"In Geschichte des Islam ist auch eine Aufklärung, eine besondere theologische Richtung: Mu'tazila. Sie waren aufgeklärte Menschen. Sie haben von einer vernünftigen Ethik gesprochen, nicht einer theologischen Ethik, sondern von rationaler Ethik. Denn Islam hat Kapazität, auch aufgeklärte Menschen können Moslem sein."
Der hohe iranische Geistliche Mohammad Shabestari gehört zu denjenigen Theologen, die den Islam reformieren wollen. Shabestari selbst war von 1970 bis 1978 Leiter des Islamischen Zentrums in Hamburg. Hier kam er mit den Ideen der protestantischen Theologen Paul Tillich und Karl Barth oder die des Philosophen Hans-Georg Gadamer in Berührung. Jedes Reden Gottes kann immer nur, sobald es zur Heiligen Schrift wird, ein je menschlich vermitteltes und damit indirektes sein. Über diesen westlichen Zugang hat Shabestari auch die eigene rationale Tradition des islamischen Mittelalters wiederentdeckt. Im Grunde gibt es für ihn nur zwei unverrückbare Voraussetzungen, um Muslim zu sein, nämlich die beiden Glaubenssätze der Shahada: Es gibt nur einen Gott und Mohammed ist sein Prophet. Alles andere sei eine Sache der Interpretation. Die Vorstellung, dass der Koran quasi als Gottes Wort vom Himmel gefallen sei, ist eine Irrlehre.
"Dass Mohammed Prophet ist, habe ich nie in Zweifel gezogen, bedeutet, dass er eine besondere Beziehung zu Gott gehabt hat, aber das bedeutet nicht, dass der Text verbalinspiriert ist. Und das macht Platz frei für die historische Kritik. Wenn man richtig interpretieren will, muss man diesen Text als ein menschliches Produkt verstehen. Aber der Mensch, der das produziert hat, was für ein Mensch das gewesen ist, das ist ein anderes Problem. Es gibt einen Unterschied, was ein Prophet sagt und was ein normaler Mensch sagt, oder ein Philosoph oder was ein Mystiker sagt. Prophet ist was Besonderes."
Dem Propheten gebühre zwar Respekt, aber als Mensch bleibe er interpretierbar. Doch seit Shabestari in Opposition zu dem iranischen Regime geraten ist, wird der Reformtheologe in seiner Heimat kalt gestellt und kann dort nicht mehr veröffentlichen. Für die Hamburger Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur ist das Beispiel des iranischen Gelehrten symptomatisch. Freigeister wie etwa auch der Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid oder der Pakistaner Fazlur Rahman konnten nur außerhalb ihrer Heimat frei forschen und lehren. Zum Beispiel in der Türkei.
"Da ist viel passiert, sehr innovative Ansätze. Fazlur Rahman war dort wichtig, Abu Zaid. Man hat Leute von außerhalb reingeholt, auch Annemarie Schimmel beispielsweise als Religionswissenschaftlerin hat eine sehr große Rolle gespielt innerhalb dieser Fakultät in Ankara. Dementsprechend hat sich eine offene Denkströmung etabliert. Es passiert durchaus häufig, dass dann Araber sagen, das ist ja nichts, was die da machen, die können ja noch nicht mal richtig arabisch. Wenn etwas passiert, dann muss es aus unseren Breiten kommen, weil nur wir als arabisch Sprechende die sind, die den Koran richtig verstehen. Das kommt immer wieder als Polemik hoch. Aber es gibt auch viele, die sagen, das stimmt eben auch nicht. Der verstorbene Ägypter Abu Zaid hat gesagt, alles was ich beobachte in der Peripherie, Indonesien und Türkei ist viel interessanter an neuen Ansätzen als das, was wir hier selber machen in den arabischen Kernländern."
Für Amirpur ist auch die Entwicklung feministischer Positionen, die etwa von den USA ausgehen, hoch bemerkenswert. Gefordert wird nicht nur, dass Frauen selbständig den Koran lesen und interpretieren, sondern in der Moschee Gebete und Gottesdienste für Männer und Frauen zugleich leiten dürfen. Für konservative Theologen ist das bis heute eine Ungeheuerlichkeit.
