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Audioguide von Jugendlichen
Moderne Kunst hörbar machen

Im Hamburger Bahnhof, dem Berliner Museum für Gegenwartskunst, produzierten im Rahmen einer Kooperation mit der Stiftung „Berliner leben“ 14 Jugendliche einen Audioguide, um moderne Kunst für Jugendliche interessant zu machen. Die Kunstwerke sind Teil der Ausstellung „Zeit für Fragmente“.

Von Marie-Thérèse Harasim |
Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
Die Schülerinnen Emilina und Noemi vor Joseph Beuys Fettarbeit "Unschlitt" ((c) Marie-Thérèse Harasim)
Zwischen den Besuchern des Hamburger Bahnhofs hockt Emilina Meyer im Schneidersitz auf dem graugefliesten Boden eines Ausstellungsraums. Die Kapuze ihres grünen Pullovers hat sie sich über die blonden Haare gezogen. In der rechten Hand hält sie einen Bleistift, auf ihrem Schoß liegt ein Klemmbrett, darauf gespannt ein paar Blätter weißes Papier. Die 13-Jährige zeichnet. Neben ihr knien ihre beiden Freundinnen Noemi und Stella in ähnlicher Pose. Immer wieder blicken die drei von ihren Blättern auf.
Ein käseartiger Beuys
Sie betrachten riesige elfenbeinfarbene Klumpen, die teilweise mit Kabeln verdrahtet vor ihnen im Raum verteilt sind und versuchen sie möglichst genau auf ihre Blättern zu kopieren.
"Das passt doch! - Irgendwie sehen die vor allem aus wie Käse. - Ja lachen richtig käseartig. - Sehr käseartig."
Der vermeintliche Käse, den die drei gerade abzeichnen, ist ein Kunstwerk von Joseph Beuys. Es heißt "Unschlitt" und besteht zum größten Teil aus tierischem Fett. Das Kunstwerk ist Teil der Ausstellung "Zeit für Fragmente", die Werke von Beuys, sowie von anderen modernen Künstlern wie Andy Warhol und Marina Abramovic zeigt.
Gegen die "Langeweile" moderner Kunst
Gemeinsam mit ihrer Klasse produzieren Emilina, Noemi und Stella gerade einen Audioguide zur Ausstellung. Von Jugendlichen für Jugendliche, das ist die Idee. Dafür nähern sie sich zunächst optisch an die Werke an, die sie am meisten ansprechen. Die Auswahl ist dabei häufig eher pragmatisch. Das muss dann auch eine der Leiterinnen des Workshops feststellen. Denn Emilina hat "diese Fettdinger" ausgesucht.
"Warum habt ihr euch die ausgesucht? - Lacht. Naja, weil die am einfachsten zu zeichnen sind."
Moderne Kunst und Museen - da sind sich die meisten der Teenager hier einig - sind eben eher langweilig. Das findet auch Tom. Er ist 13.
"Wir suchen so eher etwas Abenteuerliches und Kunst ist halt meistens… steht nur da und so, also es gibt natürlich auch andere Arten von Kunst, aber, das ist jetzt so nicht, das interessanteste, sag ich mal."
Ins Museum geht Tom eher selten. "Ich geh manchmal ins Naturkundemuseum, mit den Dinosauriern, das ist eigentlich ganz cool. Ansonsten auch nur so in Museen, zum Beispiel von Film, in so nem Harry Potter Museum war ich schon mal oder in diesem Sea World, das ist ja auch so ne Art Museum."
Ins Kunstmuseum geschleppt
Jetzt aber hat ihn seine Lehrerin ins Kunstmuseum geschleppt. Aber wie vertont man nun eigentlich Bildende Kunst? Tom hat schon ein paar Ideen: "Also das Kunstwerk ist ja so mit so einem kräftigen Rot, Farbpigmenten halt, und ich glaube das sieht so kräftig und brutal aus und dass man das auch in die Musik einbringen könnte, als klare strukturierte Töne."
In dem Audioguide, den die Teenager produzieren, soll vor allem Musik zum Einsatz kommen. In einem kleineren Raum des Museums steht Stella. Um sie herum sind drei mit Laken überspannte Pappwände aufgebaut. Es ist die Tonkabine des Projekts. Stella spricht den Text zu einer abstrakten Skulptur von Hans Josephsohn ein.
"Genau jetzt kannst du mal, du kannst auf irgendwas quatschen, so als Test, 1, 2, 3, sowas sagen, dann kann ich mal deinen Pegel, das ist wichtig - 1,2,3 … 1,2,3.. - Schön, deine Stimme klingt super durchs Mikro, okay. Wie ein riesiger Stein, gefunden in den Bergen. Es ist eine Fehldeutung, denn es ist ein Kunstwerk, ausgeschlossen vom Rest, abhängig von Blicken der Zuschauer, die bewundern und den ungleichen Fluch. Das ist nicht mehr normal. Ist das nicht schwere Kriminalität, mit keinem Plan, beobachtet von Gestalten? Die Verbindung der Brocken wird nicht zerbröckeln."
Es ist erstaunlich, wie eindringlich Stellas Worte klingen. Und es zeigt sich: Bildende Kunst mit Musik und Text zu beschreiben, funktioniert für die Jugendlichen vor allem über die Atmosphäre und Emotionen, die sie spüren. Ab Januar 2020 können sich alle Besucher des Museums anhören, wie diese klingen.