Das kann doch nicht alles gewesen sein: "Wahnsinn!" ist eine der meistgebrauchten Vokabeln im Herbst 1989, die Normalität des freien Wortes eine Sensation.
Auf den Straßen Leipzigs werden die Phrasen der greisen DDR-Kaste niedergeschrien. Euphorie, Ratlosigkeit, Verzweiflung: Der erstaunte Schrecken beim Umgang mit Freiheit von Wort und Tat setzt Emotionen frei, jenseits von klugen Analysen und altklugen Besserwissereien. Die Parole "Wir sind das Volk" mutiert zu "Wir sind ein Volk". Mit Originaltönen vom Frühjahr 1989 bis zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 erinnert die Lange Nacht an das Lebensgefühl der Menschen im plötzlich offenen Deutschland.
Auf der Kippe - Originaltöne zur Wende 1989/90
Geschichte entsteht nicht primär durch Raum und Zeit. Es sind die Menschen, die Geschichte schaffen. Das gilt allgemein, vorrangig aber für die Zeitgeschichte, die Erlebnis, Erfahrung und Erinnerung vereinigt. Persönliche Erlebnisse sind deshalb wichtige Gedächtnisstützen für die Zeitgeschichte, vor allem in ihren Brennpunkten.
Der Fall der Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten, zwischen zwei Weltsystemen am 9. November 1989 ist ein solcher Fokus - heiß ersehnt oder zumindest erwünscht, aber von keinem tatsächlich für möglich gehalten. Wer erinnert sich an die Wochen davor? An den rasanten Wandel in den Monaten danach, der das Leben für manche wie Kino erscheinen ließ, für einige sogar mit Begrüßungsgeld am Einlass?
Heute - im Rückblick - eröffnen Tonaufnahmen aus jenen Tagen teils überraschende, teils vergessene Momente. Euphorie, Hoffnung, Verunsicherung, Enttäuschung bei den "Bürgern" hüben wie drüben, beschämende Unbelehrbarkeit bei den meisten Machthabern des Übergangs. Agonie der Herrschaft - damals in verräterischen Floskeln und Forderungen dokumentiert - sind heute spannende Belege für diesen deutsch-deutschen Umbruch.
Aus zahllosen Sendestunden herausgefilterte Originaltöne zur deutschen Einheit spiegeln in Schlaglichtern aus Politik, Wirtschaft und Kultur die Stimmungslage der Nation 1989/90. Ergänzt wird dieses Kaleidoskop durch persönliche Schilderungen und Interpretationen der Journalisten Jürgen Leinemann und Alexander Osang, Rainer Burchardt und Monika Künzel.
Zeittafel der Wende
Februar 1989
Der Anfang vom Ende des Ostblocks
Das Zentralkomitee der ungarischen Unabhängigen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) beschließt, das Machtmonopol der kommunistischen Partei durch ein Mehrparteiensystem zu ersetzen und das Grenzsicherungssystem zu Österreich zu verändern. Ungarn beginnt mit weitreichenden demokratischen Reformen.
April 1989
Honecker will sozialistisches Gesellschaftssystem verteidigen
Erich Honecker teilt den Ersten Sekretären der SED-Bezirksleitungen mit, dass die DDR alles tun werde, um "zur Verteidigung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse in Ungarn" beizutragen.
Mai 1989
Der "Eiserne Vorhang" wird demontiert
Ungarische Grenzsoldaten durchtrennen den "Eisernen Vorhang". Die Demontage des Stacheldrahtzauns zu Österreich beginnt.
Juni 1989
Ungarn tritt der Genfer Flüchtlingskonvention bei
Der Beitritt Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention ist vollzogen. Die Genfer Konvention untersagt es, Flüchtlinge in den Staat zurückzuschicken, aus dem sie geflohen waren. Im Ministerium für Staatssicherheit in Ost-Berlin löst der ungarische Beitritt zur Flüchtlingskonvention angesichts eines intensiven Reiseverkehrs von DDR-Bürgern in den sozialistischen "Bruderstaat" starke Beunruhigung aus.
August 1989
Beginn der Botschaftsbesetzungen
Etwa 200 DDR-Bürger flüchten in die bundesdeutsche Botschaft in Budapest. Auch in Prag, Warschau und in der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin suchen DDR-Bürger Zuflucht.
Am 19. August kommt es zur größten Massenflucht von DDR-Bürgern seit dem Mauerbau.
Das ungarische Demokratische Forum und weitere Oppositionsgruppen haben zu einem "paneuropäischen Picknick" an die ungarisch-österreichische Grenze bei Sopron geladen. Durch die symbolische Öffnung eines Grenztores und eine "einmalige Grenzüberschreitung" soll für ein geeintes Gesamteuropa demonstriert werden. Weit über 600 DDR-Bürger flüchten nach Österreich. Am 25. August empfangen Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher den ungarischen Ministerpräsidenten Nemeth und Außenminister Horn zu einem Gespräch über das Flüchtlingsproblem. Drei Tage später verlautet aus dem ungarischen Außenministerium, das Flüchtlingsproblem werde "in kurzer Zeit" geregelt werden.
September 1989
Unabhängige Oppositionsgruppen gründen sich in der DDR
In ungarischen Auffanglagern warten mehr als 3500 Ausreisewillige. In Bayern hat der Aufbau von Zeltstädten begonnen. Auch andere Bundesländer richten Unterkünfte ein. Am 10. September gestattet die ungarische Regierung ohne Abstimmung mit Ost-Berlin allen Fluchtwilligen die Ausreise in den Westen. Bis Ende September gelangen circa 25.000 Übersiedler über die ungarisch-österreichische Grenze in den Westen. Die Bundesregierung erwartet, für die mehreren Hundert DDR-Bürger in der deutschen Botschaft in Warschau bald eine Lösung zu finden. Problematisch ist die Situation in der Prager Botschaft, wo sich mehrere Tausend Menschen aufhalten. Am 30. September schließlich kann Bundesaußenminister Genscher den Prager Botschaftsflüchtlingen mitteilen, dass sie noch am gleichen Abend in die Bundesrepublik ausreisen dürfen. Diese Entscheidung, die von Erich Honecker persönlich gefällt wurde, gilt auch für die Flüchtlinge in der Warschauer Botschaft. Mit Sonderzügen der DDR-Reichsbahn kommen viele Tausend DDR-Flüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass es zum offenen Protest in der DDR kommt. Bereits Mitte September waren in Leipzig Hunderte von Demonstranten im Anschluss an das Friedensgebet in der Nikolaikirche auf die Straße gegangen. Oppositionelle gründen unabhängige Gruppen wie das "Neue Forum", "Demokratie Jetzt" oder den "Demokratischen Aufbruch".
In der letzten Septemberwoche, 14 Tage vor dem als Großveranstaltung geplanten 40. Jahrestag der DDR, weist Erich Honecker die Ersten Sekretäre der Bezirksleitungen an, "dass diese feindlichen Aktionen im Keime erstickt werden müssen..." An der Leipziger Montagsdemonstration am 25. September beteiligen sich mehr als 5000 Menschen.
Oktober 1989
Weiter Massendemonstrationen - 40. Jahrestag der DDR-Gründung
In Leipzig demonstrieren nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche mehr als 20.000 Menschen für Reformen in der DDR. In Dresden kommt es vor dem Hauptbahnhof zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und rund 3000 ausreisewilligen Menschen. Demonstrationen in Ost-Berlin, Leipzig, Dresden, Jena und Potsdam werden gewaltsam aufgelöst. Es ist der 7. Oktober, der 40. Jahrestag der DDR-Gründung. Michail Gorbatschow, der dem Festakt zur Staatsgründung in Ost-Berlin beiwohnt, setzt reformerische Akzente. Seine öffentliche Äußerung "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" wird als Hinweis an die SED-Spitze verstanden, endlich einen Erneuerungsprozess in der DDR einzuleiten. Die Anwendung staatlicher Gewalt gegen Demonstranten scheint trotz Gorbatschows Mahnung zu eskalieren. Stasi-Chef Mielke ordnet "volle Dienstbereitschaft" für alle Angehörigen des MfS sowie die Bereithaltung ausreichender Reservekräfte an. In Leipzig demonstrieren am 9. Oktober nach dem traditionellen Friedensgebet rund 70.000 Menschen für demokratische Erneuerungen; die Sicherheitskräfte greifen nicht ein. Am 12. Oktober fällt im Politbüro der Entschluss, Honecker zu stürzen. Der Staats- und Parteichef sagt eine geplante Auslandsreise ab. Auf der Politbüro-Sitzung am 17. Oktober schließlich stellt Willi Stoph den Antrag, Erich Honecker von sämtlichen Funktionen zu entbinden. Am Ende stimmt Honecker seiner eigenen Ablösung nach 18-jähriger Herrschaft zu. Auf der neunten Tagung des ZK am 18. Oktober wird Erich Honecker formal auf seinen Wunsch "aus gesundheitlichen Gründen" von seinen Funktionen (Generalsekretär des ZK, Mitglied des Politbüros, Vorsitzender des Staatsrates, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates) entbunden. Egon Krenz wird zum Generalsekretär des ZK gewählt. Auch die bisherigen ZK-Sekretäre Günter Mittag und Joachim Herrmann verlieren ihren Sitz im Politbüro und ihre Funktionen. Bereits einen Tag später wird in einer Sitzung des DDR-Ministerrates der Innenminister beauftragt, "umgehend" einen Gesetzentwurf "über Reisen von Bürgern der DDR ins Ausland" vorzubereiten. Trotz des Machtwechsels im Politbüro breitet sich die Protestbewegung in der DDR weiter aus: In der letzten Oktoberwoche beteiligen sich mehr als eine halbe Million Menschen an Demonstrationen gegen das SED-Regime. Der Staatsrat erlässt eine umfassende Amnestie für Demonstranten und Flüchtlinge. Der Druck von DDR-Flüchtlingen auf bundesdeutsche Botschaften steigt wieder an.
November 1989
Rücktritte im DDR-Politbüro und Öffnung der Mauer
Mehrere Politbüro-Mitglieder, unter anderem Stasi-Chef Erich Mielke, sowie der Vorsitzende des FDGB, Harry Tisch, der Vorsitzende der DDR-CDU, Gerald Götting und Margot Honecker als Volksbildungsministerin treten von ihren Ämtern zurück. Auf der bislang größten nicht von der SED veranstalteten Kundgebung in der DDR demonstrieren am 4. November in Ost-Berlin weit mehr als 500.000 Menschen für mehr Demokratie in der DDR. Schriftsteller wie Christa Wolf, Stefan Heym und Christoph Hein wenden sich an die Menge. Die Demonstranten fordern unter anderem ein neues Reisegesetz ohne Einschränkungen. Am 7. 11. tritt die DDR-Regierung geschlossen zurück; am 8.11. das Politbüro. Einen Tag später, am Abend des 9. November, öffnet die DDR die Mauer, die Grenzübergänge zur Bundesrepublik Deutschland und nach West-Berlin. Nach 28 Jahren ist die Mauer faktisch gefallen. Tausende strömen in den Westteil der Stadt, werden von den Bundesbürgern begeistert empfangen. Bis zum Monatsende reisen Millionen aus der DDR in die Bundesrepublik. Hans Modrow, der neue Vorsitzende des DDR-Ministerrats, präsentiert der Volkskammer ein neues Kabinett. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten steht für die neue DDR-Regierung weiterhin nicht zur Diskussion. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters kommt zu politischen Gesprächen nach Ost-Berlin. Auf Kundgebungen fordern die Bürger der DDR weiter demokratische Erneuerungen und die Wiedervereinigung: "Wir sind ein Volk", "Deutschland - einig Vaterland", so lauten die Parolen. In Bonn legt Bundeskanzler Kohl ein Zehn-Punkte-Programm zur Deutschlandpolitik vor. Endziel: ein Zustand des Friedens in Europa, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wieder erlangen kann. Namhafte Persönlichkeiten der DDR fordern mit dem Appell "Für unser Land" die Bewahrung der Eigenständigkeit der DDR.
Dezember 1989
Verzicht auf Führungsanspruch der SED - ZK und Politbüro treten zurück
Die Volkskammer beschließt, den in der Verfassung der DDR verankerten Führungsanspruch der SED zu streichen. Die Abgeordneten debattieren offen über Amtsmissbrauch, Korruption, Privilegien und Bereicherungen der ehemals führenden Altfunktionäre. Unter dem Druck anhaltender Massendemonstrationen treten das ZK und das neu gewählte Politbüro der SED mit Egon Krenz als Generalsekretär geschlossen zurück. Honecker, Mielke und andere werden förmlich aus der SED ausgeschlossen, andere ehemals führende Funktionäre werden verhaftet. Der Machtverfall der SED schreitet rapide voran. Egon Krenz erklärt seinen Rücktritt als Vorsitzender des Staatsrates und Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates. Am 6. Dezember beschließt der Staatsrat eine weitgehende Amnestie für Strafgefangene.
