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Aufgeladene Berichterstattung über deutsche Politiker

Seitdem deutsche Politiker entscheiden, was gut ist für Griechenland und was nicht, hat sich dort das Deutschlandbild gewandelt. Der einst beliebteste EU-Partner muss in Griechenlands Zeitungen heftige Kritik einstecken.

Von Jannis Papadimitriou |
    Mittagskonferenz in der "Zeitung der Redakteure" in Athen. Es wird heftig diskutiert über die Schlagzeilen von morgen. Und auch über die Wirtschaftskrise, die viele hier am eigenen Leib erfahren mussten: Früher waren die Redakteure bei der führenden Athener Zeitung "Eleftherotypia" angestellt, die vor zwei Jahren krisenbedingt in Konkurs ging. Nun bringen sie ihr eigenes Blatt heraus mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren; immerhin fast halb so viel, wie die derzeit auflagenstärkste Athener Zeitung "TA NEA".

    Der Zeitungsdirektor Nikolas Voulelis ist sich sicher: Über Deutschland berichtet sein Blatt kritisch, aber ohne Vorurteile:

    "Als wirtschaftlich stärkstes Land Europas hat Deutschland eine besondere Verantwortung in der Krise. Selbst die deutschen Medien werfen Frau Merkel vor, sie habe keine Vision für Europa und mache eine falsche Politik, die Griechenland tiefer in die Rezession stürze; da ist es kein Wunder, wenn wir kritisch darüber berichten. Aber wir würden nie so weit gehen, anti-deutsche Stimmung zu schüren oder gar Vergleiche mit dem Dritten Reich anzustellen, das wäre doch verrückt."

    Vor allem Karikaturisten in Athen stecken deutsche Politiker gern in Militäruniform. In seiner Zeitung sei aber kein Platz für derartige Geschmacklosigkeiten, sagt Voulelis. Dafür wird der konservative griechische Premierminister Antonis Samaras gelegentlich in Lederhosen gezeigt, neben ihm Sozialisten-Chef Evangelos Venizelos in bayerischer Tracht. Soll heißen: Die führenden griechischen Politiker hätten nur noch wenig zu sagen, gesteuert werde sowieso alles aus Deutschland.

    Allerdings trügen auch die Athener Politiker selbst einen Teil der Verantwortung für die aktuellen deutsch-griechischen Missverständnisse, glaubt der Zeitungsdirektor.

    "Viele Politiker in unserem Land sind nicht willens oder in der Lage, den Puls der Zeit zu fühlen. Sie wollen die Welt von heute mit den Denkinstrumenten von gestern managen, sie begreifen einfach nicht, dass der Kalte Krieg vorbei ist. Und wenn das Leitbild in die falsche Richtung geht, dann verfallen leider viele Griechen alten Vorurteilen und Verschwörungstheorien."

    In jüngsten Umfragen äußert sich nur noch jeder dritte Grieche positiv über Deutschland. Ganz anders als vor acht Jahren, erinnert sich Sportreporter Nikos Assimakopoulos: Damals kürten die Griechen Deutschland zur beliebtesten Nation. Dazu mag auch Otto Rehagel beigetragen haben, der 2004 mit der griechischen Nationalmannschaft Fußball-Europameister wurde.

    "Nach dem Euro 2004 war Rehagel ein Nationalheld bei uns. Doch heute ist seine Popularität angekratzt nach seinem Besuch im Auftrag der Kanzlerin. So empfinde ich das jedenfalls und so haben wir auch darüber in der Zeitung berichtet."

    Griechenland kämpft sich derzeit durch das sechste Rezessionsjahr in Folge. Statt Fußball rückt die Wirtschaftsberichterstattung in den Vordergrund. Der Wirtschaftsreporter Vassilis Georgas, Zigarette im Mund, will gerade einen Aufmacher zum Thema Arbeitslosigkeit vorbereiten.

    Wie Griechenland aus der Krise kommt, und ob Deutschland dabei helfen könnte - dafür hat auch der Wirtschaftsexperte Georgas kein Patentrezept.

    ""Ich denke, wir brauchen noch viele Jahre und mehr Hilfe von außen, um diese Krise zu meistern. Wir hoffen auf Solidarität aus Europa, aber auch darauf, dass die Sparmaßnahmen gerecht alle Teile der Gesellschaft treffen. Auch Euro-Bonds wären eine gute Idee, um das Wachstum zu stärken"."