Der Persische Golf glitzert in der Sonne, eine Dau - ihre großen Segel gesetzt - ist auf dem Weg zum alten Hafen. Es ist eine Aussicht, die es aus diesem Hotelzimmer schon bald nicht mehr geben wird. Denn direkt vor den Fenstern tanzen die Kräne. Arbeiter ziehen einen neuen Wolkenkratzer hoch, daneben werden Pfähle für das Fundament eines weiteren in den Korallenschutt gebohrt. Hier drinnen wirkt das alles wie ein lautloses Ballett.
Doch draußen spielen die Zementmischer, Presslufthämmer und Rammen ihre ganz eigene Melodie. Rund um die Uhr wird gearbeitet, sieben Tage pro Woche, während im neuen Hafen der Sand entladen wird, der die Großstadt wachsen lässt. Sand ist das Treibmittel der Modernität, Beton der Stoff, aus dem die Fortschrittsträume sind.
7.5 Trillionen Sandkörner sollen an den Stränden dieser Welt liegen. Eine sehr grobe Schätzung. Dazu die Sandkörner am Meeresboden, in den Flüssen und Seen. Zahlenmäßig haben die Sterne im Weltall gegen die Sandkörner überhaupt keine Chance.
"I am Pascal Peduzzi, I'm the director of Green Geneva, an office of the United Nations environment program."
Sand - das ist vor allem Quarz, eines der häufigsten Minerale in der Erdkruste, eines, das härter ist als Stahl und vielseitig einsetzbar -, erzählt Pascal Peduzzi vom UN-Umweltprogramm. Das macht ihn zum Motor des Industriezeitalters: Ohne die unscheinbaren Körner gäbe es weder Computerchips noch Solaranlagen.
"Wir bauen damit Straßen und Dämme, gewinnen neues Land, setzen ihn für Sandvorspülungen ein. Aber das Gros fließt in den Bausektor."
Mit dem Jahresverbrauch des Bausektors allein ließe sich rund um den Äquator eine 27 Meter hohe und 27 Meter breite Mauer aufschütten. Die Golf-Scheichtümer gieren nach Sand, ebenso die Länder Asiens - allen voran China. Die Dimensionen des Baubooms dort sind unvorstellbar:
"China braucht rund 60 Prozent der weltweit geförderten Sande und Kiese. Wegen der rasanten Entwicklung hat das Land in den letzten vier Jahren mehr Sand gebraucht als die USA im letzten Jahrhundert."
Was im Lauf von Jahrmillionen durch Verwitterung und Sedimentation entstanden ist, baut die Menschheit ab, als gäbe es kein Morgen: entlang von Flussläufen, Stränden und aus den Meeren.
"Es dürfte - genau wie beim Öl - auch beim Sand ein Fördermaximum geben."
Ein modern-minimalistisches Gebäude beherbergt auf dem Hönggerberg-Campus der ETH Zürich die Architekten. Klare Linien, mit Travertin verkleideter Beton und viel Glas. In diesem High-Tech-Gebäude arbeitet eine Forschergruppe von Dirk Hebel an Alternativen zum Sand in der Bauwirtschaft.
"Warum wir Architekten und Ingenieure daran interessiert sind, ist, dass w eit über 90% dieser Ressourcen für Bauaktivitäten verbraucht werden."
Wir sitzen in einem Besprechungszimmer: ein gläserner Raum, eingehängt in einen sehr viel größeren Raum.
"Das hat damit zu tun, dass Sand einen ganz, ganz wichtiger Zuschlagstoff in der Betonindustrie darstellt. In allen Putzen steckt normalerweise Sand, wenn sie auf mineralischer Basis sind, in sämtlichen Estrichböden, über die Sie laufen jeden Tag, ist Sand, in allen Fensterscheiben. Es ist im Endeffekt diese mineralische Komponente in ihrem Haus, die ohne den Sand eigentlich heute nicht auskommt."