Ein außerordentlicher Parteitag der SED wählt Gregor Gysi zum neuen Vorsitzenden und beschließt die Umbenennung in SED-PDS ("Partei des demokratischen Sozialismus"). Der Ost-Berliner Generalstaatsanwalt leitet ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Honecker, Mielke, Stoph und andere Alt-Funktionäre ein. Hans Modrow und Rudolf Seiters beschließen die Einrichtung eines gemeinsamen Devisenfonds. Es beginnen erste Gespräche zwischen politischen Parteien und Oppositionsgruppen in Form sogenannter Runder Tische. Am 19. Dezember trifft Bundeskanzler Kohl zu einem Besuch in Dresden ein. Im Anschluss an ihre Unterredungen verkünden Kohl und Modrow unter anderem, dass eine Vertragsgemeinschaft zwischen beiden Staaten für das Frühjahr 1990 in Aussicht genommen wird. Das Brandenburger Tor wird für den Besucherverkehr geöffnet. Fast 350.000 Übersiedler sind im Jahr 1989 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. In seiner Neujahrsansprache stellt Bundeskanzler Kohl die deutsche Einheit in den Gesamtrahmen der europäischen Einigungsbestrebung.
Januar 1990
Sturm auf die Stasi-Zentrale
Unter dem Druck der Opposition rückt Ministerpräsident Hans Modrow von seinen Plänen ab, einen Verfassungsschutz und einen Nachrichtendienst zu schaffen. Die bereits im Dezember 1989 beschlossene Auflösung des MfS-Nachfolgers "Amt für Nationale Sicherheit" ist noch nicht vollzogen. Am 15. 1. stürmen Demonstranten die ehemalige Stasi-Zentrale in der Ost-Berliner Normannenstraße und verwüsten sie teilweise. In zahlreichen Städten der DDR demonstrieren Hunderttausende gegen die "Restaurationspolitik der SED-PDS und ihres Sicherheitsapparates". Die konsequente Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit wird gefordert. Ende Januar zieht die DDR-CDU ihre drei Minister aus der Regierung Modrow zurück. Bei Verhandlungen zwischen dem Ministerpräsidenten und dem "Runden Tisch" wird vereinbart, die Volkskammerwahl am 18. März - vorgezogen - durchzuführen. Die Lage der DDR-Wirtschaft verschlechtert sich durch Warnstreiks und Ausfälle kontinuierlich und soll durch die Bildung einer "Regierung der nationalen Verantwortung" stabilisiert werden. Die Sozialdemokratische Partei in der DDR beschließt ihre Umbenennung von SDP in SPD und bekennt sich - ähnlich wie die DDR-CDU - zur "Einheit der deutschen Nation".
Februar 1990
Sowjetunion akzeptiert nationale Einheit der Deutschen - Erste Schritte zur Wirtschafts- und Währungsunion
DDR-Ministerpräsident Modrow legt seine "Konzeption für den Weg zu einem einheitlichen Deutschland" vor. Die Volkskammer bestätigt die mit dem "Runden Tisch" vereinbarte "Regierung der nationalen Verantwortung". Acht neue Minister ohne Geschäftsbereich werden in der Kabinettsliste aufgeführt. Beschlossen wird auch die uneingeschränkte Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit. Fortan ist jede Zensur verboten. Fast alle Parteien in der DDR befürworten die deutsche Einheit. Die FDP der DDR konstituiert sich in Ost-Berlin; Grüne und Frauenverband schließen ein Wahlbündnis, die konservativen Parteien die "Allianz für Deutschland", die oppositionellen Bürgerrechtsbewegungen schließen sich zum Bündnis 90 zusammen. Am 10. Februar reisen Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher zu einem Blitzbesuch nach Moskau. Sie erhalten Gorbatschows Zustimmung, dass die Sowjetunion die Entscheidung der Deutschen respektiert, in einem Staat zu leben. Die Außenminister der zwei deutschen Staaten und der vier alliierten Mächte stimmen darin überein, auf 2+4-Konferenzen die Aspekte der deutschen Wiedervereinigung sowie Sicherheitsfragen der Nachbarn zu erörtern. Die deutsche Frage ist wieder auf der Tagesordnung der internationalen Politik. Deutschland will NATO-Mitglied bleiben. Nach einem Gespräch mit seinem DDR-Amtskollegen warnt Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl vor einer schnellen Einführung der D-Mark in der DDR. Die Bundesregierung erklärt aber ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit der DDR über eine "Währungsunion mit Wirtschaftsreform".
März 1990
Sozialcharta und erste freie Volkskammer-Wahl
Der DDR-Ministerrat beschließt die Gründung einer Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung von Volkseigentum. Der "Runde Tisch" verabschiedet eine Sozialcharta als Verhandlungsgrundlage für die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion. Das Recht auf Arbeit, Wohnen und Bildung, die Demokratisierung und Humanisierung des Arbeitslebens, die Gleichstellung von Mann und Frau sind unter anderem als soziale Sicherheiten festzuschreiben. Am 7. März - auf ihrer letzten Sitzung vor der ersten freien Volkskammerwahl - billigt die Volkskammer die Sozialcharta mit großer Mehrheit. Der "Runde Tisch" spricht sich auf seiner letzten Sitzung noch einmal gegen die Übertragung des Grundgesetzes durch den Beitritt der DDR aus. In Leipzig kommt es zur letzten Montagsdemonstration. In Ost-Berlin trifft sich die Expertenkommission Bundesrepublik Deutschland/DDR für die Währungsunion zu einer Beratungsrunde. Bundeskanzler Kohl erklärt bei einer Wahlkampfveranstaltung, kleinere Sparkonten in der DDR würden eins zu eins umgestellt; weiter bekennt sich der Kanzler zum dauerhaften Bestand der polnischen Westgrenze. Bis unmittelbar vor der Volkskammerwahl hält der Strom von Übersiedlern aus der DDR in die Bundesrepublik an.
Am 18. März finden die ersten freien Wahlen zur Volkskammer statt. Die Wahlbeteiligung liegt bei über 93 Prozent. Das konservative Wahlbündnis "Allianz für Deutschland" geht als Sieger hervor. Lothar de Maizière, der Vorsitzende der DDR-CDU, kandidiert für das Amt des Ministerpräsidenten in einer Koalition mit den Liberalen. Gregor Gysi wird zum Fraktionsvorsitzenden seiner Partei in der Volkskammer gewählt, Hans Modrow wird von der PDS-Fraktion als Kandidat für das Amt des Volkskammerpräsidenten vorgeschlagen. Die Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne fordert eine Sicherheitsüberprüfung aller 400 Abgeordneten. Die Bundesregierung einigt sich darauf, dass eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der DDR bis zur parlamentarischen Sommerpause erreicht werden soll. Bundesfinanzminister Theo Waigel erklärt, die Bundesregierung habe sich auf die Einführung der D-Mark in der DDR bis zu diesem Zeitpunkt eingerichtet. Die Deutsche Bundesbank plant bei der Einführung der D-Mark in der DDR ein Umtauschverhältnis von 2:1.
April 1990
Lothar de Maizière wird neuer Ministerpräsident - Prüfung von Stasi-Kontakten
Der Bundesbank-Vorschlag zur Konvertierung von DDR- in D-Mark löst bei der Bevölkerung große Unruhe aus. Am 5. April konstituiert sich die erste frei gewählte Volkskammer; Lothar de Maizière wird mit der Regierungsbildung beauftragt, und am 12.4. zum Ministerpräsidenten gewählt. Mehrheitlich stimmen die Volkskammer-Abgeordneten einem Beschluss über die Aufgaben eines zeitweiligen Prüfungsausschusses zu, der eventuelle Verbindungen der Abgeordneten zum früheren Staatssicherheitsdienst überprüfen soll. Die Bundesregierung schlägt der DDR-Regierung am 23. April die Bildung einer Währungsunion mit einem Umtauschkurs von eins zu eins für Löhne und Gehälter, Renten, Bargeld und Sparguthaben bis zu 4000 Mark pro Person vor. Wenig später verabreden Kohl und de Maizière, dass die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 in Kraft treten soll. Rudolf Seiters und der stellvertretende Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer verhandeln in Ost-Berlin über den Staatsvertrag. Ein außerordentlicher EG-Gipfel in Dublin endet mit einmütiger Zustimmung zur Vereinigung Deutschlands.
Mai 1990
Der Staatsvertrag tritt in Kraft
Erstmal seit 44 Jahren findet wieder eine gesamtdeutsche Maikundgebung statt. Der Vorstand der Einheitsgewerkschaft FDGB beschließt in der zweiten Maiwoche angesichts einer bevorstehenden Spaltung seine Auflösung. Wegen des zu erwartenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit in der DDR nach der Währungsunion sagt die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit der DDR Unterstützung beim Aufbau von Arbeitsämtern zu. Die deutsch-deutsche Expertenkommission einigt sich auf einen Entwurf für den Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Die Finanzierung des Staatsvertrages ist bis zum 14. Mai nicht vollständig geklärt. Bundeskanzler Helmut Kohl kündigt am 15. Mai an, dass noch 1990 gesamtdeutsche Wahlen stattfinden sollen. Bund und Länder einigen sich am 16. Mai endgültig auf ein gemeinsames Finanzierungsmodell für den Vereinigungsprozess und beschließen die Gründung eines "Fonds Deutsche Einheit" über 115 Milliarden Mark. Am 18. Mai wird der Staatsvertrag unterzeichnet. Der entscheidende Schritt zur staatlichen Einheit ist vollzogen.
Juni 1990
Dramatischer Anstieg der Arbeitslosenzahl in der DDR
Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl befürchtet im Zusammenhang mit den Kosten der deutschen Einheit Zinserhöhungen als "unausweichliche Konsequenz"; der DDR-Wirtschaftsminister soziale Unruhen. Die DDR sieht sich mit einem bis dahin unbekannten Phänomen konfrontiert: Anfang Juni gibt es mehr als 100.000 Arbeitslose. Der Ministerrat berät über ein neues Treuhandgesetz, das die Umwandlung von Kombinaten und volkseigenen Betrieben in Kapitalgesellschaften regelt. Der sowjetische Präsident Gorbatschow spricht sich nach einem Gipfeltreffen mit US-Präsident George Bush für eine möglichst gleichzeitige Lösung der inneren und äußeren Aspekte der deutschen Vereinigung aus: Strittig ist immer noch die deutsche NATO-Mitgliedschaft. Die Nationale Volksarmee wird in eine Ausbildungs- und Basisarmee umgewandelt. Die Ausschüsse "Deutsche Einheit" von Volkskammer und Bundestag einigen sich auf eine Erklärung zur Anerkennung der polnischen Westgrenze. Das Ost-Berliner Kabinett kann sich noch nicht auf einen Termin für gesamtdeutsche Wahlen verständigen; es gibt unterschiedliche Auffassungen über das Tempo der politischen Vereinigung. Am 21. Juni stimmen beide deutsche Parlamente dem Staatsvertrag zu, einen Tag später auch der Bundesrat. Der alliierte Kontrollpunkt in Berlin, "Checkpoint Charlie" an der Friedrichstraße, wird im Beisein der Außenminister der vier Siegermächte beseitigt. Bundespräsident Richard von Weizsäcker plädiert für Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz eines vereinigten Deutschlands.