"Amina Wadud beispielsweise, die quasi die erste war, die eine eigenständige Interpretation des Korans als Frau vorgelegt hat, auf Englisch. Das Buch ist übersetzt worden, auch ins Arabische. In manchen Ländern ist es verboten, in den Vereinigten Arabischen Emiraten beispielsweise. Aber in vielen anderen Ländern wird es stark rezipiert. Es passiert mehr in der Peripherie als in den islamischen Ländern. In Malaysia war Wadud sehr einflussreich. Die USA haben einen großen Vorteil, den wir als islamische Theologen in Deutschland auch haben, dass hier ein freiheitlicher Denkraum ist, den es nicht überall in der islamischen Welt gibt. Es ist nun mal nicht so einfach, wenn man gleich als Ketzer abgekanzelt wird, wie es Nasr Hamid Abu Zaid in Ägypten geschehen ist beispielsweise."
Gehen nun also neue Impulse aus den USA und Europa in die islamischen Länder aus? Wird eine erneuerte Theologie damit vielleicht auch zum Motor für mehr Demokratie und Menschenrechte in arabischen Ländern? Können vielleicht sogar die neu eingerichteten Islamischen Studien an deutschen Universitäten zum Katalysator für die muslimische Welt werden? Die Hamburger Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur ist da eher skeptisch. Vor allem komme es darauf an, dass sich die Islamischen Theologen - auch vom Westen inspiriert – auf ihre eigenen rationalen Traditionen besinnen, die über die Jahrhunderte verschüttet waren.
"In Deutschland bilden wir Deutsche aus für Islamische Theologie. Also die Leute, die wir dort sitzen haben, haben natürlich zu 90% einen Migrationshintergrund. Ich kann nicht feststellen, dass wir besonders viele Leute aus der islamischen Welt anziehen. Aber Zaid oder Shabestari haben ihre Gedanken in ihrer Heimat entwickelt. Sie waren mal hier, aber im Wesentlichen entwickeln sie ihre Ideen aus der eigenen Tradition heraus. Ich würde jetzt den westlichen Einfluss darauf so extrem nicht hoch hängen. Früher haben wir viel mehr selber gedacht, weil eben auch das unsere Aufgabe war, nämlich immer wieder etwas neu zu denken, wenn die Umstände sich ändern, das ist ja das Prinzip des traditionellen Idschtihad, das ist ja nichts Westliches, sondern einfach eine ganz traditionelle islamische Denkungsart, dass wenn neue Probleme sich stellen, man neu darüber nachdenken muss."
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"Dass Mohammed Prophet ist, habe ich nie in Zweifel gezogen, bedeutet, dass er eine besondere Beziehung zu Gott gehabt hat, aber das bedeutet nicht, dass der Text verbalinspiriert ist. Und das macht Platz frei für die historische Kritik. Wenn man richtig interpretieren will, muss man diesen Text als ein menschliches Produkt verstehen. Aber der Mensch, der das produziert hat, was für ein Mensch das gewesen ist, das ist ein anderes Problem. Es gibt einen Unterschied, was ein Prophet sagt und was ein normaler Mensch sagt, oder ein Philosoph oder was ein Mystiker sagt. Prophet ist was Besonderes."
Dem Propheten gebühre zwar Respekt, aber als Mensch bleibe er interpretierbar. Doch seit Shabestari in Opposition zu dem iranischen Regime geraten ist, wird der Reformtheologe in seiner Heimat kalt gestellt und kann dort nicht mehr veröffentlichen. Für die Hamburger Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur ist das Beispiel des iranischen Gelehrten symptomatisch. Freigeister wie etwa auch der Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid oder der Pakistaner Fazlur Rahman konnten nur außerhalb ihrer Heimat frei forschen und lehren. Zum Beispiel in der Türkei.
