Mit dem Fahrrad unterwegs in Neuseeland. Der Schotterweg führt durch karstiges Hochland. Von einem stahlblauen Himmel gleißt die Sonne auf die von wochenlanger Trockenheit braun gebrannten Grashügel. Es ist Sommer in Central Otago, einer urtümlichen Region im Süden der Südinsel Neuseelands. Urtümlich, weil sich aus dem braunen Gras schwarze Schieferfelsen auftürmen, die wie dunkle Wächter das Land zu beschützen scheinen. Thor nennt man sie hier, nach dem nordischen Donnergott. Wegen ihres mythischen Charakters war diese Landschaft auch einer der Hauptschauplätze für die Herr-der-Ringe-Verfilmung und jetzt wieder für die Hobbit-Trilogie.
Weiter geht es auf dem Central Otago Railtrail, einem Radwanderweg, der in mehreren Tagesetappen durch eine grandiose Kinolandschaft führt. Er heißt Railtrail, weil der Weg eigentlich auf dem Gleisbett einer stillgelegten Bahnlinie verläuft. Sie wurde im 19. Jahrhundert gebaut, um von der Hafenstadt Dunedin aus die Goldminen im Hinterland zu erschließen. Denn Central Otago war auch Schauplatz eines gigantischen Goldrausches, der dem in Kalifornien nicht nachstand. Als die Goldminen Kaliforniens versiegten, zogen die Abenteurer aus aller Welt zu neuen Goldfunden in Australien und dann nach Neuseeland. Die kleine Hafenstadt Dunedin, eine Gründung schottischer Siedler, boomte und wurde zur reichsten Stadt Neuseelands. Die Banken bunkerten das Gold, das in eskortierten Kutschen über die Berge im Hinterland anrollte, tonnenweise in ihren Safes.
Wir fahren durch den kleinen Ort Clyde und steigen vor dem Dunstan House, unserer ersten Unterkunft, ab. Dunstan House ist ein zweistöckiges Steingebäude im Kolonialstil mit einer großen Veranda, die auf hölzernen Pfeilern zur Straße blickt. An der Seite ein Schild, das "Good stabling”, also "Gute Ställe” anbietet. Man wäre nicht überrascht, wenn gleich ein Cowboy sein Pferd am Pfosten festmachte und in den Saloon stolzierte.
Beim Frühstück erzählt uns Judy, die Wirtin des Dunstan House, wie der Goldrausch das kleine Dorf Clyde verwandelte:
"Clyde ist auf dem Goldrausch gebaut. Auf dem Höhepunkt arbeiteten hier 12.000 Goldgräber am Fluss. Es war ein Riesengeschäft. Es gab 43 Kneipen entlang der Hauptstraße und drei Opiumhöhlen für die Chinesen.”"
Im Museum von Clyde sind wir mit der Historikerin Louise und dem Kurator John verabredet. Sie erzählen vom "Big Bang”, mit dem alles anfing. Um 1860 hatte es sich schon herumgesprochen, dass es in den Gebirgsflüssen Central Otagos Gold gab. Zwei Goldgräber, ein Amerikaner und ein Ire, fanden 1862 in einer abgelegenen Schlucht eine reiche Ader. Es gelang ihnen, sie vor den anderen Goldschürfern geheim zu halten und sie schleppten ihren Fund mühselig über die verschneiten Berge nach Dunedin.
Louise: ""Und dann kamen sie endlich nach Dunedin, gingen in das Gold Office mit zwei Säcken, die zusammengeflickt waren aus Stoffresten ihrer Hosen und ihres Zeltes. Sie warfen die Säcke auf die Waage: 97 Pfund Gold! Das war das Äquivalent zu 34 Kilo Gold. Und das hat gezündet. Pandemonium - der Goldrausch begann.”"
John: ""Die Nachricht ging rum in Dunedin, das damals nur eine kleine Ortschaft war. Banker und Anwälte, Arbeiter und Arbeitslose - alle brachen auf zum Goldrausch."
Louise: "Die Restaurants verloren ihre Bedienungen, die hauten einfach ab. Einige Schiffe verloren ihre Mannschaft. Die Leute ließen alles stehen und liegen und rannten fort. Packpferde waren gleich ausverkauft, alles Goldgräberwerkzeug flog buchstäblich aus den Schaufenstern.”"
John: ""Natürlich wusste niemand, wie die Bedingungen dort waren in diesem Teil des Landes. Das nannte man das Ödland: grau, kahl, felsig, im Winter sehr kalt, Frost bis minus 15."
