Lothar Guckeisen: In der heutigen Wissensgesellschaft, da ist Weiterbildung Pflicht. Die Formel vom lebenslangen Lernen ist sozusagen das Mantra unserer Zeit. Da sollte man eigentlich annehmen, dass die Dozenten und Lehrer im Bereich der Weiterbildung entsprechend wertgeschätzt und entlohnt werden. Doch genau das Gegenteil ist offenbar der Fall. Gerade hier findet man besonders häufig sogenannte prekär Beschäftigte. Was das bedeutet, das hat Rolf Dobischat, Professor an der Uni Duisburg-Essen, im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft untersucht. Herr Dobischat, was ist das Wichtigste Ergebnis Ihrer Studie?
Rolf Dobischat: Das Wichtigste Ergebnis ist, dass sich die Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Weiterbildung insgesamt auseinanderentwickeln und wir zunehmend polare Strukturen finden: auf der einen Seite Beschäftigungsverhältnisse, die – wie Sie bereits ja sagten – prekär sind, auf der anderen Seite aber Beschäftigungsverhältnisse, die relativ gut bezahlt werden und relativ stabil sind.
Guckeisen: Woher kommt diese Zweiteilung?
Dobischat: Die Zweiteilung kommt daher, dass sich der Weiterbildungsbereich, insbesondere der öffentlich geförderte und öffentlich finanzierte Weiterbildungsbereich, nach den ganzen Gesetzen durch die Hartz-Reformen deutlich verändert hat. Die Teilnehmerzahlen sind zurückgegangen, die Mittel sind gekürzt worden, was natürlich an die Bildungsträger als Veranstaltung von Maßnahmen und Kursen durchgestellt worden ist, die ihre Arbeitsverhältnisse daraufhin natürlich anpassen mussten, wenn man es so vorsichtig formuliert. Und diese Anpassung ist auch zulasten der Beschäftigten gelaufen.
Guckeisen: Das heißt, diese Negativentwicklung, die Sie festgestellt haben, ist besonders im öffentlichen Bereich festzustellen?
Dobischat: Ja, und das ist der Ausdruck auch der Polarisierung. Wir haben wirklich zunehmend prekäre Beschäftigungsverhältnis im Bereich der öffentlich finanzierten beruflichen Weiterbildung und eben die relativ stabilen Verhältnisse im Bereich der privatwirtschaftlichen beruflichen Weiterbildung.
Guckeisen: Was heißt eigentlich genau prekär, worunter leiden die Betroffenen, was hört man da, wenn man mit denen spricht?
Dobischat: Für prekär gibt es aus unserer Perspektive mehrere Merkmale. Die dort beschäftigt sind, sind meistens hauptamtlich als Honorarkräfte beschäftigt. Also es geht nicht mehr um die Festanstellung in tariflichen Strukturen, sondern sie sind auf Honorarbasis beschäftigt, sie sind mehrfach beschäftigt, das heißt, bei unterschiedlichen Bildungsträgern nehmen sie Aufgaben wahr. Sie sind befristet beschäftigt, für sie werden keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, sondern das bezahlen sie selbst von ihrem Einkommen. Sie haben relativ wenig Möglichkeiten, sich weiterzubilden, weil es keine Kostenübernahme durch die Beschäftigungsbetriebe und keine Freistellungen gibt. Und sie haben damit im Grunde genommen auch relativ reduzierte Chancen auf eine weitere Professionalisierung. Das sind die Merkmale, die wir eigentlich als prekär einstufen. Ich will Ihnen mal eine Zahl nennen: Wir haben also in unseren Fallstudien ermittelt, dass jemand, der als hauptamtliche Honorarkraft tätig ist, also seinen Lebensunterhalt damit bestreiten muss, Einkommen hat zwischen 800 und 1200 Euro bei einem Stundenvolumen von 20 Wochenstunden Unterricht im Bereich der prekären Beschäftigten. Und wir haben im Bereich der Festangestellten, aber auch der Honorarkräfte im Bereich der beruflichen, privatwirtschaftlich finanzierten Weiterbildung Einkommen, die weit über 3000 liegen. Und die Schere ist ja nun wirklich eklatant und die ist nach unserer Ansicht und nach unseren Ergebnissen in den letzten Jahren deutlich auseinandergegangen.
