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Auf dem Weg zur Anti-Baby-Pille für den Mann

Medizin. - Vor 40 Jahren revolutionierte die Anti-Baby-Pille die Schwangerschaftskontrolle. Inzwischen verhüten mehr als Dreiviertel aller Paare in Deutschland mit der Pille. Aber seit Jahrzehnten forschen Mediziner auch am Gegenstück: der Pille für den Mann. Und nach vielen Rückschlägen gibt es Studien, die belegen, dass in naher Zukunft mit einem Präparat zu rechnen ist. Wie weit man auf dem Weg dorthin gekommen ist, das diskutierten Wissenschaftler aus zahlreichen Ländern beim am Mittwoch zu Ende gegangenen ''6. Gipfeltreffen zur männlichen Kontrazeption'' auf dem Bonner Petersberg.

    Von Sascha Ott

    Bei den ersten Versuchen in den Siebzigerjahren, ähnlich wie für Frauen ein Verhütungsmedikament für Männer zu finden, beschränkten sich die Mediziner noch auf Testosteron. Das männliche Geschlechtshormon zeigte zwar einen empfängnisverhütenden Effekt, aber es wirkte bei zu wenigen Männern, um wirklich für eine zuverlässige "Pille für den Mann" zu taugen.

    Das geht zu 70 Prozent, aber dann bleiben 30 Prozent der Männer übrig, bei denen es nicht funktioniert. Bei denen musste dann eine zusätzliche Maßnahme ergriffen werden. Heute versuchen wir bei diesen vor allem mit einem Gestagen, also einer Kombination Testosteron-Gestagen, die Kontrazeption hinzubekommen und das scheint auch ganz gut zu funktionieren.

    Professor Eberhard Nieschlag vom Institut für Reproduktionsmedizin in Münster setzt große Hoffnungen in die Hormonmischung aus Testosteron und dem weiblichen Geschlechtshormon Gestagen. Im Moment laufen Studien in Münster und sechs anderen deutschen Städten mit bisher vielversprechenden Ergebnissen. Die jeweils 24 Probanden in den einzelnen Versuchszentren bekommen das Gestagen über ein lange wirksames Implantat verabreicht, das Testosteron per Spritze. Die Hormone wirken im Grunde ähnlich wie bei der Anti-Baby-Pille für Frauen, verrät Nieschlag: Der Körper wird hinters Licht geführt.

    Grundsätzlich besteht das Prinzip darin, dass die Hormone, die der Körper eigentlich selber produziert, ihm von außen zugeführt werden. Die Hirnanhangsdrüse, die ja alle endokrinen Hormonorgane im Körper steuert, registriert dann: Da ist genug - und stellt ihre Produktion an Hormonen ein. Damit wird auch der Hoden nicht mehr stimuliert. Das heißt, aus dem Hoden kommt kein männliches Hormon Testosteron mehr, aber es kommen auch keine Spermien mehr. Während wir uns über den Verlust der Spermien freuen, muss das Testosteron ersetzt werden. Und damit bleibt der Mann ein ganz normaler Mann, nur er hat keine Spermien.

    Potenz und Libido bleiben davon unbeeinflusst. Auch die sonst häufig auftretenden Nebenwirkungen - Gewichtszunahme, nächtliches Schwitzen und Akne - sind bei den Probanden bisher nur in geringem Maße beobachtet worden. Auf lange Sicht müssen aber vor allem die möglichen Nebenwirkungen auf Prostata, Blutbild und Kreislauf noch genau untersucht werden.

    Die Münsteraner Reproduktionsmediziner liefern sich ein Wettrennen um die erste effektive männliche Kontrazeption mit Kollegen aus den Vereinigten Staaten und Asien. Für alle ist der Weg bis zum ersten zugelassenen Präparat noch weit. Als nächstes sind große Feldstudien vorgesehen, berichtet Nieschlag:

    Realistische Schätzungen gehen davon aus, dass frühestens 2006 eine Präparation auf dem Markt sein wird. Und ich vermute fast, dass die früheste Registrierung in China stattfinden wird, denn wie wir auch hier auf dem Petersberg hören, sind unsere chinesischen Kollegen in der Entwicklung am weitesten und haben bisher die größten Zahlen an Versuchspersonen.

    Der hormonelle Ansatz ist der im Moment vielversprechendste, aber nicht der einzig mögliche Weg zur männlichen Kontrazeption. Bei einer anderen Methode produziert der Körper zwar Spermien, es wird jedoch verhindert, dass sie in den Nebenhoden heranreifen, erläutert Professor Hermann Behre, Leiter der Andrologie der Uni Halle:

    Das zweite Verfahren ist eine Methode, bei der die Funktion der Spermien verändert wird. Also nicht die Bildung, sondern die Funktion. Der große Vorteil ist, dass solche Substanzen wahrscheinlich sofort wirken, innerhalb von Tagen. Aber das ist zurzeit noch eher Grundlagenforschung. Man braucht sicherlich noch einige Zeit, um eine Substanz zu finden, die nur die Spermien an der Befruchtung hindert, ohne andere Organe zu beeinträchtigen.

    Entscheidend für den Markterfolg eines männlichen Verhütungsmittels ist aber auch, ob es wirklich eine "Pille für den Mann" sein wird - oder doch eine Spritze. Denn die findet in Umfragen bei Männern deutlich weniger Anklang. Ein dem Testosteron vergleichbares Präparat zu entwickeln, das nicht in der Leber abgebaut wird, sondern über eine Pille in den Blutkreislauf gelangt, ist aber noch nicht in Sicht.