Wir radeln weiter auf dem Railtrail. Es ist ein sonniger Spätsommernachmittag, ein nahezu endloser azurblauer Himmel spannt sich über braunen Hügeln. In einem Tal zwischen zwei Bergketten steigt die Strecke leicht an zum Tiger Hill. Das ist das Gute am Railtrail: Die Steigung ist nie größer als zwei bis drei Prozent, weil die Dampflokomotiven im 19. Jahrhundert nicht mehr verkrafteten. Und so müssen sich auch die heutigen Radler nicht übermäßig anstrengen in dieser bergigen Landschaft.
Nach dem Ort Lauder führt der Railtrail über ein Viadukt, das in einem 110 Meter langen Bogen den Manuherikia River überquert, mit großartigen Ausblicken links und rechts auf das Flusstal. Was für eine Bahnfahrt das gewesen sein muss, damals Ende des 19. Jahrhunderts, als die Strecke nach 40-jähriger Bauzeit endlich fertig wurde. Nur um drei Jahrzehnte später wieder geschlossen zu werden. Aber ohne sie gäbe es heute keinen Railtrail. Auf Viadukte folgen Tunnel, durch die man mit Stirnlampe fährt, eine Gelegenheit die Akustik in so einem Tunnel zu testen.
Über den Tiger Hill kommen wir nach Naseby, noch ein nostalgischer alter Goldgräberort, der jeden Western zieren würde. Zwei Tavernen, ein Café und viele "miners cottages”, die ehemaligen Holzhütten der Goldgräber. Und eine kleine weiße Holzkapelle namens "Churchmouse”, Kirchenmaus, unsere Unterkunft für die nächste Nacht. Die Kirchenmaus gehört Susie, einer deutschen Einwanderin aus dem Rheinland und ihrem neuseeländischen Partner. Wie kam sie dazu?
"Die ist 1906 gebaut worden und jahrelang für Kirchendienste benutzt worden, für die Gemeinde, die Goldgräber, die Bauern. Und jetzt leben hier in Naseby nur noch drei Katholiken und die gehen ins nächste Dorf am Sonntag. Und die Katholische Kirche hat die dann verkaufen wollen und wir haben die gottseidank erstanden. Und mein Vater sagte dazu: Ja ja, das ist ja wie die armen Kirchenmäuse. Und arm sind wir jetzt mit der Kirche.”"
Gleich hinter dem Eingang steht ein hölzerner Beichtstuhl, das Kirchenschiff ist zum Wohnzimmer mit Couchgarnitur und Küchenecke ausgebaut, auf der Empore ist ein Doppelbett. Und die ehemalige Sakristei fungiert als Badezimmer. So gemütlich war noch keine Kirche.
Auch Naseby hat eines der vielen kleinen Provinzmuseen, die Relikte aus der Goldgräberzeit zeigen. Sam, ein einheimischer Fremdenführer, zeigt uns die wichtigsten Werkzeuge der Goldgräber. Mit der "Pan”, der Pfanne, die eigentlich ein großer Blechteller war, wurden die Goldkiesel aus dem Flussbett gewaschen. Das war nicht ergiebig, die Pfanne diente eigentlich nur zum Schürfen, also dem Suchen nach Gold. Hatte man eine Ader gefunden, kam eine Holzapparatur zum Einsatz, in der über mehrere Lagen von Sieben das feine Gold vom Geröll getrennt wurde.
""Das nannte man eine "Wiege”, weil man es hin und hergewogen hat, um das feine Material mit dem Wasser durch die Siebe zu spülen und die goldhaltigen Steine blieben dann hängen. Das war also mehr oder weniger ein Einmannbetrieb."
Dabei blieb es nicht. Bald bildeten sich sogenannte "Gangs”, die zusammen schürften und sich den Fund teilten. Der Aufwand wurde größer. Kilometerlange Wasserkanäle wurden gebaut, um das Wasser aus dem Oberlauf der Flüsse zu den Gruben zu leiten. Dort spritzte man mit Wasserwerfern die Kieshänge ab. "Sluicing” nannte man das und es gibt auch ein deutsches Wort dafür: "Abspritzgewinnung”. Geregelte Wasserversorgung war für die Goldgräber fast so wichtig wie das Gold selbst.
