Es ist ein sonniger Tag am Tombigbee River in Columbus, Mississippi. Der Tombigbee entspringt südöstlich von Memphis, Tennessee, und mäandert in unzähligen Windungen durch das flache Land. Hier in Columbus gesellen sich noch der Buttahatchie River und der Luxapalila Creek zum Tombigbee. Während Hernado de Soto bereits 1540 den Tombigbee an diesem Ufer überquerte, entstand die Stadt Columbus erst 280 Jahre später. Und weitere 90 Jahre nach der Gründung hat gerade mal 300 Meter vom Ufer des Tombigbee entfernt Tennessee Williams das Licht der Welt in einem Gingerbreadhaus in der Mainstreet erblickt. Für diese in den Südstaaten beliebte Architektur typisch, erreichen wir die Haustür über eine gemütliche überdachte Veranda mit zwei Schaukelstühlen.
Hinter der mehr als 100 Jahre alten Eichentür erwartet uns Mrs. Virginia Thomas, die Gästen gerne zeigt, wie die Familie von Tennessee Williams vor 100 Jahren hier lebte.
"Das Haus befindet sich in der Nähe der St. Paul‘s Episcopal Church. Der Großvater von Tennessee Williams war Pfarrer dieser Gemeinde. Seine Mutter lebte auch in diesem Haus, weil sein Vater als Reiseverkäufer unterwegs war. Als Tennessee 1911 geboren wurde, bekam seine Mutter ihre Wehen in diesem Schlafzimmer."
Das sind seltsame Momente, wenn man in einem Raum steht, in dem die ersten Bilder des Lebensfilmes eines Menschen stattfanden. Ein Film, der ab diesem Zeitpunkt unaufhaltsam Bild für Bild an unterschiedlichsten Orten mit all seinen Höhepunkten und Katastrophen abläuft, bis das letzte Bild an die Leinwand des Lebens geworfen wird. Der Raum ist lichtdurchflutet, die Sonne hat ein leichtes Spiel, da das Schlafzimmer in der Gebäudeecke liegt und große Fenster zu zwei Seiten hat.
"Das Bett wurde um 1870 aus Mahagoni und Eiche handgeschnitzt. Die anderen Möbel im Raum sind ebenfalls aus Mahagoni und Eiche gefertigt und stammen aus dem späten 19. Jahrhundert."
"Tennessee" war der Spitzname, den er später am College von Freunden an der University of Missouri wegen seines Akzents bekam, einem Dialekt, den man im Staat Tennessee sprach. Dorthin, genauer gesagt nach Nashville, war die Familie bereits kurz nach der Geburt gezogen. Sein Großvater, Reverend Dakin, in dessen Haushalt er und seine Familie lebte, wurde wieder zwei Jahre später, im Jahr 1915, nach Clarksdale in Mississippi versetzt. Um den Spuren von Tennessee Williams zu folgen begeben wir uns deshalb nun 160 Meilen nordöstlich in das Herz des Baumwollgürtels am östlichen Mississippi bevor wir am Ende unserer Spurensuche wieder in das Geburtshaus hier in Columbus zurückkehren.
Die Fahrt nach Clarksdale führt durch weites Farmland. Reisfelder wechseln mit Baumwollfeldern, diese wieder mit Reis- oder Maisfeldern, soweit das Auge reicht. Hier und da befindet sich ein kleiner Start- und Landstreifen für die Crop-Duster, das sind kleine Sprühflugzeuge die ihre flachen Kreise über den endlosen Feldern ziehen. Das Land war schon vor Jahrhunderten äußerst fruchtbar und bewohnt, erzählt Wayne Winter, der uns in Clarksdale erwartet.
"Clarksdale wurde an einem Ort gegründet, wo sich früher die indianische Siedlung mit dem Namen Quisquis befand. Hernando de Soto war offensichtlich bei seiner Erkundung des Mississippi an diesem Ort, denn man hat in Quisquis eine Silberglocke gefunden, die man der Gruppe von de Soto zuordnen konnte. Der Name unseres County‘s ist 'Coahoma'. Das ist ein indianischer Name und bedeutet 'Roter Panther'. Wir haben also eine indianische Vergangenheit soweit wir das bis heute herausgefunden haben."
