Etwa 15 Männer und Frauen sind an diesem Tag eine Stunde rausgefahren. Raus aus der Megametropole, Addis Abeba, der Hauptstadt von Äthiopien, raus aufs Land in die umliegende Region Oromia, um auf einer Farm zu helfen. Sabib, eine kleine modisch gekleidete Frau Mitte Dreißig kämpft sich sogar mit ihrer Gehhilfe durch die sumpfige Landschaft:
"Heute habe ich zum ersten Mal selbst einen Baum gepflanzt. Ich bin dankbar für die ganze frische Luft. Und sogar meine Krücke kam dabei zum Einsatz!"
Sabibs erster Baum ist etwa 30 Zentimeter hoch und heißt in der Landessprache Omilla. Mittlerweile stecken alle der modern gekleideten Städter Zentimeter tief im Schlamm. Schöpfen Wasser, buddeln Löcher und lassen sich von den ortsansässigen Landarbeitern zeigen, wie und wo sie die weiteren rund 60 Setzlinge einpflanzen sollen.
Der Aktionstag ist Teil eines Regierungsprogramms mit dem Titel "Grünes Erbe". Äthiopiens Bewaldung ist in den letzten 50 Jahren von einem Drittel der Landesfläche auf nur vier Prozent in den 2000er Jahren gesunken. Für die landesweite Aktion haben viele öffentliche Einrichtungen, aber auch private Unternehmen ihren Mitarbeitern freigegeben, um sich mit dem Bäumepflanzen für das Klima zu engagieren.
Kuhhaltung auf 2.000 Metern über dem Meeresspiegel
Auch Senait Worku, die Eigentümerin der Farm, arbeitet mit. Sie nutzt den Besuch der vielen Helferinnen und Helfer, um ihnen auch den Kuh- und Schweinestall zu zeigen. Die Region um Addis Abebea liegt über 2.000 Meter über dem Meeresspiegel. Das stellt Landwirte vor besondere Herausforderungen.
"Die Kühe hier sind eine Kreuzung aus äthiopischen und ausländischen Rindern. Sie halten die Höhenlagen gut aus und geben mehr und bessere Milch, als es die äthiopischen Rassen täten. vielleicht 15 bis 25 Liter, je nach Kuh."
Senait Worku kommt eigentlich auch aus Addis Abeba. Ihr Restaurant ist ein beliebter Treffpunkt für ökologisch interessierte Städter, die in der Umgebung auch Yoga-Kurse besuchen. Die hat sie dann direkt eingeladen, heute mitzuhelfen. Es sei ihr wichtig, dass die Menschen aus Addis Abeba auch eine Ahnung vom Landleben bekämen. Daher begrüßt sie auch den heutigen Baumpflanztag. Insgesamt sollen laut Regierungsangaben in nur 12 Stunden im ganzen Land über 365 Millionen Bäume gepflanzt worden sein. Ein neuer Weltrekord.
Auch wenn es ein paar Äthiopier gibt, die in dem Aktionstag nur eine Imagekampagne der Regierung sehen und die Zahlen anzweifeln, sind die meisten mit Feuereifer dabei. So auch der technische Berater Markos Belay. Er ist mit seinen Arbeitskollegen viele Kilometer in den Norden zum Aufforsten gefahren. Belay ist nicht mit allem voll einverstanden, was die Regierung macht, doch von diesem Baumpflanztag ist er komplett überzeugt. Mit ihrem Grünes Erbe-Programm habe sie gute Arbeit geleistet. Gut für alle - für ihn persönlich, das Land, die ganze Welt. Auch die anderen Länder sollten sich seiner Meinung nach an diesem Programm beteiligen.
Mindestens 365 Millionen Bäume in 12 Stunden
Den 365 Millionen Bäumen könne man ruhig vertrauen, sagt Markos Belay. Die Zahlen seien wissenschaftlich abgesichert und transparent über ein Online-Tool erhoben worden. Vermutlich seien es sogar eher mehr Bäume gewesen. Da nicht alle, die mitgemacht haben, ihre Erfolge im Internet eingetragen hätten.
Auf der Farm kämpft sich Sabib mit ihrer Gehhilfe aus dem Schlamm. Zufrieden und stolz:
"Der Klimawandel bereitet auch uns Probleme. Wir Äthiopier haben zwar nicht viel zu dieser Entwicklung beigetragen, aber wir leiden unter ihr. Ich beobachte Starkregen, Hitzewellen, Seen trocknen aus. Das Klima ist aus dem Gleichgewicht."
Viele Äthiopier sind stolz, sich dem Klimawandel entgegengestellt zu haben und fest entschlossen, bis Mitte September die vier Milliarden zu knacken. Die Verantwortung für das Klima möchten Sabib, Markos und die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Baumpflanztag aber nicht alleine schultern. Nur weil der Klimawandel in Äthiopien stärker als zum Beispiel im Norden Europas spürbar ist, könnte ja auch dort Ähnliches getan werden, um sich den vereinbarten Klimazielen anzunähern.