"Die Goldgräber haben nicht immer ihre Wasserkanäle selber gegraben, um das Wasser zu den Minen zu bringen. Das war ein separater Betrieb und die Leute, die die Kanäle gruben, machten oft mehr Geld als die, die da im Boden rumgruben. Weil sie die Wasserversorgung kontrollierten, haben sie das Wasser an die Goldgräber verkauft. Und da gab es einen Streik hier in den frühen Tagen, weil die Goldgräber sich weigerten, so viel Geld für das Wasser zu bezahlen.”"
Im nächsten Ort, Ranfurly, empfängt uns schon wieder eine Kirche. Diesmal wohnen wir in einem ehemaligen Pfarrhaus neben einer roten Ziegelkirche. Die Maniototo Lodge wird von Gary und Chris geführt, die aus der Millionenstadt Auckland hier aufs Land gezogen sind und sich mit ihrer Bed- & Breakfast-Pension die Rente aufbessern. Maniototo nennt man die Hochebene zwischen den Bergrücken von Central Otago. Gary fährt uns mit seinem Geländewagen in die Berge hinter Ranfurly, wo früher einige der größten Goldminen betrieben wurden. Aus der Ferne sieht man schon die Wasserrinnen, die kilometerlang die Berghänge durchfurchen wie Narben die Wange eines Fechters. Weiter oben sehen wir, wie mittels Abspritzgewinnung ganze Berge abgetragen wurden. In der letzten Phase des Goldrausches kamen auch riesige, dampfgetriebene Schaufelbagger zum Einsatz, um das letzte Quäntchen Gold aus dem Boden zu holen. Übrig blieben riesige Gruben und Kraterlandschaften. Mit dem industriellen Abbau war Ende des 19. Jahrhunderts die alte Goldgräber-Romantik vorbei. Wer von den Goldgräbern noch da war, arbeitete für die großen Minengesellschaften. Gary beneidet sie nicht:
""Die lebten in einem Umfeld, wo der Firma alles gehörte, einschließlich des örtlichen Ladens und der Kneipe und wahrscheinlich auch des Bordells. Die kamen hier, gruben für Monate und Monate und sind mit nichts heimgekehrt. Weil alles für Bier und Essen draufging. Ich glaube nicht, dass irgendeiner hier reich rauskam. Vielleicht die ersten, aber danach nicht mehr.”"
Gary will uns noch jemanden vorstellen, einen leibhaftigen Goldgräber, der immer noch sein Glück in den Bergflüssen sucht, über hundert Jahre nach Ende des Goldrausches. Dazu fahren wir in dessen Stammkneipe am Dansey’s Pass.
Am Ende des Tresens lehnt ein schmächtiger alter Mann mit einem zerbeulten Hut: Des ist 81 Jahre alt, der letzte aktive Goldgräber in Central Otago. Vor mehr als 60 Jahren hat er seinen Job bei einer Schifffahrtsgesellschaft in Dunedin gekündigt, um in der Einsamkeit der Berge am Dansey’s Pass nach Gold zu schürfen. Ein alter Goldgräber, der selber noch beim großen Rausch dabei war, hat ihm gezeigt, wie man es macht:
""Normalerweise schaust du an der Innenseite einer Flussbiegung. Aber nach jahrelanger Erfahrung weißt du nur nach dem Gewicht der Steine, ob du in Goldland bist. Die Art der Steine, ihre Farbe, der Schlamm ... Das größte am Gold ist, es zu finden. Wenn du es mal gefunden hast, ist es einfach, es aus dem Boden zu kriegen, kein Problem. Eine Menge Geduld brauchst du, ich hatte viele Fehlversuche. Mein alter Freund hat immer gesagt: hell und gelb, hart und kalt. Wo ist es? Da ist es! Gold, Gold, Gold."
Dann reicht uns der Barmann eine kleine Broschüre: ein Gedichtband von Des Styles. Sein Titel: "Prospecting for Words” - "Schürfen nach Wörtern”. Ein Goldgräber, der dichtet? Das macht neugierig und ich bitte Des, uns ein Gedicht vorzulesen. Es heißt: "The Miner”, der Gräber, und handelt von der Einsamkeit in den Bergen. Ein Abgesang auf die Männer, die vor 150 Jahren in den einsamen Bergtälern schufteten.
""Up among the tussocks the mountain and the sky
where his thoughts return to innocence and he only wonders why.”"
- Da oben zwischen Gras und Berg und Himmel
wo seine Gedanken die Unschuld wiederfinden und er weiß es nicht warum.
""But he loved the simple lifestyle and the surroundings so serene
and when he lay in the bed at night that’s where he set his dream.”"
