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Auf schlanken Stahlpfeilern im Erdreich Roms verankert

Die Bibliotheca Hertziana in Rom musste Mitte der 90er-Jahre wegen veralteter Brandschutztechnik geschlossen werden. Nach zehn Jahren ist nun der Neubau fertiggestellt worden und lädt wieder in die 100 Jahre alte deutsch-italienische Begegnungsstätte ein.

Von Henning Klüver |
    So viel Licht war hier noch nie. In dem Raum zwischen zwei historischen Palazzi oberhalb der Spanischen Treppe, die bereits zur Hertziana gehören, hat der Architekt Juan Navarro Baldeweg ein rund 20 Meter hohes Bibliotheksgebäude um einen trapezförmigen kleinen Innenhof errichtet. Die Arbeitsplätze und die Handbibliothek gruppieren sich in leicht zurückspringenden, terrassenartigen Stockwerken an drei verglasten Seiten um den Hof herum. Die vierte Seite zum Hof ist von einer schräg abfallenden, weiß gestrichenen Mauer aus Klinkersteinen begrenzt, die das von oben einfallende Tageslicht reflektiert und so dem Gebäude unter dem blauen Himmel Roms ein ganz mediterranes Gepräge gibt. Hinter der Mauer ist auf fünf Stockwerken, in Kompaktregalen brandgesichert, der größte Teil der rund 270.000 Bände der Bibliotheca Hertziana untergebracht. Die Außenfassaden bleiben hinter ausgekernten historischen Baukörpern unsichtbar. Als jetzt der Neubau nach zehnjähriger Bauzeit bezogen werden konnte, ist der Kunsthistorikerin Elisabeth Kieven, die die Hertziana zusammen mit ihrer Kollegin Sybille Ebert-Schifferer leitet, ein Stein vom Herzen gefallen.

    "Das ist ein schöner Eindruck, den man wieder hat, und wir kehren zum Leben zurück, denn diese zehn Jahre sind doch sehr schwierig mit vielen Improvisationen und Erschwernissen, die immer mehr zunahmen auch für die wissenschaftliche Arbeit. Wir können jetzt wieder neu starten in einem wunderschönen, neuen Ambiente, das sicher die Arbeit jetzt wieder neu beflügeln wird."

    Von der Ausschreibung im Jahr 1995 bis zum Bezug in diesen Monaten sind 17 Jahre vergangen. Wer im Zentrum von Rom baut, muss mit logistischen Problemen rechnen und detaillierte Auflagen vom Denkmalschutzamt befolgen. Die Anlage auf dem Pincio-Hügel erstreckt sich über den ehemaligen Gärten des Lukull. Um den archäologischen Bereich zu schützen, musste man auf ein gegossenes Fundament verzichten. Der Bau erhebt sich jetzt über einem schachtelförmigen Körper aus Stahlbeton, der an zwei Seiten auf schlanken Stahlpfählen ruht, die bis zu 50 Meter tief in den Erdboden reichen. Ihre Verankerung dauerte wegen der ungünstigen geologischen Situation mit Kies- und Schlammschichten länger als geplant.

    "Und dann entdeckten wir auf einer höheren Ebene, als vermutet, noch weitere archäologische Reste, und dann musste mitten im Bau ein ganzes Treppenhaus umgeplant werden. So reiht sich dann eine Sache an die andere, und wir wollten ja eigentlich 2006 mit dem Bau fertig sein, und so hat es doch leider doppelt so lange gedauert."

    Die Kosten von 20 Millionen Euro wurden zu Zweidrittel von öffentlichen Mitteln des Bundes und der Länder getragen, ein Drittel musste durch Sponsoren eingeworben werden. Während der gesamten Bauzeit wurde der Ausleihbetrieb der Bibliothek über einen Notbehelf weiter aufrecht erhalten. Die Hertziana, eine Einrichtung der Max-Planck-Gesellschaft, ist die größte und wichtigste kunsthistorische Bibliothek in Rom. Zusammen mit dem deutschen Institut in Florenz, das ebenfalls zu Max-Planck gehört, bildet sie die Grundlage für jede Beschäftigung mit der Kunst Italiens auch für die italienische Wissenschaft. Im Augenblick arbeitet man an der Hertziana an zwei großen Datenbankprojekten für Architektur und Malerei in Rom. In Krisenzeiten, wenn das Geld knapp wird, werden jedoch Fragen nach der Legitimierung solcher Investitionen im Ausland laut.

    "Wir machen nicht für die Italiener Kunstgeschichte. Wir machen insgesamt für eine wissenschaftliche Gemeinschaft Kunstgeschichte. Das darf man nicht vergessen, die Republik der Gelehrten, der Ausdruck "repubblica letteraria" ist ein Begriff, der im 17. Jahrhundert entsteht, und er beschreibt für mich immer wunderbar diese Gemeinschaft der Wissenschaftler, die losgelöst ist von jeglichen nationalen Bezügen. Wir arbeiten ja hier in einem deutschen Institut über italienische Kunst, weil diese italienische Kunst ja für ganz Europa Maßstäbe gesetzt hat."

    Gerade die Kunstgeschichte zeigt, so Elisabeth Kieven, dass Europa eine Realität, eine kulturelle Realität ist. Italien hat über Jahrhunderte hinweg mit der Kreativität seiner Architekten und Künstler diese Kultur aufgebaut, ohne die eine Zukunft Europas undenkbar ist. Diese Zukunft ist in der Geschichte verwurzelt wie das moderne Gebäude der Bibliotheca Hertziana auf ihren schlanken Stahlpfeilern im Erdreich von Rom.