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Auf die Mischung kommt es an

Aus zwei mach eins: Holz ist stabil, Plastik flexibel. Richtig gemischt ergibt das einen neuen Werkstoff. Fanden Mitarbeiter eines Unternehmens aus Baden-Württemberg heraus. Sie haben aus recyceltem Holz und Plastik ein neues Material entwickelt. Damit kann man Schreibtischstühle produzieren, Schranktüren oder Armaturenbretter für Autos bauen. Lina Panitz hat sich bei der Firma umgehört.

von: Lina Panitz |
    Aus zwei mach eins: Holz ist stabil, Plastik flexibel. Richtig gemischt ergibt das einen neuen Werkstoff. Fanden Mitarbeiter eines Unternehmens aus Baden-Württemberg heraus. Sie haben aus recyceltem Holz und Plastik ein neues Material entwickelt. Damit kann man Schreibtischstühle produzieren, Schranktüren oder Armaturenbretter für Autos bauen. Lina Panitz hat sich bei der Firma umgehört.

    „S2“ oder auch „Hightech Holz“ heißt der neue Werkstoff von Werzalit aus dem 8000 Seelenort Oberstenfeldf nördlich von Stuttgart. Das Material besteht aus Holzfasern und dem Kunststoff Polypropylen. Erhitzt und zu einem Brei gemischt, kann der Werkstoff grenzenlos geformt werden. Die genaue Mischung von Holzfasern und Kunststoff hängt davon ab, was das fertige Produkt später leisten soll. Je mehr Holz, desto starrer. Je mehr Kunststoff, desto flexibler. Für die Sitzschale eines Bürostuhls beispielsweise ist der maximale Holzanteil von 60 Prozent nötig. So wird der Sitzplatz fest, stabil und kann nicht durchbiegen. Welche Vorteile der neue Stoff sonst noch hat, erklärt Marketing-Leiter Rolf Herzog.

    Der Werkstoff bietet ganz eindeutig sehr gute Produkteigenschaften. Dazu zählt zum Beispiel die Fließfähigkeit. Es lässt sich bearbeiten wie Holz, mit ganz normalen Werkzeugen. Es ist recyclingfähig, was sehr sehr wichtig ist. Es ist wetterbeständig.

    Der Werkstoff fühlt sich an wie Plastik. Seine glatte Oberfläche ist faserig gemustert. Das kommt durch den Holzanteil. Ob farbig oder nicht, hängt davon ab, ob neuer oder recycelter Kunststoff zugemischt wird. Nimmt man alten Kunststoff aus geschredderten Gießkannen und Spüliflaschen, werden die Oberflächen gesprenkelt. Das heißt, eine reine Farbe wie beispielsweise Gelb, entsteht nur mit neuem Kunststoff. Mit recyceltem Material wären alle Gelb-Schattierungen von Orange bis Zitronengelb drin. Der Stoff ist formaldehydfrei, da weder Leime noch Bindemittel verwendet werden. Und für die technischen und physikalischen Eigenschaften des Stoffs macht es keinen Unterschied, ob recycelter oder neuer Kunststoff verarbeitet wird. Marketing-Leiter Herzog:

    Im Prinzip können Sie alles machen, von Schranktüren bis hin zu Regalfächern, Schubladenteilen, Tischen, richtig sinnvoll ist es eben immer da, wo auch eine dreidimensionale Verformung gewünscht wird.

    Damit sind Ausbuchtungen gemeint, die bei einer Handyschale, einem Armaturenbrett oder einem Schreibtischstuhl nötig sind. Mit reinem Holz sind solche Formen nicht machbar. Zumindest nicht in einem Stück. Ein weiterer Vorteil von S2: Die Produktion ist relativ billig. Gegenüber reinem Plastik spart der Einsatz der preiswerteren Holzfasern 30 Prozent. Wird außerdem noch recycelter Kunststoff genutzt, kommen noch mal 20 Prozent Kostenersparnis hinzu. Das Holzfaser-Polypropylen-Gemisch ist also gut die Hälfte billiger als herkömmliche Kunststoffe. Inzwischen bearbeitet das Unternehmen die ersten Aufträge für Sitzschalen. Doch Marketing-Leiter Herzog weiß, da wird noch mehr kommen.

    Die Nachfrage ist sehr hoch. Wir haben diesen Werkstoff jetzt auch auf’m Innovationszentrum in Hannover vorgestellt, erstmals dieses Jahr nach der Entwicklung. Und wir hatten ganz hervorragende Resonanz aus den verschiedensten Bereichen. Also sowohl aus der Automobilindustrie, aus dem technischen Bereich bis hin aber auch zum gestalterischen Bereich, also auch Designer waren sehr angetan von der Optik von diesem Werkstoff, auch von der Natürlichkeit von dem Werkstoff.

    Natürlichkeit und Umweltschutzaspekte waren für Werzalit bei der Planung eher nebensächlich. Ein neuer Stoff mit neuen Eigenschaften sollte her. Der Recyclinganteil kam durch Zufall dazu. Jetzt wirbt das Unternehmen mit den Umweltvorteilen seines neuen Produkts. Ökologen missfällt das allerdings. Regina Schubert von KATALYSE, dem Kölner Institut für angewandte Umweltforschung, hält solche Werbestrategien für Feigenblätter. Es gebe immer noch zu viele Plastikprodukte. Davon werde höchstens ein Prozent wiederverwertet. Und daran ändere auch der neue Werkstoff nichts. Einen positiven Aspekt räumt Schubert aber ein:

    Ein Vorteil von recycelten Kunststoffmöbeln wäre, dass der Kunststoff in der Herstellung nur 10 Prozent der Energie erfordert, die ein neues Kunststoffmöbel erfordern würde. Und zum zweiten, der Rohstoff Erdöl wird in dem Fall dann auch nicht verwendet.

    Wer jedoch wirklich umweltfreundliche Möbel haben wolle, meint Schubert, solle lieber gleich Öko-Möbel aus Holz kaufen.