Die Frage ist, ob das so sein muss. Seit seiner Zeit an der Universität von Addis Abeba favorisiert Dirk Hebel nachwachsende Baustoffe. Der Grund: Er sah sich mit einem für arme Länder typischen Problem konfrontiert - dem Mangel an Baumaterial:
"Also wir hatten Zeiten, in denen wir über mehrere Monate hinweg keinen Zement im Land hatten, wir hatten Zeiten, in denen wir keinen Stahl im Land hatten. Und ich habe damals angefangen zu überlegen, wie kann man aus dieser Misere herauskommen, dass man als Architekt in der Vorstellung des Bauens so limitiert ist, dass wir nur eine ganz, ganz enge Palette von Baumaterialien einsetzen - und auf der anderen Seite ein ganzes Land am Tropf hängt einer Industrie, die von wenigen Ländern dominiert wird."
Nachwachsende Baustoffe - für ein Haus der Zukunft, damit die knappe Ressource Sand nicht ausgebeutet wird.
"Meine Vision wäre eigentlich, dass wir in Zukunft Häuser bauen könnten, die wir nach dem Gebrauch nicht wegwerfen, sondern die wir auf den Kompost legen und durch eine Kompostierung im Endeffekt Nährstoffe entstehen und diese Nährstoffe wieder verwendet werden können, um neue regenerative Baumaterialien zu kreieren oder zu züchten."
Hebel gehört zu den Forschern, die dafür auf Mycelium setzen, auf das Wurzelwerk von Pilzen. Mit seiner Hilfe sollen Bausteine oder ganze Bauelemente wachsen: leichte Materialien, die gut isolieren.
"Wir sind jetzt hier im Labor und man sieht hier, dass wir verschiedene Materialien testen."
In dem fensterlosen Raum riecht es angenehm - nach Waldboden und Holz.
"Das sind unsere Mischschalen, in denen wir das Mycelium mischen. Wir erforschen gerade die Idee, wie wir dieses Pilzmycelium am besten wachsen lassen können und dann die Optimierung hin zu einem Baumaterial. Wieviel Feuchtigkeit, wieviel Wärme, an welchem Zeitpunkt, wie lange dauert das Wachstum."
Und so stehen in den Regalen hier Dutzende kleiner Gewächshäuser, alle ordentlich beschriftet mit den Namen der Pilze, die das Substrat durchwurzeln.
"Man sieht hinten eine ganze Batterie von Substraten, die wir mit unserem Mycelium verbinden lassen."
Was ist das alles?
"Wir haben hier von Holzspänen, von organischen Materialien bis hin zu Katzenstreu das ist im Endeffekt alles, was in irgendeiner Weise die Nährstoffe für das Myzelium liefern kann."
Auch Muscheln - oder was ist das?
"Das darf ich Ihnen jetzt alles nicht so sagen." (lacht)
Das Rezept klingt jedenfalls einfach: Man mische Pilzsporen - beispielsweise vom Baumpilz - mit Wasser und einem organischen Substrat, das die Nährstoffe liefert, und warte:
"Der Pilz fängt dann an, mit seinen Hyphen - das sind kleine Ärmchen - diese Nährstoffe aus dem Holz heraus zu spalten. Diese Hyphen halten sich ganz, ganz fest an diesem Holz, und je mehr von diesen Hyphen Sie wachsen lassen, umso fester wird dieses Konglomerat zwischen Holzspänen und Pilzmycelium."
Nach ein paar Tagen, wenn das Baumaterial fertig ist, wird das Ganze kurz auf 60 bis 80 Grad erhitzt. Der Pilz stirbt ab, aber das Material behält seine Festigkeit.