Juli 1990
Termin für gesamtdeutsche Wahlen - Deutschlands NATO-Mitgliedschaft
Die D-Mark wird zum Zahlungsmittel in der DDR; die Währungsunion ist vollzogen. Mit einem Massenansturm auf westdeutsche Geschäfte reagieren DDR-Kunden am ersten verkaufsoffenen Samstag seit der Währungsumstellung auf vielfach überhöhte Preise und Angebotslücken in der DDR. Die Bonner Koalition aus CDU/CSU und FDP einigt sich auf den 2. Dezember als Termin für gesamtdeutsche Wahlen. Die Ost-CDU spricht sich dafür aus, dass es für die erste gesamtdeutsche Wahl zwei Wahlgebiete mit unterschiedlichen Wahlmodi geben soll. Der Streit in der Regierungskoalition um den Termin der deutschen Vereinigung verschärft sich; schließlich bricht die Regierung de Maizière auseinander. Die gemeinsam tagenden Parlamentsausschüsse "Deutsche Einheit" von Bundestag und Volkskammer verständigen sich in Bonn darauf, dass die gesamtdeutsche Wahl am 2. Dezember in einem Wahlgebiet und nach einem Wahlrecht stattfinden soll. Die liberalen Minister im Kabinett de Maizière signalisieren die Bereitschaft zu weiterer Mitarbeit, auch die Sozialdemokraten lenken ein. Ministerpräsident de Maizière schlägt vor, dass die Volkskammer noch vor den gesamtdeutschen Wahlen den Beitritt zur Bundesrepublik beschließt. Bundeskanzler Kohl reist Mitte Juli nach Moskau, um mit der sowjetischen Führung die noch offene Bündnisfrage eines vereinigten Deutschland zu klären. Ein Durchbruch gelingt; das geeinte Deutschland soll "selbst und frei" darüber entscheiden, welchem Bündnis es angehören möchte.
August 1990
Beitrittstermin 3. Oktober
Der Einigungsvertrag nimmt Konturen an. Von DDR-Seite wird unter anderem angestrebt, dass Berlin Hauptstadt und Regierungssitz des gesamtdeutschen Staates werden soll. Ministerpräsident Lothar de Maizière will nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Kohl überraschend den Termin der gesamtdeutschen Wahlen vorverlegen. Wieder eskaliert in der DDR der Parteienstreit um den Wahltermin; de Maizière bildet sein Kabinett um. Die Ost-SPD steigt nach der Entlassung von Finanzminister Walter Romberg aus der Koalition aus und macht ihre Zustimmung zum Einigungsvertrag von sozialen Forderungen abhängig. Am 23. August beschließt die DDR-Volkskammer auf einer Sondersitzung den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990. Entgegen den Entwürfen im Einigungsvertrag votiert die Volkskammer dafür, die Akten der Staatssicherheit auf dem Gebiet der DDR zu belassen. Der Bundestag verabschiedet - gegen die Stimmen der Grünen - den gesamtdeutschen Wahlvertrag. Am 31. August wird in Ost-Berlin der deutsch-deutsche Einigungsvertrag unterschrieben. Dieser zweite Staatsvertrag regelt Einzelheiten des DDR-Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland. Der 3. Oktober wird gesetzlicher Feiertag als Tag der Deutschen Einheit.
September 1990
Deutschlandvertrag / Stasi-Akten
Die 2+4-Verhandlungen über die äußeren Aspekte der deutschen Vereinigung gehen in die letzte Phase. Am 12. September schließlich wird in Moskau der "Vertrag über die endgültige Regelung in Bezug auf Deutschland" abgeschlossen. Er legt unter anderem fest, dass die Rechte der Alliierten erlöschen und ein deutscher Staat seine volle Souveränität erhält. Bundesaußenminister Genscher betont nach der Unterzeichnung, dies sei eine historische Stunde für Europa und "eine glückliche Stunde für Deutschland". Eine Gruppe von Bürgerrechtlern besetzt seit Anfang September die ehemalige Stasi-Zentrale; die Bürgerrechtler fordern unter anderem die Übergabe der Akten an die Betroffenen. Bonn und Ost-Berlin erzielen am 19. September eine Einigung über den künftigen Umgang mit Stasi-Unterlagen. Die DDR-Regierung ernennt Joachim Gauck zum Sonderbeauftragten für den Umgang mit Stasi-Akten. Am 20. September stimmen die beiden deutschen Parlamente in Bonn und Ost-Berlin dem Einigungsvertrag zu. Sozialdemokraten beider Teile Deutschlands beschließen auf getrennten Parteitagen ihre Vereinigung. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) löst sich als Dachverband endgültig selbst auf.
Oktober 1990
Deutschlands Wiedervereinigung
CDU-Verbände aus dem noch geteilten Deutschland schließen sich zu einer gesamtdeutschen CDU zusammen. Auf dem Vereinigungsparteitag in Hamburg wird Bundeskanzler Kohl mit einem Rekordergebnis zum ersten gesamtdeutschen Parteichef gewählt; Lothar de Maizière wird sein einziger Stellvertreter. Am 2. Oktober löst sich die DDR-Volkskammer mit einer Festsitzung auf. Mit der Verabschiedung der westalliierten Stadtkommandanten in Berlin wird nach 45 Jahren der Besatzungsstatus Berlins beendet. Senat und Magistrat von West- beziehungsweise Ost-Berlin verabschieden eine gemeinsame Erklärung, in der es heißt: "Von morgen an ist das wiedervereinigte Berlin die Hauptstadt des vereinten Deutschland". In Berlin beginnt ein großes "Fest der Einheit" vor dem Reichstagsgebäude, das bis zum nächsten Tag dauert. Am 3. Oktober wird der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Art. 23 wirksam. Damit endet die Existenz der DDR. Nach 45 Jahren ist die staatliche Einheit Deutschlands wiederhergestellt.
Literaturtipps:
Andreas Rödder
Deutschland einig Vaterland
Die Geschichte der Wiedervereinigung.
2009 Beck
Schon den Zeitgenossen war klar: 1989/90 erlebten sie Weltgeschichte. Der Zusammenbruch des Ostblocks, der Fall der Mauer, das Ende der DDR, die Wiedervereinigung Deutschlands beendeten eine Epoche, die im Zeichen der Weltkriege und des Ost-West-Konflikts gestanden hatte. Ein neues Zeitalter begann. Dieses Buch erzählt, wie alles geschah. Andreas Rödder legt auf der Grundlage intensiver Quellenforschungen und zahlreicher Gespräche mit Zeitzeugen die erste historisch fundierte Geschichte der deutschen Wiedervereinigung vor. Seine spannend geschriebene Darstellung führt uns in die Machtzentrale des Kremls, wo Michail Gorbatschow mit seiner Reformpolitik einen Wandel einleitet, dessen Eigendynamik schon bald außer Kontrolle gerät, sie lässt uns teilhaben an den Krisensitzungen des Honecker-Regimes und den geheimen Treffen der Bürgerrechtsbewegung und führt uns durch die dramatischen Tage der großen Demonstrationen und des Mauerfalls. Kritisch wägt Rödder die Stärken und Schwächen der Politik Helmut Kohls ab, der mit dem Zehn-Punkte-Plan die deutschlandpolitische Initiative an sich zog und den Einigungsprozess maßgeblich ausgestaltete. Andreas Rödders Buch ist eine souveräne, sorgfältig differenzierende und mit großer Sensibilität für die unterschiedlichen Perspektiven von West- und Ostdeutschen geschriebene Gesamtdarstellung der deutschen Einheit.
Alexander Osang
89
Helden-Geschichten.
2004 Fischer (TB.), Frankfurt
Ostzeit
Geschichten aus einem vergangenen Land. Katalog zur Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 2009. Dtsch.-Engl. Hrsg.: OSTKREUZ Agentur der Fotografen.
Text: Markus Jauer, Wolfgang Kil u. Alexander Osang
2009 Hatje Cantz Verlag
20 Jahre Mauerfall. Ostzeit präsentiert Fotoserien der besten Chronisten der DDR aus dem erstklassigen Bestand der Agentur Ostkreuz. 1990 von Fotografen aus Berlin und Leipzig nach dem Autorenprinzip gegründet, war ihr Namenspate der Berliner S-Bahnhof zwischen Friedrichshain und Lichtenberg. Hier musste durch, wer in den Osten wollte. Ostzeit offeriert sensible Bilder der DDR und ihrer Menschen: Sibylle Bergemanns unerreicht menschlichen Bilder von Clärchens Ballhaus. Werner Mahlers Langzeitstudie über das thüringische Berka. Harald Hauswalds fotografischer Essay über Tristesse und versteckte Komik des DDR-Alltags. Ute Mahlers demaskierende Fotos der Berliner Maiparade 1980. Die Dokumentation des Franzosen Maurice Weiss von den letzten Stunden vor dem Mauerfall und der Wendezeit. Und nicht zuletzt Sibylle Bergemanns emblematische Bilder zur Entstehung und Montage des Marx-Engels-Denkmals, die es ironischerweise bis in die Kunstsammlung des Deutschen Bundestags geschafft haben.
Die Nacht, in der die Mauer fiel
Schriftsteller erzählen vom 9. November 1989. Originalausgabe.
Herausgeber: Renatus Deckert
2009 Suhrkamp
Der 9. November 1989 ging in die Geschichtsbücher ein: Die auf einer Pressekonferenz der DDR-Regierung irrtümlich verlesene Mitteilung, Reisen in den Westen seien ab sofort möglich, löste einen Sturm auf die Berliner Mauer aus, dem sich die Grenzsoldaten nicht widersetzen konnten. Nach 28 Jahren öffnete sich der Eiserne Vorhang. Wer die Nacht, in der die Mauer fiel, nicht verschlief, feierte auf den Straßen von Berlin. 30 Autoren aus Ost und West lassen die historische Nacht Revue passieren. In persönlichen Texten, die eigens für dieses Buch geschrieben wurden, erzählen sie, was sie erlebten, was sie fühlten und wie sie sich heute daran erinnern.
Mein 9. November 1989
Eingeleitet und herausgegeben von Heribert Schwan und Rolf Steininger .
Mit Beitr. v. Hans Apel, Egon Bahr, Kurt Biedenkopf unter anderem .
2009 Artemis & Winkler
Der 9. November 1989 ist wohl der glücklichste Tag der Deutschen im 20. Jahrhundert. Wie wichtige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur den Fall der Mauer erlebten, haben Heribert Schwan und Rolf Steininger in über 40 Interviews von Hans Apel über Egon Bahr, Norbert Blüm bis hin zu Michail S. Gorbatschow, Günter Schabowski, Wolfgang Schäuble und Wolfgang Thierse festgehalten.
Entstanden ist ein einmaliges Zeitzeugnis deutscher Geschichte, das alle Freuden und Ängste, Zweifel und Gewissheiten der am Einigungsprozess Beteiligten nachvollziehbar macht. Ein emotionaler und persönlicher Rückblick auf die friedliche Revolution.
Mein 9. November
Der Tag, an dem die Mauer fiel.
Herausgeber: Alfred Neven DuMont
2009 DuMont Buchverlag
Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Ein Land, 40 Jahre zweigeteilt, wurde wieder eines. Für viele Deutsche wendete sich an diesem Tag auch ihr persönliches Leben. Dieses Buch erzählt Geschichten von Menschen, für die der 9. November in doppelter Hinsicht ein ganz besonderer Tag ist: der Geburtstag des vereinigten Deutschland und ihr eigener. Männer und Frauen, Nichtprominente und Prominente wie Björn Engholm, der Liedermacher Michael Kunze, Peter Hahne und der Schauspieler Erol Sander geben Auskunft, was der 9. November für sie bedeutet. Welches Bild haben sie von dem geteilten und dem wiedervereinigten Deutschland? Wie gehen sie miteinander um, die "Wessis" und die "Ossis"? Und - wie hat sich ihr Leben in den 20 Jahren seit dem Mauerfall verändert? Der Bestsellerautor Richard David Precht erzählt in seinem einführenden Essay, was Brüche im Leben eines Menschen bedeuten, wie manch persönlicher und politischer Traum jäh enden und Platz machen kann für neue Gedanken, neue Träume, neue Ziele.
Hannes Bahrmann, Christoph Links
Bilderchronik der Wende
Erlebnisse aus der Zeit des Umbruchs 1989/90
Ch. Links Verlag, Berlin 1999
Hannes Bahrmann, Christoph Links
Chronik der Wende
Die Ereignisse in der DDR zwischen 7. Oktober 1989 und 18. März 1990
Ch. Links Verlag, Berlin 1999
Hans-Hermann Hertle, Kathrin Elsner
Mein 9. November
Der Tag, an dem die Mauer fiel
Nicolai Verlag, Berlin 1999
Wo die Mauer war
Where was the wall?
