Der heute 71-jährige Jón Baldvin Hannibalsson war, so sagen viele Bürger, einer der wenigen isländischen Politiker von internationalem Format. Der Sozialdemokrat war von 1988 bis 1995 isländischer Außenminister. Seit seiner Jugend interessierte er sich für Osteuropa. Und besuchte während des Kalten Krieges häufig die sogenannten Ostblockländer. Doch Sympathie für die kommunistische Ideologie und Wirklichkeit hatte Hannibalsson nie. Als Ende der 80er-Jahre in den baltischen Sowjetrepubliken der Ruf nach Unabhängigkeit immer lauter wurde, unterstützte Island diese Bewegung. Auf dem internationalen Parkett war das eine Provokation, erinnert er sich in einem Reykjavíker Café.
"Kleine Länder wie Island sollten sich raushalten, war der damalige Tenor. Sie sollten sich lieber selbst in Sicherheit bringen, als die Initiative zu ergreifen."
Hannibalsson reiste damals mehrfach ins Baltikum, vor allem nach Litauen. Auf Konferenzen der NATO, des Europarats und der OSZE mahnte er, die baltischen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht zu ignorieren.
"Das war ein heikles Thema, und die USA und Großbritannien waren nicht begeistert über Islands Engagement. Westeuropa und Amerika waren mit der Wiedervereinigung Deutschlands und Abrüstungsgesprächen beschäftigt und wollten die sowjetische Führung nicht weiter herausfordern. Ich erinnere mich, dass der damalige deutsche Außenminister Genscher mich einmal recht wütend fragte: 'Wollen Sie die deutsche Wiedervereinigung verhindern?'"
Am 11. März 1990 erklärte sich Litauen als erste Sowjetrepublik zum souveränen Staat. Kein Land traute sich zunächst, diesen Schritt anzuerkennen. Auch Island zögerte. Aber:
"An diesem 11. März verabschiedete das isländische Parlament eine Resolution, in der wir die litauische Unabhängigkeitserklärung beglückwünschten und unterstützten."
Mehr konnte Island zu diesem Zeitpunkt nicht tun – die diplomatischen Konsequenzen wären fatal gewesen. Doch im Hintergrund warb Hannibalsson um Unterstützung für Litauen. Nach der internationalen Konferenz für Menschenrechte im Sommer 1990 in Kopenhagen war es schließlich soweit: Am 25. August 1990 war Island der erste Staat, der Litauens Eigenständigkeit anerkannte. Unmittelbar danach folgte Dänemark.
Jón Baldvin Hannibalsson ist seitdem litauischer Ehrenbürger. Und Islands Engagement fürs Baltikum haben Litauen, Lettland und Estland bis heute nicht vergessen.
"Alle drei Staaten haben uns versichert, uns bei den Aufnahmeverhandlungen für die Europäische Union bedingungslos zu unterstützen. Die wichtigsten Verhandlungsführer haben angeboten, sich für uns einzusetzen. Auch wenn uns alle anderen Länder vergessen würden – auf die Hilfe der baltischen Länder können wir uns verlassen."
Heute sind Litauer nach den Polen die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Island. Die meisten kamen in der Hoffnung auf einen höheren Lebensstandard. Auch nach dem Crash sind immer noch rund 1600 Litauer hier. Sie arbeiten in der Fischerei, im Baugewerbe, als Krankenpfleger. Der 34-jährige Algirdas Slapikas lebt seit 1998 in Islands drittgrößter Stadt Hafnarfjördur und arbeitet auf einer Werft.
"Meine Frau ist professionelle Handballspielerin und hatte damals das Angebot bekommen, für einen Verein in Hafnarfjördur zu spielen. Also sind wir hergezogen. Die Sprache zu lernen war anfangs sehr schwierig, in den ersten Monaten habe ich kein Wort verstanden. Aber inzwischen spreche ich ganz gut Isländisch – ich muss mich ja jeden Tag darin verständigen."
Die beste Reputation haben Litauer in Island nicht. Wann immer irgendwo eingebrochen wird oder Autos geknackt werden, heißt es, das waren bestimmt Litauer.
"Es gab einige, die nur hergekommen sind, um Verbrechen zu begehen, das stimmt. Ich schäme mich dafür. Ich glaube aber, dass sich der Ruf der Litauer hier in Zukunft bessert. Die Meisten leisten doch gute Arbeit."
