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Audioinstallation
Der Heiligabend in Endlosschleife

Wie klingt es in einem deutschen Wohnzimmer an Heiligabend? Die Audioinstallation "Stille Nacht (Ruhe 3)" von Paul Plamper erzählt unweit der Münchener Konsummeile Maximilianstraße eine Folge von Weihnachtsfesten in Endlosschleife - mit den immer gleichen Ritualen, den zwanghaften Mustern und Beziehungssackgassen.

Von Andi Hörmann |
    An den Boutiquen entlang der Maximilianstraße blinken die Weihnachtsbeleuchtungen. Es ist windstill in der Münchner Innenstadt. Passanten huschen mit Einkaufstüten über die triste Asphaltdecke. Leise schwingen die Flügelglastüren: zwei Gäste kommen am Residenztheater durch den Ausgang.
    "War interessant, irgendwie dabei zu sein. Aber irgendwie auch nicht."
    "Das ist neu für uns: das erste mal, dass wir so was gesehen, gehört haben."
    Abgetretener, weißer Marmorboden. Foyer, erster Stock. Der Wintergarten im Theatercafé "Zur schönen Aussicht" mit Blick auf den Max-Joseph-Platz. Schief tönende Weihnachtsmelodien. Ein weiterer Gast verlässt schmunzelnd beschwingt den etwa 100 Quadratmeter großen Raum.
    "Mit Blockflöte und so weiter. Einige schräge Töne."
    An den Sitzplätzen um einen Esstisch sind Lautsprecherboxen montiert. Ein paar Schritte weiter stehen schwarzen Monitorboxen auf Stativen um ein Sofa. Und ein Stuhlkreis: auch mit Lautsprechern auf Kopfhöhe. Die Möbel in Weiß, die Technik in Schwarz. Hinter der etwa vier Meter hohen Fensterfront eröffnet sich dem Besucher ein Blick auf das vorweihnachtliche Gewusel in München - der Stadtraum als Kulisse.
    "Man sieht auf den Schmuck, der jetzt für Weihnachten angebracht ist. Man sieht auf die Menschen, die vom Weihnachtsmarkt wieder rüber gehen in die Residenzstraße, um weiter Geschenke zu kaufen. Man sieht auf die Menschen, die im Stress sind - von diesen familiären oder gesellschaftlichen Ritualen, die unser Jahr takten."
    Dreidimensionale Audioskulptur
    "So, guten Appetit. Frohe Weihnachten. Schön, dass ihr alle so zahlreich erschienen seid."
    Götz Leineweber hat die begehbare Audio-Installation "Stille Nacht (Ruhe 3)" als Dramaturg betreut, geschrieben und inszeniert hat sie der Hörspielautor Paul Plamper - eine Folge von Weihnachtsfesten in Endlosschleife, der Heiligabend, wie er nicht besser aus dem Leben gegriffen sein könnte.
    "Der Baum ist schön dieses Jahr.
    Der Baum ist wunderschön dieses Jahr.
    Und die Lauschaer Glasamseln. Ich finde die ja immer so schön mit dem Federschwänzchen. Diese Kleinigkeiten, die machen's eben."
    "Stille Nacht (Ruhe 3)" ist ein körperloses, realistisches Sprechtheater voller neurotischer Banalitäten und familiärer Zerwürfnisse. Paul Plamper gelingt ein fantastisches Hörspiel: über ein 24-Kanal-Tonsystem modelliert er eine dreidimensionale Audioskulptur, die dem Hörer ein unfassbar räumliches Klangerlebnis beschert.
    "Mama, bringt ihr noch mal eine Flasche Wein mit rüber."
    Die Familien-Farce unterm Weihnachtsbaum
    "Als ich das zum ersten mal gehört habe, hatte ich zum Schluss das Gefühl: man kann mitreden."
    Mitreden im doppelten Sinn - der Hörer ist durch die raumgreifende Akustik ganz nah dran am Geschehen. Man ist fast versucht ist, den Charakteren ins Wort zu fallen. Und natürlich kann jeder von uns mitreden. Alle Jahre wieder: das frohlockende Ritual, die Familien-Farce unter dem Weihnachtsbaum.
    "Ah, was kann denn das sein?
    Die Weihnachtsglocke! Wir kommen rein.
    Gefällt es euch?
    Da war das Christkind schon da.
    Das Christkind hat sich dieses Jahr wieder selbst übertroffen."
    "Man schmunzelt, man findet sich wieder. Man überlegt auch viel: warum muss das so sein?"
    "Stille Nacht (Ruhe 3)" ist Minima Moralia als großes Hörkino. Es hat das Zeug zum Klassiker - mit dem Stumpfsinn einer Familie Heinz Becker, dem Sarkasmus eines Gerhard Polt, dem Sprachwitz eines Loriot. Vertraut und doch befremdlich. Eine Sozialstudie im Surround-Sound - perfekt vertont mit dem häuslichen Dilettantismus an der Blockflöten.
    "Ganz typisch! Es geht sicher so überall zu - auch bei uns."