Nicolai Verlag, Berlin
Mit Fotos von Harry Hampel
Thomas Flemming, Hagen Koch
Die Berliner Mauer
Geschichte eines politischen Bauwerks
be.bra Verlag, Berlin 1999
Hermann Glaser
Die Mauer fiel, die Mauer steht
Ein deutsches Lesebuch 1989 - 1999
DTV, München 1999
Heinrich Senfft
Die sogenannte Wiedervereinigung
Rowohlt Berlin, 1999
Hans Pleschinski
Ostsucht
Ein Jugend im deutsch-deutschen Grenzland
C.H. Beck, München 1999
Klaus Kordon
Hundert Jahre & ein Sommer
Beltz&Gelberg, 1999
Kurz bevor das 20. Jahrhundert zu Ende geht, schreibt die Studentin Eva Seemann einen langen Brief an ihre Ururgroßmutter. Eva weiß von dieser Hermine kaum mehr, als dass sie seit über 50 Jahren tot ist; es gibt nicht einmal mehr ein Grab. Aber Eva besitzt ein Foto von ihr, und der jungen Frau darauf fühlt sie siech merkwürdig nahe. "Liebes Minchen", beginnt Eva ihren Brief und erzählt vom letzten Sommer: wie sie und Grigorij sich ineinander verliebt haben, wie sie zum ersten man ihren Großvater Robert, Minchens Enkel, in Berlin besuchte und was sie über ihre Familiengeschichte herausgefunden hat. Großvater Robert, einst ein gefeierter DDR-Schriftsteller, lebt noch im selben Haus, in dem vor hundert Jahren das Dienstmädchen Hermine Seemann arbeitete und wohnte. Klaus Kordons Roman schlägt einen Bogen vom Kaiserreichen bis ins wiedervereinigte Deutschland. Aus der Geschichte einer Familie und eines Hauses entsteht ein ebenso anschauliches wie tiefgreifendes Bild unseres Jahrhunderts. Ein Buch für Jugendliche - das insbesondere auch das Leben im geteilten Deutschland und die Geschichte des Mauerfalls spannend erzählt.
Jürgen Becker
Aus der Geschichte der Trennung
Suhrkamp, Frankfurt 1999
Der erste Roman des Lyrikers Jürgen Becker wäre nicht entstanden ohne den Fall der mauer vor zehn Jahren, ohne Wiedervereinigung. Seitdem reist Jörn Winter, ein Mann Ende sechzig, in jedem Jahr hin und her zwischen Elbe und Oder, Rügen und Thüringer Wald. Magischer Anziehungspunkt ist der in der Mark Brandenburg gelegene Schwieloch-See, wo 1946 seine Mutter ums Leben gekommen ist. Fünfzig Jahre nach ihrem nie geklärten Tod findet er den Weg dorthin.
Museumstipp:
Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth
Little Berlin - die Amerikaner nannten es "Little Berlin" - dieses 50-Seelen-Dorf, das als Symbol der deutschen Teilung galt. Seit Gründung der beiden deutschen Staaten gehörte der thüringische Teil des Ortes zum Territorium der DDR, die bayerische Hälfte zu dem der Bundesrepublik. 1952 entstanden die ersten Grenzsperranlagen. 1966 erfolgte der Bau einer 700 Meter langen und 3,30 Meter hohen Betonmauer, die bis zur "Wende" 1989 das Dorf teilte.
Im Freigelände sind große Teile der Sperranlagen im Original erhalten. Aufbau und Funktion des Grenzgebietes der DDR werden anschaulich demonstriert. Ein vier Kilometer langer Geschichtslehrpfad, eine Fahrzeugschau sowie erste Ausstellungsräume ergänzen das Freigelände. Bei Gruppenführungen erfährt der Besucher alles über die historischen Hintergründe, über die Aufgaben der Grenzsicherungs- und Grenzüberwachungsorgane beider deutschen Staaten. Vor allem aber über die außergewöhnlichen Lebensumstände, die im Grenzgebiet herrschten. Der Neubau eines Museumsgebäudes zur Präsentation der umfangreichen Sammlung ist in Planung.
Anschrift: Deutsch-Deutsches Museum, Mödlareuth 13, 5183 Töpen
Telefon: 092 95 / 1334
Öffnungszeiten: Täglich von 9.00-18.00 Uhr
Anfahrtsweg: A 72 Richtung Dresden, Ausfahrt Töpen
Video-Tipps:
Fünf Wochen im Herbst
Protokoll einer Revolution
Eine zeitgeschichtliche Dokumentation über den Wandel in der DDR.
Der Fall der Mauer
Eine zeitgeschichtliche Dokumentation zum 9. November 1989
Der Untergang der Stasi
Ende eines Überwachungsstaates
Der Weg zur Einheit
Vom Fall der Mauer bis zur Wiedervereinigung
Diese vier Videodokumentationen sind bei Spiegel TV erschienen:
Spiegel TV
Postfach 10 58 40
20039 Hamburg
Weiterführende Links:
20 Jahre Mauerfall- Schwerpunkt bei dradio.de
"Mauersplitter" - Originaltöne und -Interviews der friedlichen Revolution
http://www.mauerfall09.de/
Der Fall der Mauer ist im Jahr 2009 ein besonderes Thema für Berlin. Der Senat hat ein "Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer – Dokumentation, Information und Gedenken" verabschiedet und feiert den 20. Jahrestag des Mauerfalls mit einem Themenjahr.
http://www.mauerfall09.de/portal/grusswort.html
Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, zum Themenjahr "20 Jahre Mauerfall"
http://1989.dra.de/
Das Internetangebot "1989 – 1990: Wende-Zeiten. Bilder, Töne, Kommentare aus dem DDR-Fernsehen" bietet mit Themenseiten, Chroniken und Dokumenten interessante und ungewöhnliche Rückblicke auf den Mauerfall und seine Vor- und Nachgeschichte von Anfang 1989 bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.
http://berlin1989.com/ 1989 - 2009. Die Berliner Mauer
Künstler für Freiheit. Sammlung Sylvestre Verger"
Deutsches Historisches Museum
http://www.dhm.de/lemo/html/1989/ - Chronik 1989
http://www.dhm.de/lemo/html/1990/- Chronik 1990
http://www.bpb.de/themen/KGBNU7,0,Deutsche_Teilung_Deutsche_Einheit.html
Deutsche Teilung - Deutsche Einheit – Das Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung
http://www.politische-bildung.de/20_jahre-deutsche-einheit.html
20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit
http://www.wiedervereinigung.de/
Bibliographie zur Deutschen Einheit.
CD I
1. Wir sind das Volk!
2. HÖRBEISPIEL
3. Eröffnungscollage
4. Erich Honecker/ Karl Eduard v. Schnitzler/Straßenumfragen/Aktuelle Kamera/ Egon Krenz/ Gregor Gysi/ Stefan Hermlin/ Helmut Kohl/ Detlev Rohwedder/ Theo Waigel/ Norbert Blüm
5. Gehen oder bleiben?
6. Studiogespräch und O-Töne von DDR-Urlaubern in Ungarn im Sommer 1989
7. Gerhard Schöne: "Das weiße Band" (Schöne/Schöne)
8. Reisefreiheit oder Massenflucht?
9. Gesprächsrunde mit Jürgen Leinemann und Alexander Osang zur politischen
10. Situation in der DDR im Juli/September 1989
11. "98 Prozent treue Staatsbürger" und Botschaftsflüchtlinge
12. O-Ton-Collage Straßenumfrage/Rudolf Seiters /Aktuelle Kamera / Karl Eduard v. Schnitzler
13. SILLY: "S.O.S." (Haßbecker - Danz / Gundermann - Danz)
14. Jubel und Ohnmacht
15. O-Ton-Collage zum 7. Oktober 1989 (40. Jahrestag der DDR):
16. Erich Honecker/ Aktuelle Kamera / Protokoll einer "Zuführung"
17. Gesprächsrunde über die Versuche, die zerbröckelnde DDR-Staatsmacht zu erhalten
18. 18. Oktober 1989 - Führungswechsel in der DDR
19. Collage aus Antrittsrede Egon Krenz/ Erich Honecker/Aktuelle Kamera
20. Straßenumfragen
21. "Gib mir 'n Zeichen..."
22. Die DDR-Rockgruppe PANKOW auf einem Festival in der Bundesrepublik/
23. "Gib mir'n Zeichen"(Kirchmann/Herzberg)/"Stille"(Ehle/Klauke)/ "Ich bin bei Dir" (Kirchmann/Herzberg)/ "Langeweile" (Kirchmann/Herzberg)
24. "... zu lange die alten Männer verehrt"
25. Gesprächsrunde über die Endzeit- und Aufbruchsstimmung im Oktober/
26. November 1989
27. Verlorener Staat - verlorene Heimat?
28. HÖRBEISPIEL
29. O-Ton Collage Egon Krenz / Stefan Heym / Straßenumfrage/ Karl-Eduard v. Schnitzler
30. Tor auf! Tor auf!
31. HÖRBEISPIEL
32. O-Ton -Collage zum Mauerfall am 9. November 1989 Günter Schabowski / Straßenumfragen/ DDR-Grenzbeamte /
33. Deutschlandfunk-Nachrichten
34. Tanz auf der Mauer
35. Gesprächsrunde über den Mauerfall aus Ost- und Westperspektive
36. Wiedersehen oder Wiedervereinigung?
37. O-Ton-Collage zur Demonstration am 10.November 1989 vor dem
38. HÖRBEISPIEL
39. Schöneberger Rathaus
40. Helmut Kohl / Willy Brandt / Straßenumfrage / Erich Mielke
41. Deutschland, einig Vaterland?
42. O-Ton-Collage zur Demonstration vor der Dresdner Frauenkirche am 19.12.89/ Straßenumfrage / Helmut Kohl
43. In welcher Verfassung in die Zukunft?
44. O-Ton-Collage Stefan Heym / Konrad Weiß / Runder Tisch / Christa Wolf / Gesprächsrunde über Realität und Alternativen
45. Nichts bleibt geheim...
46. O-Ton-Collage zur Stasi-Auflösung
47. Aktuelle Kamera / Peter Michael Diestel
48. Hans Eckhard Wenzel: "Nichts bleibt geheim" (Wenzel/Wenzel)
CD II
1. Winter 1989: Kinder in der Wende O-Ton-Collage Umfrage unter Jugendlichen / Käthe Reichel / SILLY: "Verlorene Kinder"(Barton - Danz / Gundermann - Danz) / Umfrage unter zurückgelassenen Kindern
2. Gespaltene Gefühle
3. Gesprächsrunde über die Zeit, in der "das Wort im Munde veraltete"
4. Neuer Start in alten Kleidern
5. O-Ton-Collage PDS
6. Gregor Gysi / Helmut Kohl
7. HERZBUBEN: "Der schönste Junge" (S.Krumbiegel/Lenk)
8. HÖRBEISPIEL
9. 18. März 1990 - Wahlen zur Volkskammer
10. O-Ton-Collage Straßenumfragen zum Wahlkampf / Hans Modrow /Wahlspot Demokratischer Aufbruch / Willy Brandt / Wahlspot PDS / Umfrage zum Wahlergebnis
11. Wende in der Wende Gesprächsrunde zum Wahlergebnis
12. Neue Demokratie und Alltag
13. O-Ton-Collage: Barbara Thalheim: Besuch Januar 1990 (Thalheim - Kross/ Kopka) Straßenumfragen zu Kaufverhalten / Kinderstimme / Rudolf Seiters zu den Modalitäten der bevorstehenden Währungsunion
14. Pleiten, Pech und Pannen
15. O-Ton-Collage: Absurdes aus der Volkskammer / Keimzeit:"Irrenhaus"
16. Wenn die Mark nicht zu uns kommt,...
17. Gesprächsrunde über den Sog der D-Mark
18. 1. Juli 1990:- Währungsunion
19. O-Ton-Collage Helmut Kohl / Straßenumfragen / Theo Waigel / Peter Ensikat
20. Sommer 1990 - Volkseigentum und Treuhand
21. O-Ton-Collage Detlev Rohwedder / Dr. Gebhardt, unabhängiger Wissenschaftler, über Holding, Treuhandgesellschaft undVolkseigentum /Arbeitsamt Dresden / Elisabeth Noelle-Neumann
22. Aufbruch und Ernüchterung
23. Gesprächsrunde über (Medien)wirklichkeit vor der Vereinigung
24. Gemischte Ansichten vor der Vereinigung
25. O-Ton-Collage Straßenumfrage / Helmut Kohl / Wolfgang Schäuble / Oskar Lafontaine / Theo Waigel
26. Deutschland am Beginn eines langen europäischen Weges
27. Gesprächsrunde zum Abschluss der Sendung
28. Deutschlandfunk-Nachrichten vom 3. Oktober 1990
Auf den Straßen Leipzigs werden die Phrasen der greisen DDR-Kaste niedergeschrien. Euphorie, Ratlosigkeit, Verzweiflung: Der erstaunte Schrecken beim Umgang mit Freiheit von Wort und Tat setzt Emotionen frei, jenseits von klugen Analysen und altklugen Besserwissereien. Die Parole "Wir sind das Volk" mutiert zu "Wir sind ein Volk". Mit Originaltönen vom Frühjahr 1989 bis zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 erinnert die Lange Nacht an das Lebensgefühl der Menschen im plötzlich offenen Deutschland.