"Da ist viel passiert, sehr innovative Ansätze. Fazlur Rahman war dort wichtig, Abu Zaid. Man hat Leute von außerhalb reingeholt, auch Annemarie Schimmel beispielsweise als Religionswissenschaftlerin hat eine sehr große Rolle gespielt innerhalb dieser Fakultät in Ankara. Dementsprechend hat sich eine offene Denkströmung etabliert. Es passiert durchaus häufig, dass dann Araber sagen, das ist ja nichts, was die da machen, die können ja noch nicht mal richtig arabisch. Wenn etwas passiert, dann muss es aus unseren Breiten kommen, weil nur wir als arabisch Sprechende die sind, die den Koran richtig verstehen. Das kommt immer wieder als Polemik hoch. Aber es gibt auch viele, die sagen, das stimmt eben auch nicht. Der verstorbene Ägypter Abu Zaid hat gesagt, alles was ich beobachte in der Peripherie, Indonesien und Türkei ist viel interessanter an neuen Ansätzen als das, was wir hier selber machen in den arabischen Kernländern."
Für Amirpur ist auch die Entwicklung feministischer Positionen, die etwa von den USA ausgehen, hoch bemerkenswert. Gefordert wird nicht nur, dass Frauen selbständig den Koran lesen und interpretieren, sondern in der Moschee Gebete und Gottesdienste für Männer und Frauen zugleich leiten dürfen. Für konservative Theologen ist das bis heute eine Ungeheuerlichkeit.
"Amina Wadud beispielsweise, die quasi die erste war, die eine eigenständige Interpretation des Korans als Frau vorgelegt hat, auf Englisch. Das Buch ist übersetzt worden, auch ins Arabische. In manchen Ländern ist es verboten, in den Vereinigten Arabischen Emiraten beispielsweise. Aber in vielen anderen Ländern wird es stark rezipiert. Es passiert mehr in der Peripherie als in den islamischen Ländern. In Malaysia war Wadud sehr einflussreich. Die USA haben einen großen Vorteil, den wir als islamische Theologen in Deutschland auch haben, dass hier ein freiheitlicher Denkraum ist, den es nicht überall in der islamischen Welt gibt. Es ist nun mal nicht so einfach, wenn man gleich als Ketzer abgekanzelt wird, wie es Nasr Hamid Abu Zaid in Ägypten geschehen ist beispielsweise."
Gehen nun also neue Impulse aus den USA und Europa in die islamischen Länder aus? Wird eine erneuerte Theologie damit vielleicht auch zum Motor für mehr Demokratie und Menschenrechte in arabischen Ländern? Können vielleicht sogar die neu eingerichteten Islamischen Studien an deutschen Universitäten zum Katalysator für die muslimische Welt werden? Die Hamburger Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur ist da eher skeptisch. Vor allem komme es darauf an, dass sich die Islamischen Theologen - auch vom Westen inspiriert – auf ihre eigenen rationalen Traditionen besinnen, die über die Jahrhunderte verschüttet waren.
"In Deutschland bilden wir Deutsche aus für Islamische Theologie. Also die Leute, die wir dort sitzen haben, haben natürlich zu 90% einen Migrationshintergrund. Ich kann nicht feststellen, dass wir besonders viele Leute aus der islamischen Welt anziehen. Aber Zaid oder Shabestari haben ihre Gedanken in ihrer Heimat entwickelt. Sie waren mal hier, aber im Wesentlichen entwickeln sie ihre Ideen aus der eigenen Tradition heraus. Ich würde jetzt den westlichen Einfluss darauf so extrem nicht hoch hängen. Früher haben wir viel mehr selber gedacht, weil eben auch das unsere Aufgabe war, nämlich immer wieder etwas neu zu denken, wenn die Umstände sich ändern, das ist ja das Prinzip des traditionellen Idschtihad, das ist ja nichts Westliches, sondern einfach eine ganz traditionelle islamische Denkungsart, dass wenn neue Probleme sich stellen, man neu darüber nachdenken muss."
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