es bei Politikerinnen ist, über die wir hier sprechen, Frauen müssen sich auf jeden Fall immer feminin zeigen, aber sie dürfen sich nicht zu feminin zeigen, denn das wird ebenfalls gegen sie gekehrt. Das heißt, sie müssen immer diese Balance finden, denn zu der Rolle der Spitzenpolitikerin gehören ja auch immer die männlichen Eigenschaften, die wir Führungspersonen, die wir hohen Politikern zuweisen, und das sind immer diese männlichen Eigenschaften. Die verbinden wir mit Top-Positionen. Gerade dann, wenn wir auf Hillary Clinton gucken, da wo die Präsidentin dann auch Oberbefehlshaberin der Armee wäre, da erwarten wir ja auch männliche Eigenschaften, dieses taff sein, und das ist die große Herausforderung für Frauen, diese Balance zu finden zwischen Weiblichkeit und immer auch einer ausreichenden Prise Männlichkeit.
    Ellmenreich: Und diese Balance scheint, wenn ich Ihnen so richtig zuhöre, nicht wirklich einzuhalten beziehungsweise hinzubekommen zu sein. Deuten Sie das alles denn immer noch als Zeichen dafür, dass Frauen in der Politik, in der Geschäftswelt noch immer nicht so ernst genommen werden wie ihre männlichen Kollegen?
    Holtz-Bacha: Natürlich ist das so. Das können wir immer sehen, dass auch Angela Merkel, die zehn Jahre Kanzlerin ist, immer wieder konfrontiert wird mit entsprechenden Bemerkungen. Frauen sind immer noch die Neuen, die Fremden in der Politik. Wir haben uns noch nicht daran gewöhnt, dass die Frauen an die Spitze kommen. Und so viele Frauen hat es auch noch nicht gegeben!
    Ellmenreich: Wenn wir jetzt in Deutschland schauen: Angela Merkel, Hannelore Kraft, Malu Dreyer, Kristina Schröder, Christine Lieberknecht und und und. In Deutschland scheint die Zahl doch groß zu sein von Politikerinnen, die auf Landes-, aber auch auf Bundesebene eine wichtige Rolle spielen. Ist die zahlenmäßige Möglichkeit das einzige, irgendwann eine Normalität herzustellen und vielleicht die Blickrichtung weg von den Schuhen und hin zu dem, was gesagt wird, zu ändern?
    Politikerinnen brauchen einen langen Atem
    Holtz-Bacha: Nein, es geht nicht nur um Zahlen, sondern, sie haben die vielen Politikerinnen aufgezählt, wir lernen ja auch und wir machen unsere Erfahrungen mit den Frauen, die in der großen Politik sind, und je länger das dauert, desto normaler wird das und ich denke, dann werden wir auch dazu kommen, dass Männer und Frauen nach gleichen Maßstäben gemessen werden.
    Ellmenreich: Die Welt und insbesondere die Politikerinnen brauchen einen langen Atem noch?
    Holtz-Bacha: Unbedingt!
    Ellmenreich: Christina Holtz-Bacha von der Universität Erlangen-Nürnberg - herzlichen Dank für das Gespräch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.