Auf der Kippe - Originaltöne zur Wende 1989/90
Geschichte entsteht nicht primär durch Raum und Zeit. Es sind die Menschen, die Geschichte schaffen. Das gilt allgemein, vorrangig aber für die Zeitgeschichte, die Erlebnis, Erfahrung und Erinnerung vereinigt. Persönliche Erlebnisse sind deshalb wichtige Gedächtnisstützen für die Zeitgeschichte, vor allem in ihren Brennpunkten.
Der Fall der Mauer zwischen den beiden deutschen Staaten, zwischen zwei Weltsystemen am 9. November 1989 ist ein solcher Fokus - heiß ersehnt oder zumindest erwünscht, aber von keinem tatsächlich für möglich gehalten. Wer erinnert sich an die Wochen davor? An den rasanten Wandel in den Monaten danach, der das Leben für manche wie Kino erscheinen ließ, für einige sogar mit Begrüßungsgeld am Einlass?
Heute - im Rückblick - eröffnen Tonaufnahmen aus jenen Tagen teils überraschende, teils vergessene Momente. Euphorie, Hoffnung, Verunsicherung, Enttäuschung bei den "Bürgern" hüben wie drüben, beschämende Unbelehrbarkeit bei den meisten Machthabern des Übergangs. Agonie der Herrschaft - damals in verräterischen Floskeln und Forderungen dokumentiert - sind heute spannende Belege für diesen deutsch-deutschen Umbruch.
Aus zahllosen Sendestunden herausgefilterte Originaltöne zur deutschen Einheit spiegeln in Schlaglichtern aus Politik, Wirtschaft und Kultur die Stimmungslage der Nation 1989/90. Ergänzt wird dieses Kaleidoskop durch persönliche Schilderungen und Interpretationen der Journalisten Jürgen Leinemann und Alexander Osang, Rainer Burchardt und Monika Künzel.
Zeittafel der Wende
Februar 1989
Der Anfang vom Ende des Ostblocks
Das Zentralkomitee der ungarischen Unabhängigen Sozialistischen Arbeiterpartei (USAP) beschließt, das Machtmonopol der kommunistischen Partei durch ein Mehrparteiensystem zu ersetzen und das Grenzsicherungssystem zu Österreich zu verändern. Ungarn beginnt mit weitreichenden demokratischen Reformen.
April 1989
Honecker will sozialistisches Gesellschaftssystem verteidigen
Erich Honecker teilt den Ersten Sekretären der SED-Bezirksleitungen mit, dass die DDR alles tun werde, um "zur Verteidigung der sozialistischen Gesellschaftsverhältnisse in Ungarn" beizutragen.
Mai 1989
Der "Eiserne Vorhang" wird demontiert
Ungarische Grenzsoldaten durchtrennen den "Eisernen Vorhang". Die Demontage des Stacheldrahtzauns zu Österreich beginnt.
Juni 1989
Ungarn tritt der Genfer Flüchtlingskonvention bei
Der Beitritt Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention ist vollzogen. Die Genfer Konvention untersagt es, Flüchtlinge in den Staat zurückzuschicken, aus dem sie geflohen waren. Im Ministerium für Staatssicherheit in Ost-Berlin löst der ungarische Beitritt zur Flüchtlingskonvention angesichts eines intensiven Reiseverkehrs von DDR-Bürgern in den sozialistischen "Bruderstaat" starke Beunruhigung aus.
August 1989
Beginn der Botschaftsbesetzungen
Etwa 200 DDR-Bürger flüchten in die bundesdeutsche Botschaft in Budapest. Auch in Prag, Warschau und in der Ständigen Vertretung in Ost-Berlin suchen DDR-Bürger Zuflucht.
Am 19. August kommt es zur größten Massenflucht von DDR-Bürgern seit dem Mauerbau.
Das ungarische Demokratische Forum und weitere Oppositionsgruppen haben zu einem "paneuropäischen Picknick" an die ungarisch-österreichische Grenze bei Sopron geladen. Durch die symbolische Öffnung eines Grenztores und eine "einmalige Grenzüberschreitung" soll für ein geeintes Gesamteuropa demonstriert werden. Weit über 600 DDR-Bürger flüchten nach Österreich. Am 25. August empfangen Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher den ungarischen Ministerpräsidenten Nemeth und Außenminister Horn zu einem Gespräch über das Flüchtlingsproblem. Drei Tage später verlautet aus dem ungarischen Außenministerium, das Flüchtlingsproblem werde "in kurzer Zeit" geregelt werden.
September 1989
Unabhängige Oppositionsgruppen gründen sich in der DDR
In ungarischen Auffanglagern warten mehr als 3500 Ausreisewillige. In Bayern hat der Aufbau von Zeltstädten begonnen. Auch andere Bundesländer richten Unterkünfte ein. Am 10. September gestattet die ungarische Regierung ohne Abstimmung mit Ost-Berlin allen Fluchtwilligen die Ausreise in den Westen. Bis Ende September gelangen circa 25.000 Übersiedler über die ungarisch-österreichische Grenze in den Westen. Die Bundesregierung erwartet, für die mehreren Hundert DDR-Bürger in der deutschen Botschaft in Warschau bald eine Lösung zu finden. Problematisch ist die Situation in der Prager Botschaft, wo sich mehrere Tausend Menschen aufhalten. Am 30. September schließlich kann Bundesaußenminister Genscher den Prager Botschaftsflüchtlingen mitteilen, dass sie noch am gleichen Abend in die Bundesrepublik ausreisen dürfen. Diese Entscheidung, die von Erich Honecker persönlich gefällt wurde, gilt auch für die Flüchtlinge in der Warschauer Botschaft. Mit Sonderzügen der DDR-Reichsbahn kommen viele Tausend DDR-Flüchtlinge in die Bundesrepublik Deutschland. Nun ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass es zum offenen Protest in der DDR kommt. Bereits Mitte September waren in Leipzig Hunderte von Demonstranten im Anschluss an das Friedensgebet in der Nikolaikirche auf die Straße gegangen. Oppositionelle gründen unabhängige Gruppen wie das "Neue Forum", "Demokratie Jetzt" oder den "Demokratischen Aufbruch".
In der letzten Septemberwoche, 14 Tage vor dem als Großveranstaltung geplanten 40. Jahrestag der DDR, weist Erich Honecker die Ersten Sekretäre der Bezirksleitungen an, "dass diese feindlichen Aktionen im Keime erstickt werden müssen..." An der Leipziger Montagsdemonstration am 25. September beteiligen sich mehr als 5000 Menschen.
Oktober 1989
Weiter Massendemonstrationen - 40. Jahrestag der DDR-Gründung
In Leipzig demonstrieren nach dem Friedensgebet in der Nikolaikirche mehr als 20.000 Menschen für Reformen in der DDR. In Dresden kommt es vor dem Hauptbahnhof zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und rund 3000 ausreisewilligen Menschen. Demonstrationen in Ost-Berlin, Leipzig, Dresden, Jena und Potsdam werden gewaltsam aufgelöst. Es ist der 7. Oktober, der 40. Jahrestag der DDR-Gründung. Michail Gorbatschow, der dem Festakt zur Staatsgründung in Ost-Berlin beiwohnt, setzt reformerische Akzente. Seine öffentliche Äußerung "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben" wird als Hinweis an die SED-Spitze verstanden, endlich einen Erneuerungsprozess in der DDR einzuleiten. Die Anwendung staatlicher Gewalt gegen Demonstranten scheint trotz Gorbatschows Mahnung zu eskalieren. Stasi-Chef Mielke ordnet "volle Dienstbereitschaft" für alle Angehörigen des MfS sowie die Bereithaltung ausreichender Reservekräfte an. In Leipzig demonstrieren am 9. Oktober nach dem traditionellen Friedensgebet rund 70.000 Menschen für demokratische Erneuerungen; die Sicherheitskräfte greifen nicht ein. Am 12. Oktober fällt im Politbüro der Entschluss, Honecker zu stürzen. Der Staats- und Parteichef sagt eine geplante Auslandsreise ab. Auf der Politbüro-Sitzung am 17. Oktober schließlich stellt Willi Stoph den Antrag, Erich Honecker von sämtlichen Funktionen zu entbinden. Am Ende stimmt Honecker seiner eigenen Ablösung nach 18-jähriger Herrschaft zu. Auf der neunten Tagung des ZK am 18. Oktober wird Erich Honecker formal auf seinen Wunsch "aus gesundheitlichen Gründen" von seinen Funktionen (Generalsekretär des ZK, Mitglied des Politbüros, Vorsitzender des Staatsrates, Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates) entbunden. Egon Krenz wird zum Generalsekretär des ZK gewählt. Auch die bisherigen ZK-Sekretäre Günter Mittag und Joachim Herrmann verlieren ihren Sitz im Politbüro und ihre Funktionen. Bereits einen Tag später wird in einer Sitzung des DDR-Ministerrates der Innenminister beauftragt, "umgehend" einen Gesetzentwurf "über Reisen von Bürgern der DDR ins Ausland" vorzubereiten. Trotz des Machtwechsels im Politbüro breitet sich die Protestbewegung in der DDR weiter aus: In der letzten Oktoberwoche beteiligen sich mehr als eine halbe Million Menschen an Demonstrationen gegen das SED-Regime. Der Staatsrat erlässt eine umfassende Amnestie für Demonstranten und Flüchtlinge. Der Druck von DDR-Flüchtlingen auf bundesdeutsche Botschaften steigt wieder an.
November 1989
Rücktritte im DDR-Politbüro und Öffnung der Mauer
Mehrere Politbüro-Mitglieder, unter anderem Stasi-Chef Erich Mielke, sowie der Vorsitzende des FDGB, Harry Tisch, der Vorsitzende der DDR-CDU, Gerald Götting und Margot Honecker als Volksbildungsministerin treten von ihren Ämtern zurück. Auf der bislang größten nicht von der SED veranstalteten Kundgebung in der DDR demonstrieren am 4. November in Ost-Berlin weit mehr als 500.000 Menschen für mehr Demokratie in der DDR. Schriftsteller wie Christa Wolf, Stefan Heym und Christoph Hein wenden sich an die Menge. Die Demonstranten fordern unter anderem ein neues Reisegesetz ohne Einschränkungen. Am 7. 11. tritt die DDR-Regierung geschlossen zurück; am 8.11. das Politbüro. Einen Tag später, am Abend des 9. November, öffnet die DDR die Mauer, die Grenzübergänge zur Bundesrepublik Deutschland und nach West-Berlin. Nach 28 Jahren ist die Mauer faktisch gefallen. Tausende strömen in den Westteil der Stadt, werden von den Bundesbürgern begeistert empfangen. Bis zum Monatsende reisen Millionen aus der DDR in die Bundesrepublik. Hans Modrow, der neue Vorsitzende des DDR-Ministerrats, präsentiert der Volkskammer ein neues Kabinett. Die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten steht für die neue DDR-Regierung weiterhin nicht zur Diskussion. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters kommt zu politischen Gesprächen nach Ost-Berlin. Auf Kundgebungen fordern die Bürger der DDR weiter demokratische Erneuerungen und die Wiedervereinigung: "Wir sind ein Volk", "Deutschland - einig Vaterland", so lauten die Parolen. In Bonn legt Bundeskanzler Kohl ein Zehn-Punkte-Programm zur Deutschlandpolitik vor. Endziel: ein Zustand des Friedens in Europa, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wieder erlangen kann. Namhafte Persönlichkeiten der DDR fordern mit dem Appell "Für unser Land" die Bewahrung der Eigenständigkeit der DDR.
Dezember 1989
Verzicht auf Führungsanspruch der SED - ZK und Politbüro treten zurück
Die Volkskammer beschließt, den in der Verfassung der DDR verankerten Führungsanspruch der SED zu streichen. Die Abgeordneten debattieren offen über Amtsmissbrauch, Korruption, Privilegien und Bereicherungen der ehemals führenden Altfunktionäre. Unter dem Druck anhaltender Massendemonstrationen treten das ZK und das neu gewählte Politbüro der SED mit Egon Krenz als Generalsekretär geschlossen zurück. Honecker, Mielke und andere werden förmlich aus der SED ausgeschlossen, andere ehemals führende Funktionäre werden verhaftet. Der Machtverfall der SED schreitet rapide voran. Egon Krenz erklärt seinen Rücktritt als Vorsitzender des Staatsrates und Vorsitzender des nationalen Verteidigungsrates. Am 6. Dezember beschließt der Staatsrat eine weitgehende Amnestie für Strafgefangene.