- Aber er liebt das einfache Leben und die Umgebung so ruhig und gelassen. Und wenn er nachts im Bett lag, gingen seine Träume dahin.
""Where the hawk and hare and skylark and the purple butterfly,
and the wind comes gently through the hills like a newborn baby’s sigh.”"
- Wo der Falke und der Hase und die Lerche und der lila Schmetterling,
und der Wind kommt sanft über die Hügel wie der Seufzer eines neugeborenen Babys.
Weiter geht es auf dem Central Otago Railtrail, einem Radwanderweg, der in mehreren Tagesetappen durch eine grandiose Kinolandschaft führt. Er heißt Railtrail, weil der Weg eigentlich auf dem Gleisbett einer stillgelegten Bahnlinie verläuft. Sie wurde im 19. Jahrhundert gebaut, um von der Hafenstadt Dunedin aus die Goldminen im Hinterland zu erschließen. Denn Central Otago war auch Schauplatz eines gigantischen Goldrausches, der dem in Kalifornien nicht nachstand. Als die Goldminen Kaliforniens versiegten, zogen die Abenteurer aus aller Welt zu neuen Goldfunden in Australien und dann nach Neuseeland. Die kleine Hafenstadt Dunedin, eine Gründung schottischer Siedler, boomte und wurde zur reichsten Stadt Neuseelands. Die Banken bunkerten das Gold, das in eskortierten Kutschen über die Berge im Hinterland anrollte, tonnenweise in ihren Safes.
Wir fahren durch den kleinen Ort Clyde und steigen vor dem Dunstan House, unserer ersten Unterkunft, ab. Dunstan House ist ein zweistöckiges Steingebäude im Kolonialstil mit einer großen Veranda, die auf hölzernen Pfeilern zur Straße blickt. An der Seite ein Schild, das "Good stabling”, also "Gute Ställe” anbietet. Man wäre nicht überrascht, wenn gleich ein Cowboy sein Pferd am Pfosten festmachte und in den Saloon stolzierte.
Beim Frühstück erzählt uns Judy, die Wirtin des Dunstan House, wie der Goldrausch das kleine Dorf Clyde verwandelte:
"Clyde ist auf dem Goldrausch gebaut. Auf dem Höhepunkt arbeiteten hier 12.000 Goldgräber am Fluss. Es war ein Riesengeschäft. Es gab 43 Kneipen entlang der Hauptstraße und drei Opiumhöhlen für die Chinesen.”"
Im Museum von Clyde sind wir mit der Historikerin Louise und dem Kurator John verabredet. Sie erzählen vom "Big Bang”, mit dem alles anfing. Um 1860 hatte es sich schon herumgesprochen, dass es in den Gebirgsflüssen Central Otagos Gold gab. Zwei Goldgräber, ein Amerikaner und ein Ire, fanden 1862 in einer abgelegenen Schlucht eine reiche Ader. Es gelang ihnen, sie vor den anderen Goldschürfern geheim zu halten und sie schleppten ihren Fund mühselig über die verschneiten Berge nach Dunedin.
Louise: ""Und dann kamen sie endlich nach Dunedin, gingen in das Gold Office mit zwei Säcken, die zusammengeflickt waren aus Stoffresten ihrer Hosen und ihres Zeltes. Sie warfen die Säcke auf die Waage: 97 Pfund Gold! Das war das Äquivalent zu 34 Kilo Gold. Und das hat gezündet. Pandemonium - der Goldrausch begann.”"
John: ""Die Nachricht ging rum in Dunedin, das damals nur eine kleine Ortschaft war. Banker und Anwälte, Arbeiter und Arbeitslose - alle brachen auf zum Goldrausch."
Louise: "Die Restaurants verloren ihre Bedienungen, die hauten einfach ab. Einige Schiffe verloren ihre Mannschaft. Die Leute ließen alles stehen und liegen und rannten fort. Packpferde waren gleich ausverkauft, alles Goldgräberwerkzeug flog buchstäblich aus den Schaufenstern.”"
John: ""Natürlich wusste niemand, wie die Bedingungen dort waren in diesem Teil des Landes. Das nannte man das Ödland: grau, kahl, felsig, im Winter sehr kalt, Frost bis minus 15."
Wir radeln weiter auf dem Railtrail. Es ist ein sonniger Spätsommernachmittag, ein nahezu endloser azurblauer Himmel spannt sich über braunen Hügeln. In einem Tal zwischen zwei Bergketten steigt die Strecke leicht an zum Tiger Hill. Das ist das Gute am Railtrail: Die Steigung ist nie größer als zwei bis drei Prozent, weil die Dampflokomotiven im 19. Jahrhundert nicht mehr verkrafteten. Und so müssen sich auch die heutigen Radler nicht übermäßig anstrengen in dieser bergigen Landschaft.
