"Mein Mann und ich sind beide Baujahr 1960 und sind im Westen groß geworden. Aber die Eltern von meinem Mann und auch meine Eltern sind beide Flüchtlinge. Wir sind groß geworden mit lauter Geschichten, wie schön das Leben hinter der Elbe ist, mit lauter heilen Geschichten und Erinnerungsgeschichten, die haben uns so geprägt, dass wir, als die Wende war, gesagt haben, hier müssen wir hin."
Die Vorfahren von Daisy Gräfin von Arnim stammen aus Mecklenburg und Schlesien und die ihres Mannes Michael aus dem uckermärkischen Boitzenburg, nicht zu verwechseln mit dem Boizenburg an der Elbe.
"Die Familie von Arnim hat vor weit über 400 Jahren diesen Ort hier übernommen im Tausch mit dem Kurfürsten. Der hatte hier ursprünglich hier sein Jagdschloss, aber es war ihm zu weit von Berlin mit einem Pferdegespann immer hierherzukommen, also mit der Kutsche. Und dann hat er den Besitzer eines Schlosses näher an Berlin etwas unter Druck gesetzt, sodass er mit ihm tauschen musste und das war die Familie von Arnim."
Als Kind hat Arno Schimmelpfennig noch in den unterirdischen, labyrinthartigen Gängen der Burgschlossanlage gespielt, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Von Schloß Boitzenburg aus herrschten die Grafen von Arnim fast ein halbes Jahrtausend über ganze Teile der Uckermark. 1945 war der Vater von Michael Graf von Arnim als 16-Jähriger als einer der letzten Bewohner nach Westen geflohen.
Es folgte das für Schlösser in Brandenburg Übliche, wie Touristen- und Wanderführer Arno Schimmelpfennig erzählt - Plünderung, Flüchtlingslazarett, dann 500-Zimmer-Ferienheim für DDR-Offiziere, nach der Wende Leerstand und Verfall. Heute ist das idyllisch auf einer Insel im Schlosssee gelegene, blitzblank weiß restaurierte Gebäude mit seinen vielen Giebelchen und Türmchen ein Familienhotel.
"Wir sind 1978 das erste Mal hergefahren als Familie, zu fünft, also meine beiden Brüder und die Eltern. Und das war für meinen Vater einerseits sehr aufregend, weil es das erste Mal nach dem Krieg war, dass er seine Heimat wieder bereist hat, und zum andern auch ein bisschen erleichternd dadurch, das wir als interessierte Unwissende ihm das leichter gemacht haben, nicht zu sehr in Emotionen zu verfallen."
Schier überwältigt war der damals 18-jährige Michael von Arnim von der Größe der ehemaligen Familienbesitzungen, deren Dimensionen eher an texanische Ranches erinnerten, als an deutsche Gegebenheiten. Doch ein riesiges Schloss wie dieses "Neuschwanstein des Nordens", wie die Uckermärker witzeln, zurückhaben?
Für den modernen Menschen sei doch ein Haus wie Lichtenhain, eines der Verwalterhäuser der ehemaligen Arnimschen Ländereien, eher geeignet, meint Daisy von Arnim, als wir in der gemütlichen Wohnküche ihre Apfelmandelplätzchen zum Kaffee probieren.
"Aufgewachsen ist mein Mann in Darmstadt und ich in der Oldenburger Gegend und unsere Ehe haben wir begonnen in der Nähe von Helmstedt. Mein Mann ist landwirtschaftlicher Berater und Mediator und ich bin eigentlich Buchhändlerin. Ich habe hier keine Fußgängerzone vor der Tür, wo ich Bücher verkaufen kann, und habe dann überlegt, was mache ich denn hier an diesem Ort mit meinem schönen Leben."
1995 hat das kinderlose Ehepaar das auf einer weiten, offenen Fläche errichtete Haus Lichtenhain zurückgekauft. Links und rechts davon stehen jetzt bewohnte, ehemalige Arnimsche Wirtschaftsgebäude. Von außen zeigt der Bau mit dem tief heruntergezogenen Dach noch den grauen Beton-Charme der DDR-Zeit, innen ist es bereits hübsch herausgeputzt mit abgezogenen Dielen und drei Ferienwohnungen.
Tausend Ideen hatte die Gräfin, was sie hier nun machen wollte mit "ihrem schönen Leben", vom Gänserupfen über Jackenstricken, nichts passte so richtig zu ihr.