"Sie könnten eine ganze Wand wachsen lassen aus diesem Material. Doch testen wir natürlich gerade kleinmaßstäblich, weil wir erst einmal verstehen wollen, was passiert, was am besten funktioniert, welche Technologien wir entwickeln müssen dafür. Aber der Imagination sind keine Grenzen gesetzt. Man kann auch ein ganzes Haus wachsen lassen - als Bild. Das wird natürlich nicht so aussehen wie ein Pfifferling oder ein Steinpilz, aber die Struktur, das kleinste Teil, das darin enthalten ist, ist auf einer biologischen Basis gezüchtet worden."
Bis dahin ist es ein weiter Weg, denn noch laufen die Laborversuche. Von Kameras beobachtet stecken die hellbraunen Pilzsteine in verschiedensten Apparaturen, werden zusammengepresst oder verbogen.
"Zur Zeit ist das anwendbar für nichttragende Wände. Wir forschen hier gerade an unserem Lehrstuhl, das hinzubekommen, das auch für tragende Wände zu konstruieren."
Die Steine wiegen kaum mehr als Styropor und fühlen sich eher an wie raue Spanplatten. Kaum vorstellbar, dass sich daraus Hochhäuser bauen lassen. Doch darum geht es Dirk Hebel auch gar nicht.
"Wenn wir unsere heutige Situation anschauen, leben 80 % der Weltbevölkerung in Strukturen, die nicht höher als zwei Geschosse sind. d.h. wenn wir wirklich an einem großen Rad drehen wollen, müssten wir eigentlich auf diese Dinge hinarbeiten, dass wir alternative Materialen entwickeln können, die vor allem diesen Markt befriedigen."
Pascal Peduzzi: "Bis vor kurzem wurde Sand vor allem in Sandgruben und aus Flussbetten gefördert. Aber diese Ressourcen werden knapp, und damit hat sich die Gewinnung ins Meer und an die Küsten verlagert."
Keine Kraft auf der Erde bewegt mehr Wassersand als die Menschheit. Konservativen Schätzungen zufolge baut sie jährlich doppelt so viel ab, wie alle Flüsse der Welt nachliefern.
"Solche riesigen Mengen an Material bewegt man nicht ohne Folgen. Ausschlaggebend ist, wo abgebaut wird und wie. Sand- und Kiesgruben an Land, an Flüssen oder Seen können den Grundwasserspiegel absenken, Strömungen verändern. Der Abbau kann die Erosion antreiben und das Wasser trüben."
Strömungen kann der Sandabbau auch an den Küsten verändern, die Erosion antreiben, Ökosysteme zerstören.
"Kleinen Inseln wie den Malediven ist bereits der Sand ausgegangen."
Ein Strand verschwindet in wenigen Monaten. Ist er fort, schadet das nicht nur dem Tourismus, sondern auch der Sicherheit. Ein Strand puffert viel Wellenenergie ab. Ohne ihn trifft die zerstörerische Energie der Stürme direkt auf die Küste.
Trotz aller Folgen ist Sandabbau längst nicht in allen Ländern reglementiert - und wird noch seltener effizient überwacht. Oft werden Flüsse unkontrolliert ausgebaggert, Meeresboden einfach abgesaugt. Der illegale Abbau ist ein Multimilliarden-Geschäft mit mafiösen Strukturen. In Marokko ist bereits die Hälfte der Strände widerrechtlich abgetragen worden. Auf Jamaica stahlen Sanddiebe für den Bau einer künstlichen Bucht in einem neuen Luxus-Resort den Strand eines Fischerdorfs. Sie kamen nachts mit schwerem Gerät - und Gewehren.
"So etwas sehen wir an vielen Orten. Menschen sind wegen des Sandhandels sogar getötet worden."
Sand ist der Stoff, der Beton tragfähig macht. Doch die Körner müssen kantig sein, um wirklich gut zusammenzuhalten. Diese Eigenschaft haben die Wassersande aus Seen, Flüssen und dem Meer. Nicht jedoch die Sande aus der Wüste. Die sind fein, vom Wind rund und glatt geschliffen. Sie taugen nicht für die klassische Betonproduktion. Bislang jedenfalls, denn mehrere Forscher wollen Wüstensand für die Bauindustrie nutzbar machen.
