Archiv

Auch Ökostrom macht Probleme
Die Entsorgung von Windkraftanlagen ist kompliziert

Für die Energiewende in Deutschland sollen mehr Windkraftanlagen gebaut werden. Gleichzeitig werden ältere Windräder ausgemustert und abgebaut. Die umweltgerechte Entsorgung dieser Anlagen ist derzeit gar nicht so einfach. Ein altbewährtes Material könnte deshalb eine Renaissance erleben.

Von Johannes Kulms | 18.12.2020
Zwei große Kräne stehen neben einem Windrad, das abgebaut werden soll
Zwei große Kräne stehen neben einem Windrad, das abgebaut werden soll (imago / CHROMORANGE / Norbert J. Sülzner)
Jan Lorenzen steht auf einem Feldweg nahe der deutsch-dänischen Grenze. Vor ihm erstreckt sich eine saftig grüne Wiese. Dass sich dort noch vor knapp drei Jahren ein Windrad drehte, ist heute nur noch schwer vorstellbar.
"Also, wir hatten ein oberirdisches Fundament, das hat man dann aufgeschüttet und darauf stand die Windanlage."
Insgesamt neun Anlagen seien 2017 hier im Windpark Schafflund-Feld gegen modernere ausgetauscht worden, sagt Lorenzen, der Bürgerwindparkprojekte in ganz Deutschland plant.
"Dann kommt ein Großkran, der sich positioniert und der baut die Anlage dann Stück für Stück auseinander. Also, die Rotorblätter werden abmontiert, dann wird die Gondel – das Maschinenhaus – oben abgenommen. Und dann wird der Turm, der meistens aus drei Segmenten besteht, zurückgebaut (…) und irgendwann haben Sie unten nur noch das Fundament."

Tausende Windkraftanlagen vor dem Ende

Sechs der ausgemusterten Anlagen gingen an anderer Stelle in den Weiterbetrieb. Doch für drei der alten Windräder fand sich auf dem Markt kein Käufer. Sie wurden durch ein Recycling-Unternehmen entsorgt.
"Das sind große Maschinen, die dann anfangen den Turm auseinanderzuschneiden, in kleinere Stahlsektionen. Um das dann in handelsübliche Container zu packen, damit das über die Straße abtransportiert werden kann."
Tausenden Windkraftanlagen in Deutschland dürfte es in den nächsten Jahren ähnlich gehen.
Die Türme bestehen meist aus Stahl oder Stahlbeton. Hier sei eine Weiterverwertung recht einfach sagt Torsten Faber, Professor für Windenergietechnik und Leiter des Flensburger Wind Energy Technology Institutes. Problematischer seien die Rotorblätter. Denn bei diesen sei früher vor allem auf GFK gesetzt worden – also glasfaserverstärktem Kunststoff. Doch ein Recycling von GFK sei nur schwer umsetzbar, so Faber.
"Zumindest ein Recycling wie man sich ein Recycling wirklich über die gesamte Lebenszeit vorstellt. Nämlich, dass man hinterher wieder Rotorblätter draus macht, das ist eigentlich fast unmöglich!"

Spezialisierte Unternehmen übernehmen die Entsorgung

Dabei gebe es in Deutschland inzwischen auch Unternehmen, die sich auf die Entsorgung von GFK spezialisiert haben.
"Aber wie gesagt, es ist kein komplettes Recycling, sondern es mehr eine Entsorgung oder wenn man so will ein Zwischenlager. Also, ein Umwandeln des Rotorblattes in einen Zusatzstoff, dem man zum Beispiel in Straßenbelägen dem Beton zuführen kann."
Mit dem Größerwerden der Anlagen änderte sich auch das Material der Rotorblätter. Statt GFK wird immer häufiger auf Carbonfasern gesetzt, um die Flügel stabil zu halten.
"Was man jetzt versucht bei den Carbonfasern – die kann man durch Pyrolyse zum Beispiel für neue Windenergieanlagen und für neue Rotorblätter nutzen. Aber das ist sehr kostenintensiv. Und zur Zeit nutzt man eher neue Fasern als recycelte Fasern", sagt Martin Westbomke, Vorsitzender von RDR Wind, das sich als Industrievereinigung für Repowering, Demontage und Recycling von Windenergieanlagen einsetzt.

Alte Anlagen werden zu Ersatzteilen

Technisch ist inzwischen vieles möglich beim Rückbau von Windkraftanlagen. Die Frage ist allerdings, ob es auch wirtschaftlich für die Unternehmen attraktiv ist. Der Verkauf von alten Anlagen für den Weiterbetrieb ins Ausland wird immer schwieriger.
"Was wir mehr sehen, ist die Nutzung von Einzelkomponenten. Da gibt es zum Beispiel innovative Unternehmen (…), die sich darauf spezialisiert haben, einzelne Komponenten aus der Windenergieanlage herauszulösen und wieder zu verkaufen als Ersatzteile."
Es sei sinnvoll, Anlagen möglichst lange weiter zu betreiben. Doch das Ziel, Rotorblätter eines Tages 1:1 zu recyceln, sei wenig realistisch, sagt Westbomke. Schließlich habe jeder Anlagen-Standort seine ganz speziellen Eigenschaften.

Holz könnte eine Renaissance erleben

In Flensburg sollten Torsten Fabers Studierende letztes Jahr eine Windkraftanlage entwerfen, die von der Bevölkerung akzeptiert wird. Also ein Windrad, das möglichst leise und optisch unauffällig ist. Und das zusätzlich eine niedrige CO2-Bilanz aufweist. Hierfür sei das Material von Rotorblättern, Turm und dem Fundament entscheidend, sagt Faber. Seine Studierenden entschieden sich am Ende für einen nachwachsenden Rohstoff: Holz.
"Das heißt, sowohl die Rotorblätter als auch der Turm und auch das Fundament sind aus Holz entwickelt worden. Aus einem sogenannten Schichtholz. Dadurch hat man natürlich immer noch einen Kleber dazwischen, wo man ähnliche Probleme hat wie beim GFK. Aber man hat längst nicht diese Mengen, die man dann recyceln muss."
Auch die Rotorblätter der ersten Windkraftanlagen seien früher aus Holz gebaut worden. Doch als die Flügel immer stärker wuchsen, wurde das Holz zu schwer. Torsten Faber geht davon aus, dass es nun eine Renaissance des nachwachsenden Rohstoffes in der Branche geben wird. Das wäre dann eine doppelte Rückkehr zu den Wurzeln.