1968 verging kaum eine Woche, in der nicht protestiert wurde. Gegen Kapitalismus, Krieg und Kolonialismus. Fast überall in Europa brodelte es. Was bewegte die "1968er" damals – und was ist davon übrig geblieben? Eine Spurensuche in fünf Ländern.
Von Rayna Breuer, Friedbert Meurer, Kirstin Hausen, Florian Kellermann und Hans Günter Kellner |
Der Politiker und Publizist Daniel Cohn-Bendit erinnert sich an eine "Revolte, die um den gesamten Erdball ging, und Herzen und Träume einer ganzen Generation eroberte".
Dabei hatte jede Revolte neben globalen Zielen auch ihren ganz eigenen, nationalen Antrieb. Und nicht selten sind die Träume später zerplatzt. Was bewegte die "1968er" damals – und was ist davon übrig geblieben?
Die "Gesichter Europas" gehen in fünf Ländern auf Spurensuche, die sonst in Deutschland nicht im Fokus der Erinnerung an 1968 stehen.
Jugoslawien - Vielvölkerstaat mit Sonderrolle Das 68er-Beben war auch in Jugoslawien zu spüren. Die Studenten solidarisierten sich, auch sie waren gegen den Krieg in Vietnam und applaudierten den Protestierenden in Frankreich. Einen Umsturz des Systems wollte die Jugend Jugoslawiens nicht.
Italien - wie gewonnen, so zerronnen Die Studenten- und Arbeiterbewegung Italiens hat sowohl am Arbeitsplatz als auch für Frauen Rechte erkämpft. Wenn wir nicht aufpassen, sagt die Feministin Ketty Carraffa, ist bald alles wieder dahin.
Polen - schwierige Geschichte Im März 1968 kam es in Polen zu massiven Studenten-Protesten. Die kommunistische Führung stempelte sie als "zionistisch" gesteuert ab. 13.000 Polen jüdischer Abstammung verließen schließlich das Land.
England - Summerhill School heute Freiheit statt Unterdrückung: Alexander Sutherland Neill steht für einen Erziehungsstil, der besonders um 1968 Furore machte. Der Schotte begeisterte mit seinen anti-autoritären Schriften und seiner "Summerhill School" die Studenten auf den Barrikaden. Dabei ging es Neill gar nicht um grenzenlose Freiheit.
Spanien - Aufstand in der Diktatur In Spanien herrschte Franco mit harter Hand. Der Aufstand der Studenten galt daher auch dem Diktator. Die 68er leiteten die Demokratisierung ein und wirkten mit, als das neue Spanien entstand. Bis heute mischen manche mit in der Politik, ohne Illusionen: Podemos ist nicht 68, sagen sie.