Spuren der indianischen Vergangenheit sind viele im Norden Mississippis zu finden, aber wir wollen nun den Spuren von Tennessee Williams folgen, die in Clarksdale mannigfaltig sind. Wir finden uns in der Sharkey Street 106 ein. "Home is, were you hang your childhood - Zuhause ist, wo Du Deine Kindheit verbringst" sagte, Tennessee Williams. Sein "Home" war genau dieses Haus.
"Wir stehen vor dem Büro der St. Georg Episcopal Church. Zurzeit von Tennessee Williams war dieses Haus das Pfarrhaus in dem er mit seinem Großvater Reverend Dakin, wohnte."
Das Wohnhaus des Reverends ist praktischerweise direkt neben der Kirche platziert. Tennessee Williams war fünf Jahre alt, als er, seine Mutter und seine Schwester Rose sowie seine Großeltern das Haus bezog.
"Er lebte hier als kleines Kind mit seiner Schwester. Er verbrachte viel Zeit mit seinem Großvater, den er gerne begleitete, wenn er Gemeindemitglieder besuchte. Die Gespräche beeindruckten ihn wohl so sehr, dass er einige Namen für die Figuren in seinen Romanen verwendete. Er verwendete nicht deren Persönlichkeit oder die Geschichten, die er hörte, nur ihre Namen."
Bevor wir dem Haus und der Kirche einen Besuch abstatten, wandern wir noch ein wenig durch die Straßen und Häuserzeilen von Clarksdale. Von seinem Großvater lernte er die Liebe zu Büchern und den spannenden Geschichten darin. Sein Großvater las ihm aus seinen Lieblingswerken vor. Aber bald war der kleine Tom in dem Alter, in dem lernte, selbst zu lesen.
"Er besuchte hier die Grundschule. In seinen Werken tauchen auch aus dieser Zeit Namen von Personen in seinen Werken auf, die er hier in Clarksdale traf."
Seinen Schulweg zu laufen hat etwas Besonderes, wenngleich man sich fragt, wie viel oder wie wenig sich seit damals verändert hat. Von den Dingen, die mit Sicherheit unverändert sind, sind es in erster Linie alte Bäume, die eindeutig schon mehr als 100 Jahre hier stehen. Lässt man seine Hand durch die im Wind tanzenden Blätter streifen, dann berührt man ein Teil eines lebenden Wesens, das auch er möglicherweise als Kind berührte, in dessen Schatten er spielte. Während wir unter den Bäumen am Straßenrand dahin schlendern reflektiert Wayne über seine Heimatstadt mit dem Baumwollherz.
"Clarksdale ist eine Stadt in einer agrarbetonten Region des Mississippi Delta und wäre mit seinen 20.000 Einwohnern sicher nicht sehr bekannt in der Welt. Aber, neben Tennessee Williams schlägt hier auch das Herz des Blues. Die Blues-Legende Robert Johnson verkaufte seine Seele um Mitternacht an einer Straßenkreuzung an den Teufel."
"Wir denken, das ist die Kreuzung der US 61 und der US 49. Viele Leute kommen aus der ganzen Welt um sich diese Straßenkreuzung anzuschauen."
Und nach dieser Straßenkreuzung sollte man das Bluesmuseum im Frachtschuppen der Yazoo and Mississippi Valley Railroad besuchen. Für Freunde des Deltablues ist das ein kleines Mekka. Die Adresse kann man sich einfach merken: Blues Alley One. Von der musikalischen Seite von Clarksdale begeben wir uns wieder zur literarischen und gelangen in einer eher unscheinbaren Nachbarschaft zu einem interessanten weißen Haus unter einer großen Magnolie.
"Wir kommen hier zu einem Haus, das er 'Glasmenagerie' nannte. Im Haus gab es eine Sammlung von wunderschönen Glasfiguren, die ihn faszinierte. Das war wohl später der Ideengeber für sein Werk 'Glasmenagerie'. Hier vorne wohnte ein Junge namens Brick Goucher. Brick taucht in seinem Theaterstück 'Die Katze auf dem heißen Blechdach' auf. Es wird erzählt, dass Brick Tennessee Williams in der Schule mal verprügelt hat, so kam er in sein Buch."
Wir haben auf einer kleinen Holzbank unter einer weiteren Magnolie Platz genommen, um ein wenig Schatten zu finden.
"Vor uns ist der 'Tennessee Williams Park'. Es ist ein eher kleiner beschaulicher Park, der zum Verweilen und flanieren einlädt. Das Wohnhaus der Familie war ganz in der Nähe und wir wissen, dass er hier oft mit seinen Freunden spielte und rumgerannt ist."