80 Prozent aller Häuser weltweit werden aus Ziegelsteinen gebaut - mit Milliarden und Aber-Milliarden an Ziegeln, erklärt Ginger Krieg Dosier bei einem Vortrag in Abu Dhabi.
"Als ich hörte, dass Mikroorganismen wie Bakterien manche Sandsteine regelrecht zusammenkleben, weil sie Sandkörner zementieren, wollte ich meine eigenen Bakterien kultivieren und meine eigenen Steine wachsen lassen."
Ihre Idee von den wachsenden Steinen hat die amerikanische Architektin zur Erfinderin und Gründerin gemacht: ihre Firma - bioMASON.
"This is my brick. It is different than an ordinary brick. My brick was grown with the help of trillions of tiny workers bacteria with unique ability to grow cement."
Der Ziegel, den sie ihrem Publikum zeigt, ist ein ganz besonderer: einer, der nicht aus Lehm gebrannt worden ist, er ist vielmehr mit Bakterienhilfe gewachsen. Ginger Krieg Dosier hat das Verfahren selbst entwickelt.
"Anfangs habe ich mein Gästezimmer in ein Labor verwandelt. Es hat Jahre gedauert, und es ist viel schief gegangen. Manche meiner Ziegel lösten sich im Wasser auf, was bei Regen gar nicht gut ist. Andere sind auch nach Jahren immer noch nicht getrocknet. Doch ich lernte aus jedem Fehler, und schließlich hielt ich meinen ersten Baby-Ziegel in den Händen."
Wenn man ihr zuhört, klingt alles einfach: Kalkabscheidende Bakterien werden in einer Nährflüssigkeit angezüchtet, Calcium- und Stickstoffquellen hinzugefügt. Dann wird die Lösung über Sand gegossen, der in einer beliebigen Form steckt.
Nach fünf Tagen haben die Bakterien so viel Kalk abgeschieden, dass die Körnchen miteinander zu einem festen Stein verklebt sind. Der trocknet dann, die Bakterien sterben ab. Ein klimaschonender Prozess, bei dem noch nicht einmal Abfallstoffe entstünden, wirbt die amerikanische Architektin. Und der nicht nur mit Wüstensand funktioniere, sondern auch mit dem Abfallprodukt Steinbruchstaub. Im kommenden Jahr möchte bioMASON mit dem Produkt am Markt sein. Derzeit jedenfalls wachsen pro Woche etliche tausend Steine in Pilotanlagen von Partnerfirmen heran.
"Sand especially from this Arabian desert is ideal for the brick growing process."
Auch wenn man in dem klimatisierten Hotel nichts davon spürt: Abu Dhabi ist eine Wüstenstadt. Die Sanddünen, die Ginger Krieg Dosier in ihrem TED-Vortrag gezeigt hat, sind nur wenige Kilometer entfernt. Jeder kurze Ausflug in die Umgebung führt in ein Meer aus Sand, das sich als Ressource erschließen ließe. Auch andere spielen mit diesem Gedanken.
"Dieses neuartige Material ist ein so genannter Polymerbeton." Alexander Gypser forscht an der Bauhaus-Universität Weimar:
"Beton heißt ja nicht, dass immer Zement mit eingesetzt wird, sondern, dass es sich bei dem Material um einen Füllstoff und ein Bindemittel handelt. Und das Bindemittel ist in unserem Fall dieses ungesättigte Polyesterharz, und der Füllstoff Sand. Wir erreichen damit Festigkeiten, die ungefähr fünfmal fester sind als herkömmlicher Beton, der mit Zement hergestellt wird."
