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Auf dem Weg zur smarten Stadt
"Wir müssen die bestehende Infrastruktur besser nutzen"

Bis 2030 sollen über fünf Milliarden Menschen in Städten leben. Das bedeutet eine große Herausforderung für den Verkehr. Irgendwie muss man all diese Menschen befördern. Auf dem 11. Europäischen Kongress für intelligente Verkehrssysteme, der heute in Glasgow zu Ende geht, erarbeiten Forscher und Unternehmen neue Wege, die besthenden Infrastruktur optimal zu nutzen.

Von Piotr Heller |
    Das rundliche "Google Car" bei einer Testfahrt auf einer Autobahn in Kalifornien.
    In Kalifornien sind die selbstfahrenden "Google Cars" schon lange zu Testzwecken unterwegs. (picture alliance / dpa / Google Handout)
    "Schauen wir uns Warschau an, es ist gerade acht Uhr abends, und es sieht ganz gut aus. Nur ein kleiner Stau. Heute um fünf Uhr war das noch ganz anders. Aber nun fließt der Verkehr ab, die Leute sind zuhause oder genießen ihren Abend in der Stadt."
    Vit Soupal von der Deutschen Telekom steht im Glasgower Kongresszentrum vor einer Karte mit der aktuellen Verkehrsbelastung in Warschau. Die nötigen Daten dafür stammen von den Handys der Warschauer. Sie verraten den Standort der Menschen, zeigen Staus und Ballungszonen. Das hilft, den Verkehr besser zu planen. Auch für tschechische Städte und Autobahnen läuft gerade ein ähnliches, so genanntes "ITS-Projekt". Die Abkürzung steht für intelligente Transportsysteme.
    "Auf der ganzen Welt gibt es eine Urbanisierung, die Menschen ziehen in die Städte. Wir müssen den Transport dieser Menschen so effizient wie möglich gestalten. Wir müssen das in Städten machen, die nicht einfach größere Bahnhöfe, größere Tunnels und mehr Straßen bauen können. Also müssen wir die bestehende Infrastruktur besser nutzen. Darum geht es bei ITS."
    Erklärt Martin Howell von der Firma Cubic Transportation Systems. Die Firma hat unter anderem die bekannte "Oyster Card" für Londons Nahverkehrssystem entwickelt. Auf dem Kongress mangelt es nicht an technologischen Innovationen, die den Verkehr in Städten verbessern könnten. Eine davon stammt von Paula Syrjärinne. Sie forscht in Finnland an der Universität Tampere und hat hier in Glasgow gerade den Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit gewonnen.
    "In Tampere übermitteln die Busse jede Sekunde ihre Position. Und wir nutzen diese Daten, um zu erfahren, was auf den Straßen los ist. Wir haben zunächst ermittelt, wie der Verkehr normalerweise aussieht. Wenn Busse besonders lange brauchen, wissen wir: Da ist was nicht in Ordnung."
    Das kann ein Unfall sein, eine kaputte Ampel oder eine zugeschneite Straße. Das System holt durch eine intelligente Analyse viel aus Daten heraus, die sowieso da sind. Wo das nicht der Fall ist, muss man sich die Daten beschaffen. Das macht etwa die Firma Nedap aus den Niederlanden. Sie hat einen Sensor entwickelt, der im Boden eingelassen erkennt, ob über ihm ein Auto parkt. Mit Tausenden solcher Sensoren könnte man ein dynamisches Parkleitsystem in einer Stadt aufbauen: Nie wieder Parkplatzsuche. Die Daten könnten auch helfen, Parksünder aufzuspüren. Und noch Einiges mehr, wie Edwin Siemerink erklärt:
    "Wenn jemand in eine Innenstadt will, die komplett überfüllt ist, könnte man ihm sagen: Parke Dein Auto am Stadtrand und nimm ab da die öffentlichen Verkehrsmittel."
    Das Beispiel zeigt, wie komplex die Vision hinter den intelligenten Transportsystemen ist: Es geht nicht nur darum, den Autoverkehr zu optimieren oder einzelne Probleme wie das Parken zu lösen. Es geht darum, optimal durch eine Stadt zu navigieren, egal mit welchem Verkehrsmittel. Der Weg dahin ist noch weit.
    "Wenn man sich auf der Konferenz umhört und fragt, wie die Städte wohl 2050 aussehen werden, ist die Antwort klar: Autonome Autos, Mobilitätslösungen, niemand wird ein Auto besitzen, alles wird glatt laufen, jeder kommt pünktlich zur Arbeit. Fantastisch. Also fragt man: Und sie wird es in zwei Jahren aussehen? Die Antwort lautet meistens: Keine Ahnung."
    Was Martin Howell von Cubic Transportation Systems sagt, hört man oft auf diesem Kongress: Das Ziel ist da, die nötige Technik im Grunde auch. Allein, es gibt bis auf vereinzelte Projekte nur wenig Fortschritt in Richtung intelligenter Stadt.
    Warum das so ist, lässt sich am Beispiel des Parkleitsystems erklären: Damit das funktioniert, müssten alle zusammenarbeiten: Autohersteller, Verkehrszentralen, Stadtverwaltungen, Nahverkehrsbetriebe, Parkplatzbesitzer. Und sie müssten in Technik investieren, die sich vielleicht erst in vielen Jahren lohnen wird. Eine schwere Aufgabe für die Städte der Zukunft.