Wir haben die schattenspendende Magnolie wieder verlassen und wären ja ganz gerne wie er um die Ecke nach Hause gerannt. Aber, in unserem fortgeschrittenen Alter muss es etwas gemächlicher gehen. In seinem Zuhause, neben der Kirche, wartet nicht mehr Mrs. Edwina, seine Mutter, sondern Debby Liny auf uns.
"Der Großvater von Tennessee Williams war hier 16 Jahre lang Pastor und Direktor unserer Gemeinde. Die Wohnräume der Familie befinden sich im oberen Stockwerk und sind heute nicht mehr bewohnt. Er wohnt hier bis er erwachsen wurde."
Die Familienwohnung im Obergeschoß ist für Besucher seit langem nicht mehr geöffnet und glücklicherweise so belassen, wie sie damals war. Kommt man die Treppe rauf, landet man eigentlich über einen kleinen Flur im Badezimmer. Und es sieht wirklich so aus, als hätte Jahrzehnte niemand mehr den Wasserhahn der Badewanne geöffnet. Neugierig drehe ich den Hahn auf.
Rostiges Wasser kommt aus der Leitung und es ist wieder einer jener Momente, in denen man, wenn auch nur für einen Augenblick, einen Zeitsprung rückwärts machen möchte. Neben dem Bad befindet sich das Kinderzimmer. Es ist heute leer, außer einem von Tennessee Williams handgeschriebenen kleinen Gedicht, das in einem Holzrahmen an der Wand hängt. Es heißt "Der Schattenbaum". Der kleine Tom hatte in diesem Zimmer wegen einer schweren Diphtherie sogar eine Woche mit dem Tode gerungen. Nach dieser schweren Krankheit, so heißt es, habe Tom sehr an Persönlichkeit gewonnen. Debby lädt uns nun in die kleine Kirche ein, die sich fast als Anbau direkt neben dem Pfarrbürohaus befindet.
"”Das ist die St. Georg´s Episcopal Church. Die Kirche ist über 100 Jahre alt. Es ist eigentlich eine kleine aber sehr schöne Kirche mit einer sehr familiären Atmosphäre. Das passt auch zur Gemeinde mit etwa 150 Familien. Unser Reverend ist Jason Shelby der vor zwei Jahren aus Medison, Mississippi zu uns kam.""
Die Sonne glüht förmlich von außen durch die farbigen Gläser der kunstvoll gestalteten Bleifenster. Ein rötlich blauer Lichtstrahl umspielt die silbernen Pfeifen der alten Orgel, die vorne rechts neben dem Altar in eine geräumige Nische gebaut ist. Vom kleinen Tom wird berichtet, dass er oft neben seinem Großvater auf der Orgelbank saß und aufmerksam seinem Spiel lauschte.
Während wir der Orgel lauschen, die auch Tennessee Williams in seinen Kindertagen hörte, wechseln wir noch einmal zurück nach Columbus am Tombigbee River in sein Geburtshaus, wo unsere Spurensuche begann. In diesem Haus gibt es nämlich auch eine Orgel erzählt uns Mrs. Virginia Thomas.
"Das ist das Wohnzimmer. Diese Orgel stammt aus dem Jahr 1873. Die Orgel und auch das Sofa hier drüben sind ein Geschenk von Dr. Wesson aus Tupelo."
Dort, wo Menschen die meiste Zeit ihrer Kindheit verbringen, dort, so sagt Tennessee Williams, ist "Heimat, das Gefühl für Zuhause und dort findet das Leben statt. Über das Leben an sich hat Tennessee William immer wieder in etlichen seiner Werke reflektiert. Das Leben, so sagt er, sei eine unbeantwortete Frage. Man müsse allerdings mit Respekt die Wichtigkeit einer Antwort auf diese Frage sehen. Die Lebensgeschichte von Tennessee Williams findet in diesem Haus, aber besonders auch in diesem Raum, der sich im Erdgeschoß genau unter dem Geburtszimmer befindet, besonderen Ausdruck. Denn neben der Orgel im Wohnzimmer hängt ein unter Glas gerahmter Kranz aus verwelkten und verblassten Blumen, der für das Ende der Lebensgeschichte von Tennessee Williams steht.