Schon vor 20 Jahren wurde ein Patent für ein Verfahren erteilt, das mit Hilfe von Kunstharz aus Wüstensand Bausteine macht. Dabei blieb es dann, bis die Thüringer Firma PolyCare Research Technology die Idee aufgriff und zusammen mit der Bauhaus-Universität Weimar ein neues Konzept entwickelte: Häuser aus Polymerbetonbausteinen, die nach dem Legoprinzip zusammengesteckt werden.
"Es gibt mehrere Musterhäuser, die die Funktionsweise und die Haltbarkeit dieses Systems zeigen."
Prototypen stehen in Thüringen ebenso wie in Indien. Eine Produktionsanlage wurde inzwischen auch verkauft. Nach Libyen. Nur sind bislang mit ihr noch nicht großtechnisch Polymerbetonsteine produziert worden.
"Man könnte damit natürlich überall bauen, genau, wo es Wüstensand gibt."
In den Testläufen an der Uni Weimar hat sich die Beständigkeit des Materials erwiesen: Es gibt keine Risse, über die Feuchtigkeit eindringen kann. Dort, wo Wüstensand im Überfluss vorhanden ist, ist es wirtschaftlich.
Dass Wüstensand eine unerschöpfliche Alternative zur Schonung der Wassersande ist, daran zweifeln andere Forscher. Denn auch Wüsten sind Ökosysteme, nicht weniger als Flüsse, Seen, Küsten oder der Meeresboden.
"Das heißt, dass man jetzt wiederum eine natürliche Ressource - in dem Fall den Wüstensand - im großen Maßstab benutzen würde, um unseren Hunger nach einer Ressource zu stillen."
Nicht Öl, sondern Sand ist nach Wasser die am zweithäufigsten verbrauchte Ressource der Erde. Zwar verschlingt der Bausektor mit Abstand das meiste. Doch auch die Landgewinnung schlägt zu Buche. Weltweite Statistiken gibt es nicht, aber angesichts der 385 Millionen Tonnen, die Dubai allein für den Bau der künstlichen Inseln von Palm Jumeirah an Wassersand importiert hat, dürfte dieser Faktor erheblich sein. Auch der Küstenschutz fällt ins Gewicht. Unter anderem als Folge von Flussbegradigungen und Dammbau hängen immer mehr Strände am Tropf künstlicher Maßnahmen. Aufspülungen sind teuer - und der Sand dafür wird vom Meeresboden abgesaugt mit oft gravierenden Umweltfolgen. Deshalb entwickeln Forscher alternative Verfahren, bei denen die "Staubsaugerschiffe" gezielt Areale unberührt lassen. Eine andere Strategie: kalkabscheidende Bakterien sollen Strände und Dünen erosionsfester machen. Wie auch im Bausektor geht es darum, den Sandeinsatz zu minimieren.
Dirk Hebel: "Ich glaube, wir müssten langsam anfangen, aus unseren Fehlern zu lernen und zu schauen, ob wir überhaupt in diese ökologischen Systeme noch eingreifen wollen oder ob wir vielleicht noch bessere Ideen haben, indem wir entweder das, was schon abgebaut ist, viel besser verwalten oder Alternativen finden, die keinen Sand mehr brauchen.
Vor Dirk Hebels Büro auf dem Hönggerberg-Campus steht ein großer Vitrinentisch. Unter Glas: filigrane Holzmodelle, die etwas von einem Steckbaukasten haben.
"Das ist jetzt die Arbeit eines Semesters von Studierenden, die sich mit dieser Thematik - wir nennen das auf Englisch Building for disassembly - beschäftigt haben."