Guckeisen: Fragt man sich natürlich, warum kriegen die einen so viel, die anderen so wenig. Das haben wir schon ein bisschen gestreift, weil die öffentliche Hand eben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung hat, das ist ein Grund. Aber ist es vielleicht auch so, dass man sagen kann, der Druck auf dem Arbeitsmarkt ist so groß, dass viele sagen, besser prekär als gar nicht beschäftigt?
Dobischat: Natürlich, die Beschäftigten haben keine Alternative. Sie haben ja alle im Grunde genommen ausnahmslos ein Hochschulstudium absolviert und sind durch mehr oder minder Zufälle in diese Bereiche hineingekommen, weil eben der Arbeitsmarkt in diesem Bereich insgesamt angespannt ist in der Erwachsenenbildung. Und insofern müssen Sie sich mit diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen einfach zufriedengeben, was natürlich im Hinblick auf die Wahrnehmung von Lebenschancen, im Hinblick auf die eigene Qualifizierung, auf die eigene Professionalisierung mehr als skandalös ist.
Guckeisen: Man fragt sich natürlich, das sind gut ausgebildete Leute, warum ist das Thema in der Gesellschaft dennoch so wenig virulent, warum wird darüber so wenig gesprochen?
Dobischat: Für mich ist es eigentlich frappierend immer festzustellen, wie in politischen Sonntagsreden darauf hingewiesen wird, wie lebenslanges Lernen, wie wichtig das ist, gerade in einer Wissensgesellschaft. Auf der anderen Seite wird billigend in Kauf genommen, dass sich diejenigen, die eigentlich für lebenslanges Lernen zuständig sind, die Weiterbildner, die Unterrichtstätigkeit, unterschiedlichste Gruppen im Grunde genommen betreuen müssen – das Klientel ist ja unheimlich breit –, dafür nicht angemessen bezahlt werden. Und es ist so, dass sich die Politik für dieses Feld bislang noch nicht so sehr interessiert.
Guckeisen: Nun ist es ja ein Feld, das immer wichtiger wird. Sie haben es ja auch gesagt, das Stichwort vom lebenslangen Lernen. Welche Konsequenzen hat das denn für den Bereich der Weiterbildung, wenn dort so schlecht bezahlt wird und solche schlechten Bedingungen vorherrschen? Das muss ja auch Konsequenzen haben, was die Motivation der Lehrenden beispielsweise anbelangt?
Dobischat: Also das hat nicht nur Auswirkungen auf die motivationale Lage, sondern das hat Auswirkungen auf die Qualität. Wenn Sie mal überlegen – wir haben einen Fall, ich nehme mal ein konkretes Beispiel einer allein erziehenden jungen Frau mit wirklich hervorragenden Qualifikationen, die zwischen sechs Arbeitgebern im Ruhrgebiet hin und her fährt, die Fahrtkosten noch selbst bezahlen muss und Unterricht kloppen muss – ich sag es mal so umgangssprachlich –, die hat keine Zeit mehr, sich vernünftig drauf vorzubereiten, weil es unterschiedliche Kurse mit unterschiedlichen Adressatengruppen sind. Und da ist eigentlich nur naheliegend, dass die Qualität langfristig eben darunter leidet, wenngleich sich alle, die wir auch interviewt haben, ungeheuer für Qualität und qualitative Merkmale aussprechen und viel dafür tun. Aber bei diesen Verhältnissen, unter denen die Beschäftigten da arbeiten müssen, ist Qualität langfristig nicht sicherbar.