Nach dem Ort Lauder führt der Railtrail über ein Viadukt, das in einem 110 Meter langen Bogen den Manuherikia River überquert, mit großartigen Ausblicken links und rechts auf das Flusstal. Was für eine Bahnfahrt das gewesen sein muss, damals Ende des 19. Jahrhunderts, als die Strecke nach 40-jähriger Bauzeit endlich fertig wurde. Nur um drei Jahrzehnte später wieder geschlossen zu werden. Aber ohne sie gäbe es heute keinen Railtrail. Auf Viadukte folgen Tunnel, durch die man mit Stirnlampe fährt, eine Gelegenheit die Akustik in so einem Tunnel zu testen.
Über den Tiger Hill kommen wir nach Naseby, noch ein nostalgischer alter Goldgräberort, der jeden Western zieren würde. Zwei Tavernen, ein Café und viele "miners cottages”, die ehemaligen Holzhütten der Goldgräber. Und eine kleine weiße Holzkapelle namens "Churchmouse”, Kirchenmaus, unsere Unterkunft für die nächste Nacht. Die Kirchenmaus gehört Susie, einer deutschen Einwanderin aus dem Rheinland und ihrem neuseeländischen Partner. Wie kam sie dazu?
"Die ist 1906 gebaut worden und jahrelang für Kirchendienste benutzt worden, für die Gemeinde, die Goldgräber, die Bauern. Und jetzt leben hier in Naseby nur noch drei Katholiken und die gehen ins nächste Dorf am Sonntag. Und die Katholische Kirche hat die dann verkaufen wollen und wir haben die gottseidank erstanden. Und mein Vater sagte dazu: Ja ja, das ist ja wie die armen Kirchenmäuse. Und arm sind wir jetzt mit der Kirche.”"
Gleich hinter dem Eingang steht ein hölzerner Beichtstuhl, das Kirchenschiff ist zum Wohnzimmer mit Couchgarnitur und Küchenecke ausgebaut, auf der Empore ist ein Doppelbett. Und die ehemalige Sakristei fungiert als Badezimmer. So gemütlich war noch keine Kirche.
Auch Naseby hat eines der vielen kleinen Provinzmuseen, die Relikte aus der Goldgräberzeit zeigen. Sam, ein einheimischer Fremdenführer, zeigt uns die wichtigsten Werkzeuge der Goldgräber. Mit der "Pan”, der Pfanne, die eigentlich ein großer Blechteller war, wurden die Goldkiesel aus dem Flussbett gewaschen. Das war nicht ergiebig, die Pfanne diente eigentlich nur zum Schürfen, also dem Suchen nach Gold. Hatte man eine Ader gefunden, kam eine Holzapparatur zum Einsatz, in der über mehrere Lagen von Sieben das feine Gold vom Geröll getrennt wurde.
""Das nannte man eine "Wiege”, weil man es hin und hergewogen hat, um das feine Material mit dem Wasser durch die Siebe zu spülen und die goldhaltigen Steine blieben dann hängen. Das war also mehr oder weniger ein Einmannbetrieb."
Dabei blieb es nicht. Bald bildeten sich sogenannte "Gangs”, die zusammen schürften und sich den Fund teilten. Der Aufwand wurde größer. Kilometerlange Wasserkanäle wurden gebaut, um das Wasser aus dem Oberlauf der Flüsse zu den Gruben zu leiten. Dort spritzte man mit Wasserwerfern die Kieshänge ab. "Sluicing” nannte man das und es gibt auch ein deutsches Wort dafür: "Abspritzgewinnung”. Geregelte Wasserversorgung war für die Goldgräber fast so wichtig wie das Gold selbst.
"Die Goldgräber haben nicht immer ihre Wasserkanäle selber gegraben, um das Wasser zu den Minen zu bringen. Das war ein separater Betrieb und die Leute, die die Kanäle gruben, machten oft mehr Geld als die, die da im Boden rumgruben. Weil sie die Wasserversorgung kontrollierten, haben sie das Wasser an die Goldgräber verkauft. Und da gab es einen Streik hier in den frühen Tagen, weil die Goldgräber sich weigerten, so viel Geld für das Wasser zu bezahlen.”"
