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Auf der Giftliste

Vor gut zwei Jahren trat die EU-REACH-Verordnung in Kraft, zur Registrierung und Kontrolle chemischer Stoffe. Heute hat die EU zum zweiten Mal eine Liste gefährlicher Chemikalien herausgegeben, die potenziell verboten werden könnten. Umweltschützer sind auch dieses Mal unzufrieden.

Von Ralph Ahrens | 03.08.2009
    Erneut stellt die "Europäische Agentur für chemische Stoffe" in Helsinki stellt heute das Thema Chemikalien ins Rampenlicht - mit einer neu veröffentlichten Liste gefährlich eingeschätzter Stoffe. Dazu zählen ein fruchtbarkeitsschädigender Weichmacher für den Kunststoff PVC sowie fünf krebserregende und umweltschädliche Weichmacheröle für Gummiprodukte. Es sind Vorschläge für die so genannte "Kandidatenliste", auf der jene Stoffe stehen, die Industrieunternehmen bald nur noch mit einer Genehmigung einsetzen dürfen. Umweltschützer wie Jurek Vengels vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland sind von den Vorschlägen enttäuscht.

    "Wir sind mit der Liste insgesamt ziemlich unzufrieden, muss ich ganz ehrlich sagen. Man geht davon aus, dass es insgesamt 1000 bis 2000 Stoffe gibt, die als besonders besorgniserregend gelten müssen."

    Auch im vergangenen Jahr – als die Chemikalienagentur erstmals Kandidaten für die Überprüfung vorgeschlagen hatte – sind es nur 16 gefährliche Stoffe gewesen.

    "Damals hat man gesagt, das Verfahren läuft erst an, die Behörden müssen erst mal sehen, wie sie mit dem neuen Verfahren umgehen können. Mittlerweile läuft REACH schon seit einem Jahr. Mittlerweile müssen die Behörden eigentlich gut eingespielt sein. Da erwarten wir eigentlich ein bisschen mehr."

    Doch Deutschland werde seiner Verantwortung als Chemieland Nummer eins in Europa gerecht, meint Christoph Schulte vom Umweltbundesamt. Deutschland habe immerhin acht gefährliche Stoffe für die Zulassung nominiert. Das sei mehr als jeder andere Staat. Unter anderem soll der Einsatz von Disobutylphthalat – einer der umstrittenen Weichmacher – streng reguliert werden.

    "Und ich denke, das ist ein sehr eindeutiges Zeichen an die PVC-Industrie, sich hier doch jetzt mal nach Alternativen umzusehen. Ich weiß, dass es Fettsäureester gibt, die auch sehr gute weich machende Eigenschaften für PVC haben. Die sind vielleicht für die Großproduktion noch nicht so geeignet, aber da müssen halt Entwicklungsschritte geleistet werden."

    Deutschland hat auch fünf Anthracenöle für die Kandidatenliste vorgeschlagen. Das sind Stoffgemische, die als Weichmacheröle Gummiprodukte wie Griffe von Werkzeugen oder Badelatschen geschmeidig machen. Sie enthalten krebserregende Substanzen, so Christoph Schulte.

    "Diese polyaromatisierten Kohlenwasserstoffe sind leichtflüchtig. Das heißt, sie gehen aus den Produkten raus und werden dann inhaliert. Und das ist genau das Problem. Gleichzeitig sind sie noch persistent, bioakkumulierend. Also, das heißt, von ihren Umwelteigenschaften genau das, was wir uns nicht wünschen."

    Im Herbst entscheidet ein Ausschuss der Mitgliedsstaaten darüber, ob das Phthalat und die Anthracenöle zu Kandidaten für die Zulassung werden. Christoph Schulte ist zuversichtlich, da die wissenschaftlichen Daten eindeutig seien. Im einem nächsten Schritt könnten dann verbrauchernahe Anwendungen solcher Stoffe etwa in Badelatschen verboten werden, hofft Jurek Vengels vom BUND.

    "Auf der anderen Seite hat der Verbraucher auch ein Informationsrecht über diese Stoffe. Das heißt, wenn ein Stoff auf der Liste steht, kann er bei einer Firma anfragen, ob einer dieser Stoffe in einem Produkt enthalten ist und muss dann eine Auskunft bekommen."

    Und er kann sich dann bewusst für oder auch gegen den Kauf eines Produktes entscheiden. Damit dieses neue Auskunftsrecht auch wirklich wirkt, wünscht sich Jurek Vengels, dass weit mehr gefährliche Substanzen auf der Kandidatenliste für die Zulassung stehen. Das wird auch geschehen, meint jedenfalls Christoph Schulte vom Umweltbundesamt.

    "Wir haben beim letzten Treffen der zuständigen Behörden aller Mitgliedsstaaten unsere Hilfe angeboten, wie auch andere erfahrene Mitgliedsstaaten. Und wir haben auch schon Anfragen. Also, das Interesse ist da. Und ich habe das Gefühl, die Zurückhaltung ist wirklich so ein bisschen zum einen den Ressourcen geschuldet und zum anderen der noch nicht so ausgeprägten Expertise."

    In den kommenden Jahren könnten also weit mehr Chemikalien für die Zulassung vorgeschlagen werden. Umwelt- und Verbraucherschützer würde das freuen.