"Dieser Blumenkranz lag als letzter Gruß auf Tennessee Williams Sarg. Ein guter Freund von Tennessee war nach der Beerdigung dabei, als die Blumengebinde abgeräumt und weg geworfen werden sollten. Er bat darum, diesen Blumenkranz behalten zu dürfen. So erhielt er den Kranz und bewahrte ihn über viele Jahre bei sich zuhause auf. Als wir dieses Haus restaurierten, brachte er uns diesen Blumenkranz, damit wir ihn ihr zur Erinnerung an Tennessee Williams aufbewahren."
Hinter der mehr als 100 Jahre alten Eichentür erwartet uns Mrs. Virginia Thomas, die Gästen gerne zeigt, wie die Familie von Tennessee Williams vor 100 Jahren hier lebte.
"Das Haus befindet sich in der Nähe der St. Paul‘s Episcopal Church. Der Großvater von Tennessee Williams war Pfarrer dieser Gemeinde. Seine Mutter lebte auch in diesem Haus, weil sein Vater als Reiseverkäufer unterwegs war. Als Tennessee 1911 geboren wurde, bekam seine Mutter ihre Wehen in diesem Schlafzimmer."
Das sind seltsame Momente, wenn man in einem Raum steht, in dem die ersten Bilder des Lebensfilmes eines Menschen stattfanden. Ein Film, der ab diesem Zeitpunkt unaufhaltsam Bild für Bild an unterschiedlichsten Orten mit all seinen Höhepunkten und Katastrophen abläuft, bis das letzte Bild an die Leinwand des Lebens geworfen wird. Der Raum ist lichtdurchflutet, die Sonne hat ein leichtes Spiel, da das Schlafzimmer in der Gebäudeecke liegt und große Fenster zu zwei Seiten hat.
"Das Bett wurde um 1870 aus Mahagoni und Eiche handgeschnitzt. Die anderen Möbel im Raum sind ebenfalls aus Mahagoni und Eiche gefertigt und stammen aus dem späten 19. Jahrhundert."
"Tennessee" war der Spitzname, den er später am College von Freunden an der University of Missouri wegen seines Akzents bekam, einem Dialekt, den man im Staat Tennessee sprach. Dorthin, genauer gesagt nach Nashville, war die Familie bereits kurz nach der Geburt gezogen. Sein Großvater, Reverend Dakin, in dessen Haushalt er und seine Familie lebte, wurde wieder zwei Jahre später, im Jahr 1915, nach Clarksdale in Mississippi versetzt. Um den Spuren von Tennessee Williams zu folgen begeben wir uns deshalb nun 160 Meilen nordöstlich in das Herz des Baumwollgürtels am östlichen Mississippi bevor wir am Ende unserer Spurensuche wieder in das Geburtshaus hier in Columbus zurückkehren.
Die Fahrt nach Clarksdale führt durch weites Farmland. Reisfelder wechseln mit Baumwollfeldern, diese wieder mit Reis- oder Maisfeldern, soweit das Auge reicht. Hier und da befindet sich ein kleiner Start- und Landstreifen für die Crop-Duster, das sind kleine Sprühflugzeuge die ihre flachen Kreise über den endlosen Feldern ziehen. Das Land war schon vor Jahrhunderten äußerst fruchtbar und bewohnt, erzählt Wayne Winter, der uns in Clarksdale erwartet.
"Clarksdale wurde an einem Ort gegründet, wo sich früher die indianische Siedlung mit dem Namen Quisquis befand. Hernando de Soto war offensichtlich bei seiner Erkundung des Mississippi an diesem Ort, denn man hat in Quisquis eine Silberglocke gefunden, die man der Gruppe von de Soto zuordnen konnte. Der Name unseres County‘s ist 'Coahoma'. Das ist ein indianischer Name und bedeutet 'Roter Panther'. Wir haben also eine indianische Vergangenheit soweit wir das bis heute herausgefunden haben."
Spuren der indianischen Vergangenheit sind viele im Norden Mississippis zu finden, aber wir wollen nun den Spuren von Tennessee Williams folgen, die in Clarksdale mannigfaltig sind. Wir finden uns in der Sharkey Street 106 ein. "Home is, were you hang your childhood - Zuhause ist, wo Du Deine Kindheit verbringst" sagte, Tennessee Williams. Sein "Home" war genau dieses Haus.
"Wir stehen vor dem Büro der St. Georg Episcopal Church. Zurzeit von Tennessee Williams war dieses Haus das Pfarrhaus in dem er mit seinem Großvater Reverend Dakin, wohnte."