"Bis ich dann eines Tages im Jahr 2000 mit dem Auto hier hinterm Haus über lauter Äpfel gefahren bin. Und da hat es bei mir einfach Klick gemacht und ich habe gesagt, es ist doch alles da, ich muss es nur aufheben. Und habe angefangen, einfach diese Äpfel aufzusammeln, kleine Mostmaschinen gekauft und losgelegt mit Apfelsaftmosten. Erstmal in einen ganz kleinen Stil, nur für mich selber, habe dann aber ziemlich schnell gesehen, dass ich die Rechnung nicht ohne die Menschen hier vor Ort machen kann und es standen lauter Frauen um mich rum mit lauter guten Ratschlägen. 'Das läuft so Daisy', 'Du musst das so machen', 'Ich weiß das noch von früher', so, also diese Abteilung."
Aus den Helferinnen wurden im Laufe der Zeit sechs Mitarbeiterinnen, die zusammen mit der Gräfin das Apfelunternehmen am Laufen halten. Ob Saft aus historischen Apfelarten sortenrein gepresst, Apfelchutney oder Apfellebkuchen und die familienberühmten, aber apfellosen Arnim-Thaler nach großmütterlichem Rezept - alles wird in Handarbeit produziert und über das Internet vertrieben.
Grundlage dafür bildeten die fast vergessenen, jahrhundertealten Apfelbaumalleen ehemaliger Güter, die in der DDR ebenso zu Selbstversorgerzwecken genutzt wurden wie die damals angelegten Dorfapfelgärten, um die sich nach der Wende niemand so recht mehr kümmerte. So ist die Gräfin über die Äpfel zu den Menschen hier in der Region gekommen; unter anderem, indem sie ihnen hilft, ihre Früchte zu vermarkten. Seit acht Jahren baut sie auch selber Äpfel an.
Daisy und Michael von Arnim sehen ihre neue Heimat als Chance für ein Leben, wie sie es sich trotz aller Widerstände und Widrigkeiten erträumt haben. Bitter, so das Paar, sei es für die Generation der Eltern, die von ihren Ländereien nach 1990 nichts zurückerhalten haben.
"Bis ich hierher kam, wusste ich, dass ich nicht angekommen bin, und habe alle Stationen vorher als Durchgangsstationen empfunden und habe so einzelne Erlebnisse gehabt, die mir einfach deutlich gemacht haben, hier sind die Wurzeln, hier sind meine Wurzeln familiär, sei es die Wetterfahnen auf den Kirchen oder Begegnungen mit alten Menschen, die meine Urgroßeltern noch kannten und davon erzählt haben, was ich woanders nicht erlebt habe."
Weitere Informationen:
Reiseland Brandenburg
Tourismus Uckermark
Die Apfelgräfin
Uckermark Safari
Buchhinweis: Daisy Gräfin von Arnim/Nils Aschenberg: "Gutshäuser und Schlösser in der Uckermark"
Die Vorfahren von Daisy Gräfin von Arnim stammen aus Mecklenburg und Schlesien und die ihres Mannes Michael aus dem uckermärkischen Boitzenburg, nicht zu verwechseln mit dem Boizenburg an der Elbe.
"Die Familie von Arnim hat vor weit über 400 Jahren diesen Ort hier übernommen im Tausch mit dem Kurfürsten. Der hatte hier ursprünglich hier sein Jagdschloss, aber es war ihm zu weit von Berlin mit einem Pferdegespann immer hierherzukommen, also mit der Kutsche. Und dann hat er den Besitzer eines Schlosses näher an Berlin etwas unter Druck gesetzt, sodass er mit ihm tauschen musste und das war die Familie von Arnim."
Als Kind hat Arno Schimmelpfennig noch in den unterirdischen, labyrinthartigen Gängen der Burgschlossanlage gespielt, deren Anfänge bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen. Von Schloß Boitzenburg aus herrschten die Grafen von Arnim fast ein halbes Jahrtausend über ganze Teile der Uckermark. 1945 war der Vater von Michael Graf von Arnim als 16-Jähriger als einer der letzten Bewohner nach Westen geflohen.
Es folgte das für Schlösser in Brandenburg Übliche, wie Touristen- und Wanderführer Arno Schimmelpfennig erzählt - Plünderung, Flüchtlingslazarett, dann 500-Zimmer-Ferienheim für DDR-Offiziere, nach der Wende Leerstand und Verfall. Heute ist das idyllisch auf einer Insel im Schlosssee gelegene, blitzblank weiß restaurierte Gebäude mit seinen vielen Giebelchen und Türmchen ein Familienhotel.
"Wir sind 1978 das erste Mal hergefahren als Familie, zu fünft, also meine beiden Brüder und die Eltern. Und das war für meinen Vater einerseits sehr aufregend, weil es das erste Mal nach dem Krieg war, dass er seine Heimat wieder bereist hat, und zum andern auch ein bisschen erleichternd dadurch, das wir als interessierte Unwissende ihm das leichter gemacht haben, nicht zu sehr in Emotionen zu verfallen."