Gebäude sollen so entworfen werden, dass man sie nach Gebrauch auseinandernehmen kann wie die Spielsteinbauten aus Kindertagen: Was einmal verbaut war, soll ein zweites Leben in einem anderen Haus erhalten. Ein Semester lang dachten Studenten über moderne Versionen uralter Verbindungssysteme nach - im Auftrag einer Züricher Wohnungsbaugenossenschaft:
"Die haben ein Grundstück hier mitten in Zürich, wo sie 142 Wohnungen bauen möchten in den nächsten zehn Jahre. Und wir haben gemeinsam mit dieser Gesellschaft das einmal durchgespielt, was würde es denn heißen, wir bauen diese Häuser, und in 50, 60 Jahren können wir mit dem gleichen Material noch einmal andere Bauwerke realisieren, ohne dass es für uns eine Abschreibung wird im Sinne des Materials wegzuwerfen."
Die Studenten haben für ihre Modelle nichts verklebt oder vergossen. Bei einem Exponat verklemmen sie Hölzer so ineinander, dass sie aussehen wie Gitterwürfel. In dieses Gitter sollen - ganz nach Bedarf - Wände eingehängt werden. Es wäre ein Bauen ohne Stahl, das an die Technik der Fachwerkbauten erinnert.
"Die alten Prinzipien, die aber genauso noch heute funktionieren, sogar mit neuen Technologien besser funktionieren, und dadurch wieder aktiviert werden können."
Im Hinausgehen erzählt Dirk Hebel noch, dass bald an der eidgenössischen Materialprüfungsanstalt in Dübendorf ein Gebäude errichtet wird, um diese und ähnliche Ideen zu erproben. Es geht darum, bei Materialien und Verbindungstechniken die Spreu vom Weizen zu trennen. Es ist ein gemeinsames Projekt mit der Universität Stuttgart. Der Name: urban mining. Die Stadt als Resource für nachhaltiges Bauen in der Stadt.
Pascal Peduzzi: "Bislang haben wir mit unserer linearen Wirtschaft unsere Entwicklung vorangetrieben. Wir holen Rohstoffe aus der Erde, verwandeln sie in unseren Fabriken in die Produkte, die wir nutzen und anschließend wegwerfen. Wir müssen jedoch dahin kommen, dass das gebrauchte Produkt kein Abfall mehr ist, sondern eine Ressource."
Dabei ist Recyclingbeton für die Erstellung einfacher Bauwerke genauso geeignet wie herkömmlicher. Durch die Diskussion um nachhaltiges Bauen sinkt zumindest in den Industrienationen die Scheu der Bauherrn vor "gebrauchten" Baumaterialien.
"We should also build for longer periods, so that we have to expand the life of these buildings."
Lebenszeiten, auch hier liegt einiges im Argen. So wird der Beton bei wichtigen Infrastrukturbauten wie Brücken auf eine Lebensdauer von 100 Jahren hin konzipiert - theoretisch.
"Das ist unser Micro-Lab, das Mikro-Mechanische Labor. Hier untersuchen wir die Zusammensetzung von Beton, seine Mikrostruktur oder chemische Reaktionen, die ablaufen und die zu Problemen wie Rissbildung führen."
Henk Jonkers Spezialgebiet ist Beton - selbstheilender Beton. Das überrascht zunächst, denn er ist Biologe. Seinem Team an der TU Delft geht es darum, die Lebensdauer von Betonbauwerken zu verlängern - auch das schont die Ressource Sand erheblich.
"Bei Betonkonstruktionen gibt es durch die Rissbildung Probleme mit der Langlebigkeit, denn Risse können Wege für Wasser öffnen: Es kann an die Stahlbewehrung im Inneren dringen, die dem Bauwerk die Zugfestigkeit verleiht. Der Stahl beginnt zu korrodieren - und das ist der Anfang vom Ende: Sobald der Stahl korrodiert ist, kann es zum Zusammenbruch kommen."
Um das zu verhindern, entwickelten die Delfter ein biologisches Versiegelungsverfahren.
"Hier sehen Sie etliche Betonproben. Diese gleichmäßig verteilten dunklen Partikel in dieser hier, das sind die selbstheilenden Komponenten."
Jonkers nimmt eine der Proben in die Hand, weist auf fein verteilte, dunkle Partikel.