Das Wohnhaus des Reverends ist praktischerweise direkt neben der Kirche platziert. Tennessee Williams war fünf Jahre alt, als er, seine Mutter und seine Schwester Rose sowie seine Großeltern das Haus bezog.
"Er lebte hier als kleines Kind mit seiner Schwester. Er verbrachte viel Zeit mit seinem Großvater, den er gerne begleitete, wenn er Gemeindemitglieder besuchte. Die Gespräche beeindruckten ihn wohl so sehr, dass er einige Namen für die Figuren in seinen Romanen verwendete. Er verwendete nicht deren Persönlichkeit oder die Geschichten, die er hörte, nur ihre Namen."
Bevor wir dem Haus und der Kirche einen Besuch abstatten, wandern wir noch ein wenig durch die Straßen und Häuserzeilen von Clarksdale. Von seinem Großvater lernte er die Liebe zu Büchern und den spannenden Geschichten darin. Sein Großvater las ihm aus seinen Lieblingswerken vor. Aber bald war der kleine Tom in dem Alter, in dem lernte, selbst zu lesen.
"Er besuchte hier die Grundschule. In seinen Werken tauchen auch aus dieser Zeit Namen von Personen in seinen Werken auf, die er hier in Clarksdale traf."
Seinen Schulweg zu laufen hat etwas Besonderes, wenngleich man sich fragt, wie viel oder wie wenig sich seit damals verändert hat. Von den Dingen, die mit Sicherheit unverändert sind, sind es in erster Linie alte Bäume, die eindeutig schon mehr als 100 Jahre hier stehen. Lässt man seine Hand durch die im Wind tanzenden Blätter streifen, dann berührt man ein Teil eines lebenden Wesens, das auch er möglicherweise als Kind berührte, in dessen Schatten er spielte. Während wir unter den Bäumen am Straßenrand dahin schlendern reflektiert Wayne über seine Heimatstadt mit dem Baumwollherz.
"Clarksdale ist eine Stadt in einer agrarbetonten Region des Mississippi Delta und wäre mit seinen 20.000 Einwohnern sicher nicht sehr bekannt in der Welt. Aber, neben Tennessee Williams schlägt hier auch das Herz des Blues. Die Blues-Legende Robert Johnson verkaufte seine Seele um Mitternacht an einer Straßenkreuzung an den Teufel."
"Wir denken, das ist die Kreuzung der US 61 und der US 49. Viele Leute kommen aus der ganzen Welt um sich diese Straßenkreuzung anzuschauen."
Und nach dieser Straßenkreuzung sollte man das Bluesmuseum im Frachtschuppen der Yazoo and Mississippi Valley Railroad besuchen. Für Freunde des Deltablues ist das ein kleines Mekka. Die Adresse kann man sich einfach merken: Blues Alley One. Von der musikalischen Seite von Clarksdale begeben wir uns wieder zur literarischen und gelangen in einer eher unscheinbaren Nachbarschaft zu einem interessanten weißen Haus unter einer großen Magnolie.
"Wir kommen hier zu einem Haus, das er 'Glasmenagerie' nannte. Im Haus gab es eine Sammlung von wunderschönen Glasfiguren, die ihn faszinierte. Das war wohl später der Ideengeber für sein Werk 'Glasmenagerie'. Hier vorne wohnte ein Junge namens Brick Goucher. Brick taucht in seinem Theaterstück 'Die Katze auf dem heißen Blechdach' auf. Es wird erzählt, dass Brick Tennessee Williams in der Schule mal verprügelt hat, so kam er in sein Buch."
Wir haben auf einer kleinen Holzbank unter einer weiteren Magnolie Platz genommen, um ein wenig Schatten zu finden.
"Vor uns ist der 'Tennessee Williams Park'. Es ist ein eher kleiner beschaulicher Park, der zum Verweilen und flanieren einlädt. Das Wohnhaus der Familie war ganz in der Nähe und wir wissen, dass er hier oft mit seinen Freunden spielte und rumgerannt ist."
Wir haben die schattenspendende Magnolie wieder verlassen und wären ja ganz gerne wie er um die Ecke nach Hause gerannt. Aber, in unserem fortgeschrittenen Alter muss es etwas gemächlicher gehen. In seinem Zuhause, neben der Kirche, wartet nicht mehr Mrs. Edwina, seine Mutter, sondern Debby Liny auf uns.