Ein außerordentlicher Parteitag der SED wählt Gregor Gysi zum neuen Vorsitzenden und beschließt die Umbenennung in SED-PDS ("Partei des demokratischen Sozialismus"). Der Ost-Berliner Generalstaatsanwalt leitet ein förmliches Ermittlungsverfahren gegen Honecker, Mielke, Stoph und andere Alt-Funktionäre ein. Hans Modrow und Rudolf Seiters beschließen die Einrichtung eines gemeinsamen Devisenfonds. Es beginnen erste Gespräche zwischen politischen Parteien und Oppositionsgruppen in Form sogenannter Runder Tische. Am 19. Dezember trifft Bundeskanzler Kohl zu einem Besuch in Dresden ein. Im Anschluss an ihre Unterredungen verkünden Kohl und Modrow unter anderem, dass eine Vertragsgemeinschaft zwischen beiden Staaten für das Frühjahr 1990 in Aussicht genommen wird. Das Brandenburger Tor wird für den Besucherverkehr geöffnet. Fast 350.000 Übersiedler sind im Jahr 1989 aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland gekommen. In seiner Neujahrsansprache stellt Bundeskanzler Kohl die deutsche Einheit in den Gesamtrahmen der europäischen Einigungsbestrebung.
Januar 1990
Sturm auf die Stasi-Zentrale
Unter dem Druck der Opposition rückt Ministerpräsident Hans Modrow von seinen Plänen ab, einen Verfassungsschutz und einen Nachrichtendienst zu schaffen. Die bereits im Dezember 1989 beschlossene Auflösung des MfS-Nachfolgers "Amt für Nationale Sicherheit" ist noch nicht vollzogen. Am 15. 1. stürmen Demonstranten die ehemalige Stasi-Zentrale in der Ost-Berliner Normannenstraße und verwüsten sie teilweise. In zahlreichen Städten der DDR demonstrieren Hunderttausende gegen die "Restaurationspolitik der SED-PDS und ihres Sicherheitsapparates". Die konsequente Auflösung des Amtes für Nationale Sicherheit wird gefordert. Ende Januar zieht die DDR-CDU ihre drei Minister aus der Regierung Modrow zurück. Bei Verhandlungen zwischen dem Ministerpräsidenten und dem "Runden Tisch" wird vereinbart, die Volkskammerwahl am 18. März - vorgezogen - durchzuführen. Die Lage der DDR-Wirtschaft verschlechtert sich durch Warnstreiks und Ausfälle kontinuierlich und soll durch die Bildung einer "Regierung der nationalen Verantwortung" stabilisiert werden. Die Sozialdemokratische Partei in der DDR beschließt ihre Umbenennung von SDP in SPD und bekennt sich - ähnlich wie die DDR-CDU - zur "Einheit der deutschen Nation".
Februar 1990
Sowjetunion akzeptiert nationale Einheit der Deutschen - Erste Schritte zur Wirtschafts- und Währungsunion
DDR-Ministerpräsident Modrow legt seine "Konzeption für den Weg zu einem einheitlichen Deutschland" vor. Die Volkskammer bestätigt die mit dem "Runden Tisch" vereinbarte "Regierung der nationalen Verantwortung". Acht neue Minister ohne Geschäftsbereich werden in der Kabinettsliste aufgeführt. Beschlossen wird auch die uneingeschränkte Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit. Fortan ist jede Zensur verboten. Fast alle Parteien in der DDR befürworten die deutsche Einheit. Die FDP der DDR konstituiert sich in Ost-Berlin; Grüne und Frauenverband schließen ein Wahlbündnis, die konservativen Parteien die "Allianz für Deutschland", die oppositionellen Bürgerrechtsbewegungen schließen sich zum Bündnis 90 zusammen. Am 10. Februar reisen Bundeskanzler Kohl und Außenminister Genscher zu einem Blitzbesuch nach Moskau. Sie erhalten Gorbatschows Zustimmung, dass die Sowjetunion die Entscheidung der Deutschen respektiert, in einem Staat zu leben. Die Außenminister der zwei deutschen Staaten und der vier alliierten Mächte stimmen darin überein, auf 2+4-Konferenzen die Aspekte der deutschen Wiedervereinigung sowie Sicherheitsfragen der Nachbarn zu erörtern. Die deutsche Frage ist wieder auf der Tagesordnung der internationalen Politik. Deutschland will NATO-Mitglied bleiben. Nach einem Gespräch mit seinem DDR-Amtskollegen warnt Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl vor einer schnellen Einführung der D-Mark in der DDR. Die Bundesregierung erklärt aber ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit der DDR über eine "Währungsunion mit Wirtschaftsreform".
März 1990
Sozialcharta und erste freie Volkskammer-Wahl
Der DDR-Ministerrat beschließt die Gründung einer Anstalt zur treuhänderischen Verwaltung von Volkseigentum. Der "Runde Tisch" verabschiedet eine Sozialcharta als Verhandlungsgrundlage für die deutsch-deutsche Wirtschafts- und Währungsunion. Das Recht auf Arbeit, Wohnen und Bildung, die Demokratisierung und Humanisierung des Arbeitslebens, die Gleichstellung von Mann und Frau sind unter anderem als soziale Sicherheiten festzuschreiben. Am 7. März - auf ihrer letzten Sitzung vor der ersten freien Volkskammerwahl - billigt die Volkskammer die Sozialcharta mit großer Mehrheit. Der "Runde Tisch" spricht sich auf seiner letzten Sitzung noch einmal gegen die Übertragung des Grundgesetzes durch den Beitritt der DDR aus. In Leipzig kommt es zur letzten Montagsdemonstration. In Ost-Berlin trifft sich die Expertenkommission Bundesrepublik Deutschland/DDR für die Währungsunion zu einer Beratungsrunde. Bundeskanzler Kohl erklärt bei einer Wahlkampfveranstaltung, kleinere Sparkonten in der DDR würden eins zu eins umgestellt; weiter bekennt sich der Kanzler zum dauerhaften Bestand der polnischen Westgrenze. Bis unmittelbar vor der Volkskammerwahl hält der Strom von Übersiedlern aus der DDR in die Bundesrepublik an.
Am 18. März finden die ersten freien Wahlen zur Volkskammer statt. Die Wahlbeteiligung liegt bei über 93 Prozent. Das konservative Wahlbündnis "Allianz für Deutschland" geht als Sieger hervor. Lothar de Maizière, der Vorsitzende der DDR-CDU, kandidiert für das Amt des Ministerpräsidenten in einer Koalition mit den Liberalen. Gregor Gysi wird zum Fraktionsvorsitzenden seiner Partei in der Volkskammer gewählt, Hans Modrow wird von der PDS-Fraktion als Kandidat für das Amt des Volkskammerpräsidenten vorgeschlagen. Die Volkskammerfraktion Bündnis 90/Grüne fordert eine Sicherheitsüberprüfung aller 400 Abgeordneten. Die Bundesregierung einigt sich darauf, dass eine Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion mit der DDR bis zur parlamentarischen Sommerpause erreicht werden soll. Bundesfinanzminister Theo Waigel erklärt, die Bundesregierung habe sich auf die Einführung der D-Mark in der DDR bis zu diesem Zeitpunkt eingerichtet. Die Deutsche Bundesbank plant bei der Einführung der D-Mark in der DDR ein Umtauschverhältnis von 2:1.
April 1990
Lothar de Maizière wird neuer Ministerpräsident - Prüfung von Stasi-Kontakten
Der Bundesbank-Vorschlag zur Konvertierung von DDR- in D-Mark löst bei der Bevölkerung große Unruhe aus. Am 5. April konstituiert sich die erste frei gewählte Volkskammer; Lothar de Maizière wird mit der Regierungsbildung beauftragt, und am 12.4. zum Ministerpräsidenten gewählt. Mehrheitlich stimmen die Volkskammer-Abgeordneten einem Beschluss über die Aufgaben eines zeitweiligen Prüfungsausschusses zu, der eventuelle Verbindungen der Abgeordneten zum früheren Staatssicherheitsdienst überprüfen soll. Die Bundesregierung schlägt der DDR-Regierung am 23. April die Bildung einer Währungsunion mit einem Umtauschkurs von eins zu eins für Löhne und Gehälter, Renten, Bargeld und Sparguthaben bis zu 4000 Mark pro Person vor. Wenig später verabreden Kohl und de Maizière, dass die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion am 1. Juli 1990 in Kraft treten soll. Rudolf Seiters und der stellvertretende Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer verhandeln in Ost-Berlin über den Staatsvertrag. Ein außerordentlicher EG-Gipfel in Dublin endet mit einmütiger Zustimmung zur Vereinigung Deutschlands.
Mai 1990
Der Staatsvertrag tritt in Kraft
Erstmal seit 44 Jahren findet wieder eine gesamtdeutsche Maikundgebung statt. Der Vorstand der Einheitsgewerkschaft FDGB beschließt in der zweiten Maiwoche angesichts einer bevorstehenden Spaltung seine Auflösung. Wegen des zu erwartenden Anstiegs der Arbeitslosigkeit in der DDR nach der Währungsunion sagt die Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit der DDR Unterstützung beim Aufbau von Arbeitsämtern zu. Die deutsch-deutsche Expertenkommission einigt sich auf einen Entwurf für den Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Die Finanzierung des Staatsvertrages ist bis zum 14. Mai nicht vollständig geklärt. Bundeskanzler Helmut Kohl kündigt am 15. Mai an, dass noch 1990 gesamtdeutsche Wahlen stattfinden sollen. Bund und Länder einigen sich am 16. Mai endgültig auf ein gemeinsames Finanzierungsmodell für den Vereinigungsprozess und beschließen die Gründung eines "Fonds Deutsche Einheit" über 115 Milliarden Mark. Am 18. Mai wird der Staatsvertrag unterzeichnet. Der entscheidende Schritt zur staatlichen Einheit ist vollzogen.
Juni 1990
Dramatischer Anstieg der Arbeitslosenzahl in der DDR
Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl befürchtet im Zusammenhang mit den Kosten der deutschen Einheit Zinserhöhungen als "unausweichliche Konsequenz"; der DDR-Wirtschaftsminister soziale Unruhen. Die DDR sieht sich mit einem bis dahin unbekannten Phänomen konfrontiert: Anfang Juni gibt es mehr als 100.000 Arbeitslose. Der Ministerrat berät über ein neues Treuhandgesetz, das die Umwandlung von Kombinaten und volkseigenen Betrieben in Kapitalgesellschaften regelt. Der sowjetische Präsident Gorbatschow spricht sich nach einem Gipfeltreffen mit US-Präsident George Bush für eine möglichst gleichzeitige Lösung der inneren und äußeren Aspekte der deutschen Vereinigung aus: Strittig ist immer noch die deutsche NATO-Mitgliedschaft. Die Nationale Volksarmee wird in eine Ausbildungs- und Basisarmee umgewandelt. Die Ausschüsse "Deutsche Einheit" von Volkskammer und Bundestag einigen sich auf eine Erklärung zur Anerkennung der polnischen Westgrenze. Das Ost-Berliner Kabinett kann sich noch nicht auf einen Termin für gesamtdeutsche Wahlen verständigen; es gibt unterschiedliche Auffassungen über das Tempo der politischen Vereinigung. Am 21. Juni stimmen beide deutsche Parlamente dem Staatsvertrag zu, einen Tag später auch der Bundesrat. Der alliierte Kontrollpunkt in Berlin, "Checkpoint Charlie" an der Friedrichstraße, wird im Beisein der Außenminister der vier Siegermächte beseitigt. Bundespräsident Richard von Weizsäcker plädiert für Berlin als Hauptstadt und Regierungssitz eines vereinigten Deutschlands.