Guckeisen: In "Campus & Karriere" Rolf Dobischat über seine Untersuchung zur prekären Beschäftigung im Bereich der Weiterbildung. Die Studie wird heute Abend um 17:30 Uhr auf einer öffentlichen Veranstaltung im Gewerkschaftshaus Düsseldorf vorgestellt.
Rolf Dobischat: Das Wichtigste Ergebnis ist, dass sich die Beschäftigungsverhältnisse im Bereich der Weiterbildung insgesamt auseinanderentwickeln und wir zunehmend polare Strukturen finden: auf der einen Seite Beschäftigungsverhältnisse, die – wie Sie bereits ja sagten – prekär sind, auf der anderen Seite aber Beschäftigungsverhältnisse, die relativ gut bezahlt werden und relativ stabil sind.
Guckeisen: Woher kommt diese Zweiteilung?
Dobischat: Die Zweiteilung kommt daher, dass sich der Weiterbildungsbereich, insbesondere der öffentlich geförderte und öffentlich finanzierte Weiterbildungsbereich, nach den ganzen Gesetzen durch die Hartz-Reformen deutlich verändert hat. Die Teilnehmerzahlen sind zurückgegangen, die Mittel sind gekürzt worden, was natürlich an die Bildungsträger als Veranstaltung von Maßnahmen und Kursen durchgestellt worden ist, die ihre Arbeitsverhältnisse daraufhin natürlich anpassen mussten, wenn man es so vorsichtig formuliert. Und diese Anpassung ist auch zulasten der Beschäftigten gelaufen.
Guckeisen: Das heißt, diese Negativentwicklung, die Sie festgestellt haben, ist besonders im öffentlichen Bereich festzustellen?
Dobischat: Ja, und das ist der Ausdruck auch der Polarisierung. Wir haben wirklich zunehmend prekäre Beschäftigungsverhältnis im Bereich der öffentlich finanzierten beruflichen Weiterbildung und eben die relativ stabilen Verhältnisse im Bereich der privatwirtschaftlichen beruflichen Weiterbildung.
Guckeisen: Was heißt eigentlich genau prekär, worunter leiden die Betroffenen, was hört man da, wenn man mit denen spricht?
Dobischat: Für prekär gibt es aus unserer Perspektive mehrere Merkmale. Die dort beschäftigt sind, sind meistens hauptamtlich als Honorarkräfte beschäftigt. Also es geht nicht mehr um die Festanstellung in tariflichen Strukturen, sondern sie sind auf Honorarbasis beschäftigt, sie sind mehrfach beschäftigt, das heißt, bei unterschiedlichen Bildungsträgern nehmen sie Aufgaben wahr. Sie sind befristet beschäftigt, für sie werden keine Sozialversicherungsbeiträge bezahlt, sondern das bezahlen sie selbst von ihrem Einkommen. Sie haben relativ wenig Möglichkeiten, sich weiterzubilden, weil es keine Kostenübernahme durch die Beschäftigungsbetriebe und keine Freistellungen gibt. Und sie haben damit im Grunde genommen auch relativ reduzierte Chancen auf eine weitere Professionalisierung. Das sind die Merkmale, die wir eigentlich als prekär einstufen. Ich will Ihnen mal eine Zahl nennen: Wir haben also in unseren Fallstudien ermittelt, dass jemand, der als hauptamtliche Honorarkraft tätig ist, also seinen Lebensunterhalt damit bestreiten muss, Einkommen hat zwischen 800 und 1200 Euro bei einem Stundenvolumen von 20 Wochenstunden Unterricht im Bereich der prekären Beschäftigten. Und wir haben im Bereich der Festangestellten, aber auch der Honorarkräfte im Bereich der beruflichen, privatwirtschaftlich finanzierten Weiterbildung Einkommen, die weit über 3000 liegen. Und die Schere ist ja nun wirklich eklatant und die ist nach unserer Ansicht und nach unseren Ergebnissen in den letzten Jahren deutlich auseinandergegangen.
