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Auch der klassische Dokumentarfilm ist eine Kunstform

An der Kunsthochschule für Medien in Köln findet in Zusammenarbeit mit der Dokumentarfilminitiative ein Symposium zum Thema "Dokumentarische Verfahren in der Kunst" statt. Filmemacher und Medienkünstler stellen ihre Arbeiten vor, halten Vorträge und führen Diskussionen. Ziel ist der Austausch zwischen Künstlern und Dokumentarfilmern.

Von Claudia Cosmo |
    "Unsere Frage ist einfach: Was passiert, wenn dokumentarische Methoden genommen werden und in der Kunst angewendet werden. Mit welchen Vorstellungen, mit welchen Konzepten wird das gemacht ... und das sollen die Künstler eben auch mit den künstlerisch arbeitenden Dokumentarfilmern austauschen, sodass da ein Austausch passiert."

    Petra L. Schmitz von der Dokumentarfilminitiative (dfi) spricht von einer Grenzüberschreitung. Seit Mitte der 90er Jahre, in denen verstärkt die Frage nach Herkunft aufkam, verläuft die Grenze zwischen dokumentarisch gestalteter Video- und Filmkunst und dem künstlerischen Dokumentarfilm fließend.
    Auf der einen Seite verarbeiten Medienkünstler vorgefundenes, dokumentarisches Material aus privaten oder öffentlichen Archiven.

    Auf der anderen Seite öffnen sich die Dokumentarfilmer zunehmend dem künstlerischen Ausdruck, sodass ihre Arbeiten auch in Museen ihr Publikum finden.

    Zu den Pionieren dieser interdisziplinären Arbeitsweise zählen international erfolgreiche Filmemacher wie Jonas Mekas oder Harun Farocki, deren experimentelle, dokumentarhafte Arbeiten auch Gegenstand eines Vortrags während des dreitägigen Symposiums "Dokumentarische Verfahren in der Kunst" sind. Schmitz sagt:

    "Es geht auch immer um eine Formung, das Material, das man in einer bestimmten Art und Weise bearbeitet."

    "Das Material spricht zu uns und zeigt, wo es lang geht", sagt der Kölner Dokumentarfilmer Michael Loeken.

    "Im Endeffekt ist das ein Tanz. Die Bilder tanzen miteinander, die Töne tanzen miteinander ... da sind wir immer auf der Suche, wie können wir das präsentieren, wie können wir das intensivieren, sodass das den Zuschauer erreicht."

    Zusammen mit seiner Kollegin Ulrike Franke nimmt Michael Loeken am Symposium teil. Die preisgekrönten Filmemacher stellen dort ihren 30minütigen Film "Opel. Eine Suche nach Zukunft" vor. Sie nennen ihn "dokumentarische Installation", die auf zwei Bildschirmen präsentiert wird. Der sphärische und poetische Film basiert auf Dokumentarfilmmaterial, das bei Loekens und Frankes Dreharbeiten mit jungen Auszubildenden im Bochumer Opelwerk entstand.

    "Für mich sind die Filme, Installationen oder Double Screens usw, per se eine Kunstform. Auch der klassische Dokumentarfilm ist für mich eine Kunstform..."

    und Loeken ergänzt:

    "Für uns geht es ja als Dokumentarfilmer darum, dass wir ganz bestimmte Möglichkeiten haben, die Sachen zu präsentieren. Das ist Kino und Fernsehen, aber das Fernsehen verändert sich .... .und grenzt die Formenvielfalt ein, und deshalb sind wir als Dokumentarfilmer immer auf der Suche nach neuen Präsentationsmöglichkeiten und Formen ... und wir sind auf der Suche nach Wahrhaftigkeit."

    Ähnlich wie in der bildenden Kunst, möchten Ulrike Franke und Michael Loeken mit ihrer Installation und den filmischen Montagen über das eigentlich Sichtbare hinausweisen und den Symbolcharakter ihrer Bildfolgen herausstellen. So sind die Gesichter der jungen Azubis in manchen Sequenzen auf beiden Bildschirmen gleichzeitig zu sehen. Dazu Franke:

    "Wir haben während des Drehs herausgefunden, wie wir das präsentieren möchten. Wir haben mit den Jugendlichen Interviews gemacht. Wir haben während der Interviews gemerkt, dass die Jugendlichen solche Fragen nie gestellt bekommen haben, aber dass sie die Fragen tief berühren in ihren Herzen ... und da sind wir dazu gekommen, dass wir die Blicke noch einmal aufgenommen haben, immer unmittelbar nach dem Interview. Da ist ganz viel in den Gesichtern passiert. So sind wir darauf gekommen, dass wir den Double Screen gewählt haben, sodass sie sich bei ihren eigenen Gedanken noch einmal zugucken, zuhören und darüber nachdenken."

    Über diese transformatorischen Prozesse, bei denen filmisch gedrehtes oder gefundenes und rein dokumentarisches Material in eine künstlerische Sprache übergeht, werden sich die Symposiumsteilnehmer in der Kölner Kunsthochschule für Medien am Wochenende austauschen. Zusammen mit Kuratoren, Museumsvertretern und Filmexperten sprechen die Künstler auch darüber, welche formalen Kriterien erfüllt werden müssen, sodass eine dokumentarisch gestaltete Videoarbeit beispielsweise in einem Kinosaal aufgeführt oder ein künstlerischer Dokumentarfilm in einem Museum gezeigt werden kann. Letzten Endes geht es doch darum, ein Publikum zu erreichen und mit dem Betrachter zu kommunizieren.