Schier überwältigt war der damals 18-jährige Michael von Arnim von der Größe der ehemaligen Familienbesitzungen, deren Dimensionen eher an texanische Ranches erinnerten, als an deutsche Gegebenheiten. Doch ein riesiges Schloss wie dieses "Neuschwanstein des Nordens", wie die Uckermärker witzeln, zurückhaben?
Für den modernen Menschen sei doch ein Haus wie Lichtenhain, eines der Verwalterhäuser der ehemaligen Arnimschen Ländereien, eher geeignet, meint Daisy von Arnim, als wir in der gemütlichen Wohnküche ihre Apfelmandelplätzchen zum Kaffee probieren.
"Aufgewachsen ist mein Mann in Darmstadt und ich in der Oldenburger Gegend und unsere Ehe haben wir begonnen in der Nähe von Helmstedt. Mein Mann ist landwirtschaftlicher Berater und Mediator und ich bin eigentlich Buchhändlerin. Ich habe hier keine Fußgängerzone vor der Tür, wo ich Bücher verkaufen kann, und habe dann überlegt, was mache ich denn hier an diesem Ort mit meinem schönen Leben."
1995 hat das kinderlose Ehepaar das auf einer weiten, offenen Fläche errichtete Haus Lichtenhain zurückgekauft. Links und rechts davon stehen jetzt bewohnte, ehemalige Arnimsche Wirtschaftsgebäude. Von außen zeigt der Bau mit dem tief heruntergezogenen Dach noch den grauen Beton-Charme der DDR-Zeit, innen ist es bereits hübsch herausgeputzt mit abgezogenen Dielen und drei Ferienwohnungen.
Tausend Ideen hatte die Gräfin, was sie hier nun machen wollte mit "ihrem schönen Leben", vom Gänserupfen über Jackenstricken, nichts passte so richtig zu ihr.
"Bis ich dann eines Tages im Jahr 2000 mit dem Auto hier hinterm Haus über lauter Äpfel gefahren bin. Und da hat es bei mir einfach Klick gemacht und ich habe gesagt, es ist doch alles da, ich muss es nur aufheben. Und habe angefangen, einfach diese Äpfel aufzusammeln, kleine Mostmaschinen gekauft und losgelegt mit Apfelsaftmosten. Erstmal in einen ganz kleinen Stil, nur für mich selber, habe dann aber ziemlich schnell gesehen, dass ich die Rechnung nicht ohne die Menschen hier vor Ort machen kann und es standen lauter Frauen um mich rum mit lauter guten Ratschlägen. 'Das läuft so Daisy', 'Du musst das so machen', 'Ich weiß das noch von früher', so, also diese Abteilung."
Aus den Helferinnen wurden im Laufe der Zeit sechs Mitarbeiterinnen, die zusammen mit der Gräfin das Apfelunternehmen am Laufen halten. Ob Saft aus historischen Apfelarten sortenrein gepresst, Apfelchutney oder Apfellebkuchen und die familienberühmten, aber apfellosen Arnim-Thaler nach großmütterlichem Rezept - alles wird in Handarbeit produziert und über das Internet vertrieben.
Grundlage dafür bildeten die fast vergessenen, jahrhundertealten Apfelbaumalleen ehemaliger Güter, die in der DDR ebenso zu Selbstversorgerzwecken genutzt wurden wie die damals angelegten Dorfapfelgärten, um die sich nach der Wende niemand so recht mehr kümmerte. So ist die Gräfin über die Äpfel zu den Menschen hier in der Region gekommen; unter anderem, indem sie ihnen hilft, ihre Früchte zu vermarkten. Seit acht Jahren baut sie auch selber Äpfel an.
Daisy und Michael von Arnim sehen ihre neue Heimat als Chance für ein Leben, wie sie es sich trotz aller Widerstände und Widrigkeiten erträumt haben. Bitter, so das Paar, sei es für die Generation der Eltern, die von ihren Ländereien nach 1990 nichts zurückerhalten haben.
"Bis ich hierher kam, wusste ich, dass ich nicht angekommen bin, und habe alle Stationen vorher als Durchgangsstationen empfunden und habe so einzelne Erlebnisse gehabt, die mir einfach deutlich gemacht haben, hier sind die Wurzeln, hier sind meine Wurzeln familiär, sei es die Wetterfahnen auf den Kirchen oder Begegnungen mit alten Menschen, die meine Urgroßeltern noch kannten und davon erzählt haben, was ich woanders nicht erlebt habe."
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Die Apfelgräfin
Uckermark Safari
Buchhinweis: Daisy Gräfin von Arnim/Nils Aschenberg: "Gutshäuser und Schlösser in der Uckermark"