Im nächsten Ort, Ranfurly, empfängt uns schon wieder eine Kirche. Diesmal wohnen wir in einem ehemaligen Pfarrhaus neben einer roten Ziegelkirche. Die Maniototo Lodge wird von Gary und Chris geführt, die aus der Millionenstadt Auckland hier aufs Land gezogen sind und sich mit ihrer Bed- & Breakfast-Pension die Rente aufbessern. Maniototo nennt man die Hochebene zwischen den Bergrücken von Central Otago. Gary fährt uns mit seinem Geländewagen in die Berge hinter Ranfurly, wo früher einige der größten Goldminen betrieben wurden. Aus der Ferne sieht man schon die Wasserrinnen, die kilometerlang die Berghänge durchfurchen wie Narben die Wange eines Fechters. Weiter oben sehen wir, wie mittels Abspritzgewinnung ganze Berge abgetragen wurden. In der letzten Phase des Goldrausches kamen auch riesige, dampfgetriebene Schaufelbagger zum Einsatz, um das letzte Quäntchen Gold aus dem Boden zu holen. Übrig blieben riesige Gruben und Kraterlandschaften. Mit dem industriellen Abbau war Ende des 19. Jahrhunderts die alte Goldgräber-Romantik vorbei. Wer von den Goldgräbern noch da war, arbeitete für die großen Minengesellschaften. Gary beneidet sie nicht:
""Die lebten in einem Umfeld, wo der Firma alles gehörte, einschließlich des örtlichen Ladens und der Kneipe und wahrscheinlich auch des Bordells. Die kamen hier, gruben für Monate und Monate und sind mit nichts heimgekehrt. Weil alles für Bier und Essen draufging. Ich glaube nicht, dass irgendeiner hier reich rauskam. Vielleicht die ersten, aber danach nicht mehr.”"
Gary will uns noch jemanden vorstellen, einen leibhaftigen Goldgräber, der immer noch sein Glück in den Bergflüssen sucht, über hundert Jahre nach Ende des Goldrausches. Dazu fahren wir in dessen Stammkneipe am Dansey’s Pass.
Am Ende des Tresens lehnt ein schmächtiger alter Mann mit einem zerbeulten Hut: Des ist 81 Jahre alt, der letzte aktive Goldgräber in Central Otago. Vor mehr als 60 Jahren hat er seinen Job bei einer Schifffahrtsgesellschaft in Dunedin gekündigt, um in der Einsamkeit der Berge am Dansey’s Pass nach Gold zu schürfen. Ein alter Goldgräber, der selber noch beim großen Rausch dabei war, hat ihm gezeigt, wie man es macht:
""Normalerweise schaust du an der Innenseite einer Flussbiegung. Aber nach jahrelanger Erfahrung weißt du nur nach dem Gewicht der Steine, ob du in Goldland bist. Die Art der Steine, ihre Farbe, der Schlamm ... Das größte am Gold ist, es zu finden. Wenn du es mal gefunden hast, ist es einfach, es aus dem Boden zu kriegen, kein Problem. Eine Menge Geduld brauchst du, ich hatte viele Fehlversuche. Mein alter Freund hat immer gesagt: hell und gelb, hart und kalt. Wo ist es? Da ist es! Gold, Gold, Gold."
Dann reicht uns der Barmann eine kleine Broschüre: ein Gedichtband von Des Styles. Sein Titel: "Prospecting for Words” - "Schürfen nach Wörtern”. Ein Goldgräber, der dichtet? Das macht neugierig und ich bitte Des, uns ein Gedicht vorzulesen. Es heißt: "The Miner”, der Gräber, und handelt von der Einsamkeit in den Bergen. Ein Abgesang auf die Männer, die vor 150 Jahren in den einsamen Bergtälern schufteten.
""Up among the tussocks the mountain and the sky
where his thoughts return to innocence and he only wonders why.”"
- Da oben zwischen Gras und Berg und Himmel
wo seine Gedanken die Unschuld wiederfinden und er weiß es nicht warum.
""But he loved the simple lifestyle and the surroundings so serene
and when he lay in the bed at night that’s where he set his dream.”"
- Aber er liebt das einfache Leben und die Umgebung so ruhig und gelassen. Und wenn er nachts im Bett lag, gingen seine Träume dahin.
""Where the hawk and hare and skylark and the purple butterfly,
and the wind comes gently through the hills like a newborn baby’s sigh.”"
- Wo der Falke und der Hase und die Lerche und der lila Schmetterling,
und der Wind kommt sanft über die Hügel wie der Seufzer eines neugeborenen Babys.