"Der Großvater von Tennessee Williams war hier 16 Jahre lang Pastor und Direktor unserer Gemeinde. Die Wohnräume der Familie befinden sich im oberen Stockwerk und sind heute nicht mehr bewohnt. Er wohnt hier bis er erwachsen wurde."
Die Familienwohnung im Obergeschoß ist für Besucher seit langem nicht mehr geöffnet und glücklicherweise so belassen, wie sie damals war. Kommt man die Treppe rauf, landet man eigentlich über einen kleinen Flur im Badezimmer. Und es sieht wirklich so aus, als hätte Jahrzehnte niemand mehr den Wasserhahn der Badewanne geöffnet. Neugierig drehe ich den Hahn auf.
Rostiges Wasser kommt aus der Leitung und es ist wieder einer jener Momente, in denen man, wenn auch nur für einen Augenblick, einen Zeitsprung rückwärts machen möchte. Neben dem Bad befindet sich das Kinderzimmer. Es ist heute leer, außer einem von Tennessee Williams handgeschriebenen kleinen Gedicht, das in einem Holzrahmen an der Wand hängt. Es heißt "Der Schattenbaum". Der kleine Tom hatte in diesem Zimmer wegen einer schweren Diphtherie sogar eine Woche mit dem Tode gerungen. Nach dieser schweren Krankheit, so heißt es, habe Tom sehr an Persönlichkeit gewonnen. Debby lädt uns nun in die kleine Kirche ein, die sich fast als Anbau direkt neben dem Pfarrbürohaus befindet.
"”Das ist die St. Georg´s Episcopal Church. Die Kirche ist über 100 Jahre alt. Es ist eigentlich eine kleine aber sehr schöne Kirche mit einer sehr familiären Atmosphäre. Das passt auch zur Gemeinde mit etwa 150 Familien. Unser Reverend ist Jason Shelby der vor zwei Jahren aus Medison, Mississippi zu uns kam.""
Die Sonne glüht förmlich von außen durch die farbigen Gläser der kunstvoll gestalteten Bleifenster. Ein rötlich blauer Lichtstrahl umspielt die silbernen Pfeifen der alten Orgel, die vorne rechts neben dem Altar in eine geräumige Nische gebaut ist. Vom kleinen Tom wird berichtet, dass er oft neben seinem Großvater auf der Orgelbank saß und aufmerksam seinem Spiel lauschte.
Während wir der Orgel lauschen, die auch Tennessee Williams in seinen Kindertagen hörte, wechseln wir noch einmal zurück nach Columbus am Tombigbee River in sein Geburtshaus, wo unsere Spurensuche begann. In diesem Haus gibt es nämlich auch eine Orgel erzählt uns Mrs. Virginia Thomas.
"Das ist das Wohnzimmer. Diese Orgel stammt aus dem Jahr 1873. Die Orgel und auch das Sofa hier drüben sind ein Geschenk von Dr. Wesson aus Tupelo."
Dort, wo Menschen die meiste Zeit ihrer Kindheit verbringen, dort, so sagt Tennessee Williams, ist "Heimat, das Gefühl für Zuhause und dort findet das Leben statt. Über das Leben an sich hat Tennessee William immer wieder in etlichen seiner Werke reflektiert. Das Leben, so sagt er, sei eine unbeantwortete Frage. Man müsse allerdings mit Respekt die Wichtigkeit einer Antwort auf diese Frage sehen. Die Lebensgeschichte von Tennessee Williams findet in diesem Haus, aber besonders auch in diesem Raum, der sich im Erdgeschoß genau unter dem Geburtszimmer befindet, besonderen Ausdruck. Denn neben der Orgel im Wohnzimmer hängt ein unter Glas gerahmter Kranz aus verwelkten und verblassten Blumen, der für das Ende der Lebensgeschichte von Tennessee Williams steht.
"Dieser Blumenkranz lag als letzter Gruß auf Tennessee Williams Sarg. Ein guter Freund von Tennessee war nach der Beerdigung dabei, als die Blumengebinde abgeräumt und weg geworfen werden sollten. Er bat darum, diesen Blumenkranz behalten zu dürfen. So erhielt er den Kranz und bewahrte ihn über viele Jahre bei sich zuhause auf. Als wir dieses Haus restaurierten, brachte er uns diesen Blumenkranz, damit wir ihn ihr zur Erinnerung an Tennessee Williams aufbewahren."