Juli 1990
Termin für gesamtdeutsche Wahlen - Deutschlands NATO-Mitgliedschaft
Die D-Mark wird zum Zahlungsmittel in der DDR; die Währungsunion ist vollzogen. Mit einem Massenansturm auf westdeutsche Geschäfte reagieren DDR-Kunden am ersten verkaufsoffenen Samstag seit der Währungsumstellung auf vielfach überhöhte Preise und Angebotslücken in der DDR. Die Bonner Koalition aus CDU/CSU und FDP einigt sich auf den 2. Dezember als Termin für gesamtdeutsche Wahlen. Die Ost-CDU spricht sich dafür aus, dass es für die erste gesamtdeutsche Wahl zwei Wahlgebiete mit unterschiedlichen Wahlmodi geben soll. Der Streit in der Regierungskoalition um den Termin der deutschen Vereinigung verschärft sich; schließlich bricht die Regierung de Maizière auseinander. Die gemeinsam tagenden Parlamentsausschüsse "Deutsche Einheit" von Bundestag und Volkskammer verständigen sich in Bonn darauf, dass die gesamtdeutsche Wahl am 2. Dezember in einem Wahlgebiet und nach einem Wahlrecht stattfinden soll. Die liberalen Minister im Kabinett de Maizière signalisieren die Bereitschaft zu weiterer Mitarbeit, auch die Sozialdemokraten lenken ein. Ministerpräsident de Maizière schlägt vor, dass die Volkskammer noch vor den gesamtdeutschen Wahlen den Beitritt zur Bundesrepublik beschließt. Bundeskanzler Kohl reist Mitte Juli nach Moskau, um mit der sowjetischen Führung die noch offene Bündnisfrage eines vereinigten Deutschland zu klären. Ein Durchbruch gelingt; das geeinte Deutschland soll "selbst und frei" darüber entscheiden, welchem Bündnis es angehören möchte.
August 1990
Beitrittstermin 3. Oktober
Der Einigungsvertrag nimmt Konturen an. Von DDR-Seite wird unter anderem angestrebt, dass Berlin Hauptstadt und Regierungssitz des gesamtdeutschen Staates werden soll. Ministerpräsident Lothar de Maizière will nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Helmut Kohl überraschend den Termin der gesamtdeutschen Wahlen vorverlegen. Wieder eskaliert in der DDR der Parteienstreit um den Wahltermin; de Maizière bildet sein Kabinett um. Die Ost-SPD steigt nach der Entlassung von Finanzminister Walter Romberg aus der Koalition aus und macht ihre Zustimmung zum Einigungsvertrag von sozialen Forderungen abhängig. Am 23. August beschließt die DDR-Volkskammer auf einer Sondersitzung den Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland zum 3. Oktober 1990. Entgegen den Entwürfen im Einigungsvertrag votiert die Volkskammer dafür, die Akten der Staatssicherheit auf dem Gebiet der DDR zu belassen. Der Bundestag verabschiedet - gegen die Stimmen der Grünen - den gesamtdeutschen Wahlvertrag. Am 31. August wird in Ost-Berlin der deutsch-deutsche Einigungsvertrag unterschrieben. Dieser zweite Staatsvertrag regelt Einzelheiten des DDR-Beitritts zur Bundesrepublik Deutschland. Der 3. Oktober wird gesetzlicher Feiertag als Tag der Deutschen Einheit.
September 1990
Deutschlandvertrag / Stasi-Akten
Die 2+4-Verhandlungen über die äußeren Aspekte der deutschen Vereinigung gehen in die letzte Phase. Am 12. September schließlich wird in Moskau der "Vertrag über die endgültige Regelung in Bezug auf Deutschland" abgeschlossen. Er legt unter anderem fest, dass die Rechte der Alliierten erlöschen und ein deutscher Staat seine volle Souveränität erhält. Bundesaußenminister Genscher betont nach der Unterzeichnung, dies sei eine historische Stunde für Europa und "eine glückliche Stunde für Deutschland". Eine Gruppe von Bürgerrechtlern besetzt seit Anfang September die ehemalige Stasi-Zentrale; die Bürgerrechtler fordern unter anderem die Übergabe der Akten an die Betroffenen. Bonn und Ost-Berlin erzielen am 19. September eine Einigung über den künftigen Umgang mit Stasi-Unterlagen. Die DDR-Regierung ernennt Joachim Gauck zum Sonderbeauftragten für den Umgang mit Stasi-Akten. Am 20. September stimmen die beiden deutschen Parlamente in Bonn und Ost-Berlin dem Einigungsvertrag zu. Sozialdemokraten beider Teile Deutschlands beschließen auf getrennten Parteitagen ihre Vereinigung. Der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) löst sich als Dachverband endgültig selbst auf.
Oktober 1990
Deutschlands Wiedervereinigung
CDU-Verbände aus dem noch geteilten Deutschland schließen sich zu einer gesamtdeutschen CDU zusammen. Auf dem Vereinigungsparteitag in Hamburg wird Bundeskanzler Kohl mit einem Rekordergebnis zum ersten gesamtdeutschen Parteichef gewählt; Lothar de Maizière wird sein einziger Stellvertreter. Am 2. Oktober löst sich die DDR-Volkskammer mit einer Festsitzung auf. Mit der Verabschiedung der westalliierten Stadtkommandanten in Berlin wird nach 45 Jahren der Besatzungsstatus Berlins beendet. Senat und Magistrat von West- beziehungsweise Ost-Berlin verabschieden eine gemeinsame Erklärung, in der es heißt: "Von morgen an ist das wiedervereinigte Berlin die Hauptstadt des vereinten Deutschland". In Berlin beginnt ein großes "Fest der Einheit" vor dem Reichstagsgebäude, das bis zum nächsten Tag dauert. Am 3. Oktober wird der Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Art. 23 wirksam. Damit endet die Existenz der DDR. Nach 45 Jahren ist die staatliche Einheit Deutschlands wiederhergestellt.
Literaturtipps:
Andreas Rödder
Deutschland einig Vaterland
Die Geschichte der Wiedervereinigung.
2009 Beck
Schon den Zeitgenossen war klar: 1989/90 erlebten sie Weltgeschichte. Der Zusammenbruch des Ostblocks, der Fall der Mauer, das Ende der DDR, die Wiedervereinigung Deutschlands beendeten eine Epoche, die im Zeichen der Weltkriege und des Ost-West-Konflikts gestanden hatte. Ein neues Zeitalter begann. Dieses Buch erzählt, wie alles geschah. Andreas Rödder legt auf der Grundlage intensiver Quellenforschungen und zahlreicher Gespräche mit Zeitzeugen die erste historisch fundierte Geschichte der deutschen Wiedervereinigung vor. Seine spannend geschriebene Darstellung führt uns in die Machtzentrale des Kremls, wo Michail Gorbatschow mit seiner Reformpolitik einen Wandel einleitet, dessen Eigendynamik schon bald außer Kontrolle gerät, sie lässt uns teilhaben an den Krisensitzungen des Honecker-Regimes und den geheimen Treffen der Bürgerrechtsbewegung und führt uns durch die dramatischen Tage der großen Demonstrationen und des Mauerfalls. Kritisch wägt Rödder die Stärken und Schwächen der Politik Helmut Kohls ab, der mit dem Zehn-Punkte-Plan die deutschlandpolitische Initiative an sich zog und den Einigungsprozess maßgeblich ausgestaltete. Andreas Rödders Buch ist eine souveräne, sorgfältig differenzierende und mit großer Sensibilität für die unterschiedlichen Perspektiven von West- und Ostdeutschen geschriebene Gesamtdarstellung der deutschen Einheit.
Alexander Osang
89
Helden-Geschichten.
2004 Fischer (TB.), Frankfurt
Ostzeit
Geschichten aus einem vergangenen Land. Katalog zur Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt, Berlin, 2009. Dtsch.-Engl. Hrsg.: OSTKREUZ Agentur der Fotografen.
Text: Markus Jauer, Wolfgang Kil u. Alexander Osang
2009 Hatje Cantz Verlag
20 Jahre Mauerfall. Ostzeit präsentiert Fotoserien der besten Chronisten der DDR aus dem erstklassigen Bestand der Agentur Ostkreuz. 1990 von Fotografen aus Berlin und Leipzig nach dem Autorenprinzip gegründet, war ihr Namenspate der Berliner S-Bahnhof zwischen Friedrichshain und Lichtenberg. Hier musste durch, wer in den Osten wollte. Ostzeit offeriert sensible Bilder der DDR und ihrer Menschen: Sibylle Bergemanns unerreicht menschlichen Bilder von Clärchens Ballhaus. Werner Mahlers Langzeitstudie über das thüringische Berka. Harald Hauswalds fotografischer Essay über Tristesse und versteckte Komik des DDR-Alltags. Ute Mahlers demaskierende Fotos der Berliner Maiparade 1980. Die Dokumentation des Franzosen Maurice Weiss von den letzten Stunden vor dem Mauerfall und der Wendezeit. Und nicht zuletzt Sibylle Bergemanns emblematische Bilder zur Entstehung und Montage des Marx-Engels-Denkmals, die es ironischerweise bis in die Kunstsammlung des Deutschen Bundestags geschafft haben.
Die Nacht, in der die Mauer fiel
Schriftsteller erzählen vom 9. November 1989. Originalausgabe.
Herausgeber: Renatus Deckert
2009 Suhrkamp
Der 9. November 1989 ging in die Geschichtsbücher ein: Die auf einer Pressekonferenz der DDR-Regierung irrtümlich verlesene Mitteilung, Reisen in den Westen seien ab sofort möglich, löste einen Sturm auf die Berliner Mauer aus, dem sich die Grenzsoldaten nicht widersetzen konnten. Nach 28 Jahren öffnete sich der Eiserne Vorhang. Wer die Nacht, in der die Mauer fiel, nicht verschlief, feierte auf den Straßen von Berlin. 30 Autoren aus Ost und West lassen die historische Nacht Revue passieren. In persönlichen Texten, die eigens für dieses Buch geschrieben wurden, erzählen sie, was sie erlebten, was sie fühlten und wie sie sich heute daran erinnern.
Mein 9. November 1989
Eingeleitet und herausgegeben von Heribert Schwan und Rolf Steininger .
Mit Beitr. v. Hans Apel, Egon Bahr, Kurt Biedenkopf unter anderem .
2009 Artemis & Winkler
Der 9. November 1989 ist wohl der glücklichste Tag der Deutschen im 20. Jahrhundert. Wie wichtige Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur den Fall der Mauer erlebten, haben Heribert Schwan und Rolf Steininger in über 40 Interviews von Hans Apel über Egon Bahr, Norbert Blüm bis hin zu Michail S. Gorbatschow, Günter Schabowski, Wolfgang Schäuble und Wolfgang Thierse festgehalten.
Entstanden ist ein einmaliges Zeitzeugnis deutscher Geschichte, das alle Freuden und Ängste, Zweifel und Gewissheiten der am Einigungsprozess Beteiligten nachvollziehbar macht. Ein emotionaler und persönlicher Rückblick auf die friedliche Revolution.
Mein 9. November
Der Tag, an dem die Mauer fiel.
Herausgeber: Alfred Neven DuMont
2009 DuMont Buchverlag
Am 9. November 1989 fiel die Mauer. Ein Land, 40 Jahre zweigeteilt, wurde wieder eines. Für viele Deutsche wendete sich an diesem Tag auch ihr persönliches Leben. Dieses Buch erzählt Geschichten von Menschen, für die der 9. November in doppelter Hinsicht ein ganz besonderer Tag ist: der Geburtstag des vereinigten Deutschland und ihr eigener. Männer und Frauen, Nichtprominente und Prominente wie Björn Engholm, der Liedermacher Michael Kunze, Peter Hahne und der Schauspieler Erol Sander geben Auskunft, was der 9. November für sie bedeutet. Welches Bild haben sie von dem geteilten und dem wiedervereinigten Deutschland? Wie gehen sie miteinander um, die "Wessis" und die "Ossis"? Und - wie hat sich ihr Leben in den 20 Jahren seit dem Mauerfall verändert? Der Bestsellerautor Richard David Precht erzählt in seinem einführenden Essay, was Brüche im Leben eines Menschen bedeuten, wie manch persönlicher und politischer Traum jäh enden und Platz machen kann für neue Gedanken, neue Träume, neue Ziele.
Hannes Bahrmann, Christoph Links
Bilderchronik der Wende
Erlebnisse aus der Zeit des Umbruchs 1989/90
Ch. Links Verlag, Berlin 1999
Hannes Bahrmann, Christoph Links
Chronik der Wende
Die Ereignisse in der DDR zwischen 7. Oktober 1989 und 18. März 1990
Ch. Links Verlag, Berlin 1999
Hans-Hermann Hertle, Kathrin Elsner
Mein 9. November
Der Tag, an dem die Mauer fiel
Nicolai Verlag, Berlin 1999
Wo die Mauer war
Where was the wall?
