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Audiotrends
Aus Podcasts werden Filmserien

Die Podcast-Szene ist im Serienfieber: Erfolgreiche Audioformate werden immer öfter zu Serienstoffen bei den Streaming-Anbietern. Außerdem setzt sich ein weiterer Trend fort: Influencer, Prominente und Politiker drängen immer stärker in den Markt für Podcasts.

Von Sandro Schroeder | 27.12.2018
    Das Bild zeigt das Hochhaus des Justizzentrums in Cleveland (Ohio). Auf der Gebäudewand ist ein Wandbild nachträglich ergänzt worden. Rechts ist das Logo des Podcasts "Serial" zu sehen.
    Podcast-Erfolg "Serial" – auch der wird 2019 beim Streaming-Anbieter HBO um eine Videodokumentation ergänzt (Pressematerial Serial - Foto: Moth Studio, Wandbild: Adam Maida)
    Die Grundlage für meine Thesen für das Podcast-Jahr 2019 ist für mich der Blick in die USA. Auch wenn unsere Podcast-Landschaft hierzulande viel langsamer wächst und nach anderen Regeln als dort. Aber die letzten vier Jahre haben gezeigt: Irgendwann landen die erfolgreichsten Podcast-Formate, -Ideen und -Trends aus den USA dann letztendlich auch bei uns.
    Podcast "Alle Wege führen nach Ruhm": "Alle Wege führen nach Ruhm. Der neue Podcast. Mit Joko und Paul."
    Was sich jetzt schon ankündigt: 2019 werden wir in Deutschland noch mehr Podcasts von Influencern sehen, von A-bis-Z-Promis, von Persönlichkeiten und von Politikern. In den USA gibt’s diesen Trend schon sehr lange - und auch mit einigen Positivbeispielen, wie dem Interviewpodcast von Schauspieler Alec Baldwin:
    Podcast "Here’s the Thing": "I’m Alec Baldwin. And you’re listening to 'Here’s the Thing'."
    Promi-Podcasts – ein lauwarmes Hör-Vergnügen
    Leider sind solche Podcasts mit Promi-Faktor aber ziemlich oft auch ein bestenfalls lauwarmes Hör-Vergnügen – der Name verspricht meistens mehr als der Inhalt wirklich einlösen kann. Der Trend zum - ich nenn’s mal Promi-Podcast - ist dieses Jahr schon zu uns herübergeschwappt – beispielsweise mit dem Interview-Podcast von FDP-Chef Christian Lindner im November:
    Podcast "1 Thema, 2 Farben": "'Ein Thema, zwei Farben.' So heißt mein neuer Podcast, den es ab der kommenden Woche hier gibt. Ich bin Christian Lindner."
    Natürlich könnte ich an dieser Stelle jetzt darüber klagen, dass uns 2019 damit noch mehr einfältige Podcasts nerven werden, wenn sich jetzt jeder Christian mit ein bisschen Reichweite auch noch als Podcast-Host und Audio-Profi berufen fühlt. Aber hey: Vielleicht verhilft ein gut gemachter deutscher Promi-Podcast dem Medium 2019 zu einer ganz neuen Reichweite und bringt mehr Menschen das erste Mal mit dieser Szene überhaupt in Berührung.
    Podcast "The Daily": "From the New York Times, I’m Michael Barbaro."
    Das Feld der werktäglichen Nachrichten-Podcasts hingegen halte ich 2019 für ziemlich erschöpft.
    Podcast "Today Explained": "'Today Explained'. It’s a daily news podcast from Vox."
    Ein Feld, in dem sich vor allem professionelle Medienanbieter mittlerweile tummeln und stapeln.
    Podcast "Was jetzt?": "Sie hören 'Was jetzt?', den Nachrichtenpodcast von 'Zeit Online'."
    Mehr Langform-Journalismus als Podcast
    Ich glaube – und ich hoffe ehrlichgesagt –, dass spätestens gegen Ende 2019 die Zeit der Wochenend-Ausgaben anbricht. Entweder als Ergänzung zu den täglichen Produktionen, oder sogar als ganz eigenständige Podcasts. Thematisch zeitloser, mit mehr Tiefgang und Einordnung und liebevoller produziert. Ich glaube, 2019 wird es noch mehr Langform-Journalismus als Podcast geben, der die Stärken des Mediums Audio nutzt – sowohl hierzulande als auch in den USA.
    Und dann sind da noch die Serien. Meiner Meinung nach wird es 2019 noch viel häufiger vorkommen, dass erfolgreiche Podcasts zu Serien auf den bekannten Videoplattformen werden – also von Audio auf Video transferiert werden: So schon geschehen in beim US-Podcast-Label Gimlet, dessen Hörspiel-Podcast "Homecoming" in diesem Jahr zu einer sehenswerten Video-Serie beim Streaming-Anbieter Amazon Prime geworden ist.
    Vom Podcast zur Videoserie
    Vielleicht werden wir 2019 also auch in Deutschland hören, wie Videoserien-Material beim Publikum zuerst als Podcast auf Herz und Nieren getestet wird, bevor sich an eine Verfilmung des Materials getraut wird. Der Serienmarkt ist mittlerweile unüberschaubar geworden, die Produktionskosten für Edelserien sind hoch – da wäre eine schlanke Testversion im Audioformat ein guter Anfang. Vermutlich reden wir nächstes Jahr also nicht mehr so häufig über Buch- und Comicverfilmungen, sondern über Streaming-Serien, die mal Podcasts waren. In den USA scheint das auf jeden Fall der Weg für 2019 zu werden: Die Hollywood-Produktionsfirma Endeavor will neben Filmen jetzt auch Podcasts entwickeln.
    Ach ja. Und der Podcast-Erfolg "Serial" – auch der wird 2019 beim Streaming-Anbieter HBO um eine Videodokumentation ergänzt.