Auf die Beziehungen zwischen Litauen und Island lässt Slapikas nichts kommen. Seine Kinder sind in Island geboren und auch er selbst sagt, dass er sich inzwischen eher als Isländer fühlt. Die Insel im Nordatlantik sei seine Heimat geworden.
"Kleine Länder wie Island sollten sich raushalten, war der damalige Tenor. Sie sollten sich lieber selbst in Sicherheit bringen, als die Initiative zu ergreifen."
Hannibalsson reiste damals mehrfach ins Baltikum, vor allem nach Litauen. Auf Konferenzen der NATO, des Europarats und der OSZE mahnte er, die baltischen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht zu ignorieren.
"Das war ein heikles Thema, und die USA und Großbritannien waren nicht begeistert über Islands Engagement. Westeuropa und Amerika waren mit der Wiedervereinigung Deutschlands und Abrüstungsgesprächen beschäftigt und wollten die sowjetische Führung nicht weiter herausfordern. Ich erinnere mich, dass der damalige deutsche Außenminister Genscher mich einmal recht wütend fragte: 'Wollen Sie die deutsche Wiedervereinigung verhindern?'"
Am 11. März 1990 erklärte sich Litauen als erste Sowjetrepublik zum souveränen Staat. Kein Land traute sich zunächst, diesen Schritt anzuerkennen. Auch Island zögerte. Aber:
"An diesem 11. März verabschiedete das isländische Parlament eine Resolution, in der wir die litauische Unabhängigkeitserklärung beglückwünschten und unterstützten."
Mehr konnte Island zu diesem Zeitpunkt nicht tun – die diplomatischen Konsequenzen wären fatal gewesen. Doch im Hintergrund warb Hannibalsson um Unterstützung für Litauen. Nach der internationalen Konferenz für Menschenrechte im Sommer 1990 in Kopenhagen war es schließlich soweit: Am 25. August 1990 war Island der erste Staat, der Litauens Eigenständigkeit anerkannte. Unmittelbar danach folgte Dänemark.
Jón Baldvin Hannibalsson ist seitdem litauischer Ehrenbürger. Und Islands Engagement fürs Baltikum haben Litauen, Lettland und Estland bis heute nicht vergessen.
"Alle drei Staaten haben uns versichert, uns bei den Aufnahmeverhandlungen für die Europäische Union bedingungslos zu unterstützen. Die wichtigsten Verhandlungsführer haben angeboten, sich für uns einzusetzen. Auch wenn uns alle anderen Länder vergessen würden – auf die Hilfe der baltischen Länder können wir uns verlassen."
Heute sind Litauer nach den Polen die zweitgrößte ausländische Bevölkerungsgruppe in Island. Die meisten kamen in der Hoffnung auf einen höheren Lebensstandard. Auch nach dem Crash sind immer noch rund 1600 Litauer hier. Sie arbeiten in der Fischerei, im Baugewerbe, als Krankenpfleger. Der 34-jährige Algirdas Slapikas lebt seit 1998 in Islands drittgrößter Stadt Hafnarfjördur und arbeitet auf einer Werft.
"Meine Frau ist professionelle Handballspielerin und hatte damals das Angebot bekommen, für einen Verein in Hafnarfjördur zu spielen. Also sind wir hergezogen. Die Sprache zu lernen war anfangs sehr schwierig, in den ersten Monaten habe ich kein Wort verstanden. Aber inzwischen spreche ich ganz gut Isländisch – ich muss mich ja jeden Tag darin verständigen."
Die beste Reputation haben Litauer in Island nicht. Wann immer irgendwo eingebrochen wird oder Autos geknackt werden, heißt es, das waren bestimmt Litauer.
"Es gab einige, die nur hergekommen sind, um Verbrechen zu begehen, das stimmt. Ich schäme mich dafür. Ich glaube aber, dass sich der Ruf der Litauer hier in Zukunft bessert. Die Meisten leisten doch gute Arbeit."
Auf die Beziehungen zwischen Litauen und Island lässt Slapikas nichts kommen. Seine Kinder sind in Island geboren und auch er selbst sagt, dass er sich inzwischen eher als Isländer fühlt. Die Insel im Nordatlantik sei seine Heimat geworden.