"Darin liegen Sporen und Nährstoffe als Trockenpulver vor, ein bisschen wie die Backhefe, die Sie im Supermarkt kaufen. Daraus pressen wir kleine Kugeln mit einem Durchmesser von einem halben bis einem Millimeter Größe, mit der wir dann etwa 1% der Sandfraktion im Beton ersetzen. Wir müssen sie beim Mischen gleichmäßig in der gesamten Matrix verteilen."
Entsteht ein Riss, dringt Wasser ein - und das aktiviert die Sporen. Sie keimen, die Bakterien bedienen sich an Nährstoffen und scheiden Kalk ab. Er fischt ein anderes Stück vom Stapel. Bei dem haben die Bakterien ihre Arbeit getan.
"An dieser Probe können sie deutlich einen weißlichen Überzug sehen. Das ist der Kalkstein, den die Bakterien abgeschieden haben und der den Riss wieder versiegelt und wasserdicht macht."
Die Bakterien, die Jonkers einsetzt, gehören zu einer Gruppe, deren Vertreter sowohl in Sodaseen leben als auch in Gesteinen. Diese Bakterien erfüllen alle Anforderungen, denn sie fühlen sich in Porenräumen wohl und bei betontypischen pH-Werten von 11 oder 12. Eingesetzt werden sie bei Neubauten als Zuschlagsstoff, aber auch - als Mörtel oder Flüssigkeit - zur Reparatur bestehender Konstruktionen.
"Bei Kellerwänden, Tunneln oder Wasserbehältern sind selbstheilende Verfahren sehr sinnvoll, weil der Zugang und damit die Reparaturen schwierig sein können. Sinnvoll sind sie auch bei kritischen Strukturen wie Brücken, bei denen Reparaturen sehr kostspielig für die Gesellschaft sind."
Stellschrauben, mit denen sich der Raubbau an der Ressource Sand stoppen lässt, gibt es viele. Nur erfordert die Lösung des Sand-Problems noch viel Entwicklungsarbeit und damit Zeit, urteilt Pascal Peduzzi:
"Basically there are alternatives but first of all we have to really acknowledge that this is being an issue."
Und die Zeit wird knapp: Schon heute bietet Sand Stoff für internationale Konflikte. China spült riesige Sandmassen auf Riffe vor seiner Küste - um neue Inseln zu schaffen und politisch brisante Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer durchzusetzen. Weiter im Süden wächst Singapur:
"Singapur ist zwar nur ein kleiner Staat, aber er hat den höchsten Pro-Kopf-Verbrauch an Sand, weil man sich dazu entschlossen hat, das Territorium zu erweitern."
Bis 2030 müssen etwa sieben Millionen Menschen auf der kleinen Halbinsel Platz finden.
"Seit 1973 ist die Fläche von Singapur um 20 Prozent gewachsen - und zwar, indem Sand von den benachbarten Ländern importiert worden ist, aus Indonesien, Malaysia, Thailand und inzwischen sogar aus Kambodscha."
In den Nachbarländern verschwanden ganze Buchten. Schlimmer noch: Weil Saugschiffe kleinen Inseln zu nahe kamen, gingen fast zwei Dutzend im Meer unter. Verliert eine Nation Land, ändert das die Wirtschaftszone, die sie für sich beanspruchen kann - und damit die Grenze. Eine schwere diplomatische Krise war die Folge und Exportverbote. Geändert hat sich dadurch nichts, denn nun läuft der illegale Export auf Hochtouren.
Es sprachen: Fiona Metscher, Thomas Pohn, Martin Schaller und Marion Mainka
Ton und Technik: Andreas Fulford
Regie: Axel Scheibchen
Redaktion: Christiane Knoll
Online: Dorian Aust
Produktion: Deutschlandfunk 2016
Ton und Technik: Andreas Fulford
Regie: Axel Scheibchen
Redaktion: Christiane Knoll
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