Guckeisen: Fragt man sich natürlich, warum kriegen die einen so viel, die anderen so wenig. Das haben wir schon ein bisschen gestreift, weil die öffentliche Hand eben nicht mehr so viel Geld zur Verfügung hat, das ist ein Grund. Aber ist es vielleicht auch so, dass man sagen kann, der Druck auf dem Arbeitsmarkt ist so groß, dass viele sagen, besser prekär als gar nicht beschäftigt?
Dobischat: Natürlich, die Beschäftigten haben keine Alternative. Sie haben ja alle im Grunde genommen ausnahmslos ein Hochschulstudium absolviert und sind durch mehr oder minder Zufälle in diese Bereiche hineingekommen, weil eben der Arbeitsmarkt in diesem Bereich insgesamt angespannt ist in der Erwachsenenbildung. Und insofern müssen Sie sich mit diesen prekären Beschäftigungsverhältnissen einfach zufriedengeben, was natürlich im Hinblick auf die Wahrnehmung von Lebenschancen, im Hinblick auf die eigene Qualifizierung, auf die eigene Professionalisierung mehr als skandalös ist.
Guckeisen: Man fragt sich natürlich, das sind gut ausgebildete Leute, warum ist das Thema in der Gesellschaft dennoch so wenig virulent, warum wird darüber so wenig gesprochen?
Dobischat: Für mich ist es eigentlich frappierend immer festzustellen, wie in politischen Sonntagsreden darauf hingewiesen wird, wie lebenslanges Lernen, wie wichtig das ist, gerade in einer Wissensgesellschaft. Auf der anderen Seite wird billigend in Kauf genommen, dass sich diejenigen, die eigentlich für lebenslanges Lernen zuständig sind, die Weiterbildner, die Unterrichtstätigkeit, unterschiedlichste Gruppen im Grunde genommen betreuen müssen – das Klientel ist ja unheimlich breit –, dafür nicht angemessen bezahlt werden. Und es ist so, dass sich die Politik für dieses Feld bislang noch nicht so sehr interessiert.
Guckeisen: Nun ist es ja ein Feld, das immer wichtiger wird. Sie haben es ja auch gesagt, das Stichwort vom lebenslangen Lernen. Welche Konsequenzen hat das denn für den Bereich der Weiterbildung, wenn dort so schlecht bezahlt wird und solche schlechten Bedingungen vorherrschen? Das muss ja auch Konsequenzen haben, was die Motivation der Lehrenden beispielsweise anbelangt?
Dobischat: Also das hat nicht nur Auswirkungen auf die motivationale Lage, sondern das hat Auswirkungen auf die Qualität. Wenn Sie mal überlegen – wir haben einen Fall, ich nehme mal ein konkretes Beispiel einer allein erziehenden jungen Frau mit wirklich hervorragenden Qualifikationen, die zwischen sechs Arbeitgebern im Ruhrgebiet hin und her fährt, die Fahrtkosten noch selbst bezahlen muss und Unterricht kloppen muss – ich sag es mal so umgangssprachlich –, die hat keine Zeit mehr, sich vernünftig drauf vorzubereiten, weil es unterschiedliche Kurse mit unterschiedlichen Adressatengruppen sind. Und da ist eigentlich nur naheliegend, dass die Qualität langfristig eben darunter leidet, wenngleich sich alle, die wir auch interviewt haben, ungeheuer für Qualität und qualitative Merkmale aussprechen und viel dafür tun. Aber bei diesen Verhältnissen, unter denen die Beschäftigten da arbeiten müssen, ist Qualität langfristig nicht sicherbar.
Guckeisen: In "Campus & Karriere" Rolf Dobischat über seine Untersuchung zur prekären Beschäftigung im Bereich der Weiterbildung. Die Studie wird heute Abend um 17:30 Uhr auf einer öffentlichen Veranstaltung im Gewerkschaftshaus Düsseldorf vorgestellt.