Nicolai Verlag, Berlin
Mit Fotos von Harry Hampel
Thomas Flemming, Hagen Koch
Die Berliner Mauer
Geschichte eines politischen Bauwerks
be.bra Verlag, Berlin 1999
Hermann Glaser
Die Mauer fiel, die Mauer steht
Ein deutsches Lesebuch 1989 - 1999
DTV, München 1999
Heinrich Senfft
Die sogenannte Wiedervereinigung
Rowohlt Berlin, 1999
Hans Pleschinski
Ostsucht
Ein Jugend im deutsch-deutschen Grenzland
C.H. Beck, München 1999
Klaus Kordon
Hundert Jahre & ein Sommer
Beltz&Gelberg, 1999
Kurz bevor das 20. Jahrhundert zu Ende geht, schreibt die Studentin Eva Seemann einen langen Brief an ihre Ururgroßmutter. Eva weiß von dieser Hermine kaum mehr, als dass sie seit über 50 Jahren tot ist; es gibt nicht einmal mehr ein Grab. Aber Eva besitzt ein Foto von ihr, und der jungen Frau darauf fühlt sie siech merkwürdig nahe. "Liebes Minchen", beginnt Eva ihren Brief und erzählt vom letzten Sommer: wie sie und Grigorij sich ineinander verliebt haben, wie sie zum ersten man ihren Großvater Robert, Minchens Enkel, in Berlin besuchte und was sie über ihre Familiengeschichte herausgefunden hat. Großvater Robert, einst ein gefeierter DDR-Schriftsteller, lebt noch im selben Haus, in dem vor hundert Jahren das Dienstmädchen Hermine Seemann arbeitete und wohnte. Klaus Kordons Roman schlägt einen Bogen vom Kaiserreichen bis ins wiedervereinigte Deutschland. Aus der Geschichte einer Familie und eines Hauses entsteht ein ebenso anschauliches wie tiefgreifendes Bild unseres Jahrhunderts. Ein Buch für Jugendliche - das insbesondere auch das Leben im geteilten Deutschland und die Geschichte des Mauerfalls spannend erzählt.
Jürgen Becker
Aus der Geschichte der Trennung
Suhrkamp, Frankfurt 1999
Der erste Roman des Lyrikers Jürgen Becker wäre nicht entstanden ohne den Fall der mauer vor zehn Jahren, ohne Wiedervereinigung. Seitdem reist Jörn Winter, ein Mann Ende sechzig, in jedem Jahr hin und her zwischen Elbe und Oder, Rügen und Thüringer Wald. Magischer Anziehungspunkt ist der in der Mark Brandenburg gelegene Schwieloch-See, wo 1946 seine Mutter ums Leben gekommen ist. Fünfzig Jahre nach ihrem nie geklärten Tod findet er den Weg dorthin.
Museumstipp:
Deutsch-Deutsches Museum Mödlareuth
Little Berlin - die Amerikaner nannten es "Little Berlin" - dieses 50-Seelen-Dorf, das als Symbol der deutschen Teilung galt. Seit Gründung der beiden deutschen Staaten gehörte der thüringische Teil des Ortes zum Territorium der DDR, die bayerische Hälfte zu dem der Bundesrepublik. 1952 entstanden die ersten Grenzsperranlagen. 1966 erfolgte der Bau einer 700 Meter langen und 3,30 Meter hohen Betonmauer, die bis zur "Wende" 1989 das Dorf teilte.
Im Freigelände sind große Teile der Sperranlagen im Original erhalten. Aufbau und Funktion des Grenzgebietes der DDR werden anschaulich demonstriert. Ein vier Kilometer langer Geschichtslehrpfad, eine Fahrzeugschau sowie erste Ausstellungsräume ergänzen das Freigelände. Bei Gruppenführungen erfährt der Besucher alles über die historischen Hintergründe, über die Aufgaben der Grenzsicherungs- und Grenzüberwachungsorgane beider deutschen Staaten. Vor allem aber über die außergewöhnlichen Lebensumstände, die im Grenzgebiet herrschten. Der Neubau eines Museumsgebäudes zur Präsentation der umfangreichen Sammlung ist in Planung.
Anschrift: Deutsch-Deutsches Museum, Mödlareuth 13, 5183 Töpen
Telefon: 092 95 / 1334
Öffnungszeiten: Täglich von 9.00-18.00 Uhr
Anfahrtsweg: A 72 Richtung Dresden, Ausfahrt Töpen
Video-Tipps:
Fünf Wochen im Herbst
Protokoll einer Revolution
Eine zeitgeschichtliche Dokumentation über den Wandel in der DDR.
Der Fall der Mauer
Eine zeitgeschichtliche Dokumentation zum 9. November 1989
Der Untergang der Stasi
Ende eines Überwachungsstaates
Der Weg zur Einheit
Vom Fall der Mauer bis zur Wiedervereinigung
Diese vier Videodokumentationen sind bei Spiegel TV erschienen:
Spiegel TV
Postfach 10 58 40
20039 Hamburg
Weiterführende Links:
20 Jahre Mauerfall- Schwerpunkt bei dradio.de
"Mauersplitter" - Originaltöne und -Interviews der friedlichen Revolution
http://www.mauerfall09.de/
Der Fall der Mauer ist im Jahr 2009 ein besonderes Thema für Berlin. Der Senat hat ein "Gesamtkonzept zur Erinnerung an die Berliner Mauer – Dokumentation, Information und Gedenken" verabschiedet und feiert den 20. Jahrestag des Mauerfalls mit einem Themenjahr.
http://www.mauerfall09.de/portal/grusswort.html
Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Wowereit, zum Themenjahr "20 Jahre Mauerfall"
http://1989.dra.de/
Das Internetangebot "1989 – 1990: Wende-Zeiten. Bilder, Töne, Kommentare aus dem DDR-Fernsehen" bietet mit Themenseiten, Chroniken und Dokumenten interessante und ungewöhnliche Rückblicke auf den Mauerfall und seine Vor- und Nachgeschichte von Anfang 1989 bis zur Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990.
http://berlin1989.com/ 1989 - 2009. Die Berliner Mauer
Künstler für Freiheit. Sammlung Sylvestre Verger"
Deutsches Historisches Museum
http://www.dhm.de/lemo/html/1989/ - Chronik 1989
http://www.dhm.de/lemo/html/1990/- Chronik 1990
http://www.bpb.de/themen/KGBNU7,0,Deutsche_Teilung_Deutsche_Einheit.html
Deutsche Teilung - Deutsche Einheit – Das Dossier der Bundeszentrale für politische Bildung
http://www.politische-bildung.de/20_jahre-deutsche-einheit.html
20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit
http://www.wiedervereinigung.de/
Bibliographie zur Deutschen Einheit.
CD I
1. Wir sind das Volk!
2. HÖRBEISPIEL
3. Eröffnungscollage
4. Erich Honecker/ Karl Eduard v. Schnitzler/Straßenumfragen/Aktuelle Kamera/ Egon Krenz/ Gregor Gysi/ Stefan Hermlin/ Helmut Kohl/ Detlev Rohwedder/ Theo Waigel/ Norbert Blüm
5. Gehen oder bleiben?
6. Studiogespräch und O-Töne von DDR-Urlaubern in Ungarn im Sommer 1989
7. Gerhard Schöne: "Das weiße Band" (Schöne/Schöne)
8. Reisefreiheit oder Massenflucht?
9. Gesprächsrunde mit Jürgen Leinemann und Alexander Osang zur politischen
10. Situation in der DDR im Juli/September 1989
11. "98 Prozent treue Staatsbürger" und Botschaftsflüchtlinge
12. O-Ton-Collage Straßenumfrage/Rudolf Seiters /Aktuelle Kamera / Karl Eduard v. Schnitzler
13. SILLY: "S.O.S." (Haßbecker - Danz / Gundermann - Danz)
14. Jubel und Ohnmacht
15. O-Ton-Collage zum 7. Oktober 1989 (40. Jahrestag der DDR):
16. Erich Honecker/ Aktuelle Kamera / Protokoll einer "Zuführung"
17. Gesprächsrunde über die Versuche, die zerbröckelnde DDR-Staatsmacht zu erhalten
18. 18. Oktober 1989 - Führungswechsel in der DDR
19. Collage aus Antrittsrede Egon Krenz/ Erich Honecker/Aktuelle Kamera
20. Straßenumfragen
21. "Gib mir 'n Zeichen..."
22. Die DDR-Rockgruppe PANKOW auf einem Festival in der Bundesrepublik/
23. "Gib mir'n Zeichen"(Kirchmann/Herzberg)/"Stille"(Ehle/Klauke)/ "Ich bin bei Dir" (Kirchmann/Herzberg)/ "Langeweile" (Kirchmann/Herzberg)
24. "... zu lange die alten Männer verehrt"
25. Gesprächsrunde über die Endzeit- und Aufbruchsstimmung im Oktober/
26. November 1989
27. Verlorener Staat - verlorene Heimat?
28. HÖRBEISPIEL
29. O-Ton Collage Egon Krenz / Stefan Heym / Straßenumfrage/ Karl-Eduard v. Schnitzler
30. Tor auf! Tor auf!
31. HÖRBEISPIEL
32. O-Ton -Collage zum Mauerfall am 9. November 1989 Günter Schabowski / Straßenumfragen/ DDR-Grenzbeamte /
33. Deutschlandfunk-Nachrichten
34. Tanz auf der Mauer
35. Gesprächsrunde über den Mauerfall aus Ost- und Westperspektive
36. Wiedersehen oder Wiedervereinigung?
37. O-Ton-Collage zur Demonstration am 10.November 1989 vor dem
38. HÖRBEISPIEL
39. Schöneberger Rathaus
40. Helmut Kohl / Willy Brandt / Straßenumfrage / Erich Mielke
41. Deutschland, einig Vaterland?
42. O-Ton-Collage zur Demonstration vor der Dresdner Frauenkirche am 19.12.89/ Straßenumfrage / Helmut Kohl
43. In welcher Verfassung in die Zukunft?
44. O-Ton-Collage Stefan Heym / Konrad Weiß / Runder Tisch / Christa Wolf / Gesprächsrunde über Realität und Alternativen
45. Nichts bleibt geheim...
46. O-Ton-Collage zur Stasi-Auflösung
47. Aktuelle Kamera / Peter Michael Diestel
48. Hans Eckhard Wenzel: "Nichts bleibt geheim" (Wenzel/Wenzel)
CD II
1. Winter 1989: Kinder in der Wende O-Ton-Collage Umfrage unter Jugendlichen / Käthe Reichel / SILLY: "Verlorene Kinder"(Barton - Danz / Gundermann - Danz) / Umfrage unter zurückgelassenen Kindern
2. Gespaltene Gefühle
3. Gesprächsrunde über die Zeit, in der "das Wort im Munde veraltete"
4. Neuer Start in alten Kleidern
5. O-Ton-Collage PDS
6. Gregor Gysi / Helmut Kohl
7. HERZBUBEN: "Der schönste Junge" (S.Krumbiegel/Lenk)
8. HÖRBEISPIEL
9. 18. März 1990 - Wahlen zur Volkskammer
10. O-Ton-Collage Straßenumfragen zum Wahlkampf / Hans Modrow /Wahlspot Demokratischer Aufbruch / Willy Brandt / Wahlspot PDS / Umfrage zum Wahlergebnis
11. Wende in der Wende Gesprächsrunde zum Wahlergebnis
12. Neue Demokratie und Alltag
13. O-Ton-Collage: Barbara Thalheim: Besuch Januar 1990 (Thalheim - Kross/ Kopka) Straßenumfragen zu Kaufverhalten / Kinderstimme / Rudolf Seiters zu den Modalitäten der bevorstehenden Währungsunion
14. Pleiten, Pech und Pannen
15. O-Ton-Collage: Absurdes aus der Volkskammer / Keimzeit:"Irrenhaus"
16. Wenn die Mark nicht zu uns kommt,...
17. Gesprächsrunde über den Sog der D-Mark
18. 1. Juli 1990:- Währungsunion
19. O-Ton-Collage Helmut Kohl / Straßenumfragen / Theo Waigel / Peter Ensikat
20. Sommer 1990 - Volkseigentum und Treuhand
21. O-Ton-Collage Detlev Rohwedder / Dr. Gebhardt, unabhängiger Wissenschaftler, über Holding, Treuhandgesellschaft undVolkseigentum /Arbeitsamt Dresden / Elisabeth Noelle-Neumann
22. Aufbruch und Ernüchterung
23. Gesprächsrunde über (Medien)wirklichkeit vor der Vereinigung
24. Gemischte Ansichten vor der Vereinigung
25. O-Ton-Collage Straßenumfrage / Helmut Kohl / Wolfgang Schäuble / Oskar Lafontaine / Theo Waigel
26. Deutschland am Beginn eines langen europäischen Weges
27. Gesprächsrunde zum Abschluss der Sendung
28. Deutschlandfunk-Nachrichten vom 3. Oktober 1990