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Aufhebung der Reisewarnung
CDU-Politiker: Reise-Entscheidung gut abwägen

Wenn die Reisewarnung gelockert wird, kommt Verantwortung auf die Reisenden zu, sagte der CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Schulze im Dlf. Wer den Urlaub absage, müsse mit Stornogebühren rechnen. Umgekehrt sollten sich Urlauber im Vorfeld über die im Zielland geltenden Bestimmungen informieren.

Klaus-Peter Schulze im Gespräch mit Silvia Engels |
Menschen sitzen auf der Terrasse der Bar El Pe-on am Meer, Spanien.
Wir müssen in Deutschland und in Europa wieder in die Gänge kommen, sagte der Touristiker Klaus-Peter Schulze im Dlf (Clara Margais/dpa)
Die Sommerferien rücken näher und damit die Frage, ob ein Urlaub außerhalb Deutschlands möglich ist. Das Bundeskabinett wird möglicherweise morgen auf den Weg bringen, für welche Länder ab Mitte Juni die derzeit geltende weltweite Reisewarnung wegen der Corona-Pandemie auslaufen soll.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte die weltweite Reisewarnung am 17. März ausgesprochen - ein bisher einmaliger Schritt. Dies ist kein Reiseverbot, erlaubt aber Stornierungen gebuchter Reisen. Die Reisewarnung soll - so der Plan - durch individuelle Reisehinweise ersetzt werden, die für jedes einzelne Land Risiken zeigen.
Blick auf Strand, Meer und Felsenküste bei Tossa de Mar an der Costa Brava in Spanien.
Corona - Urlaubsreisen nur mit Restriktionen in Sicht
Die EU hat über den Abbau der Grenzkontrollen gesprochen. Außenminister Maas sagte, Hygienestandards in Tourismusgebieten seien Thema gewesen. Normalität ist nicht in Sicht.
Die geplanten Änderungen dürften dann Folgen für die Reisenden haben, die bereits vor der Krise eine Reise gebucht haben. Wenn es keine Reisewarnung mehr gebe, "dann habe ich die Möglichkeit, von der Reise zurückzutreten unter den Bedingungen, die ich vorneweg abgeschlossen habe. Und wenn dort Stornogebühren fällig werden, dann muss ich die natürlich erheben", sagte Klaus-Peter Schulze, Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Tourismusausschuss des Deutschen Bundestages.

Das Interview in voller Länge:
Silvia Engels: Ist die mögliche Aufhebung der Reisewarnung für alle EU-Länder angesichts der zum Teil ja immer noch hohen Infektionszahlen in Teilen Spaniens oder Italiens ein richtiges Signal?
Klaus-Peter Schulze: Ja, ich glaube, wir müssen in Deutschland und in Europa wieder in die Gänge kommen und gerade die Südländer um das Mittelmeer herum – und da schließe ich auch Nordafrika mit ein – leben ja sehr stark vom Tourismus, sind davon wirtschaftlich sehr stark abhängig. Wir wissen, dass unsere EU-Freunde aus dem Süden – ich denke an Griechenland, aber auch an Spanien und Portugal – wirtschaftlich nicht so stabil sind wie wir, und deshalb ist es gut, dass wir dort den Tourismus wieder anfahren lassen. Natürlich müssen die Hygienebestimmungen eingehalten werden.
Engels: Sollte es denn staatliche Vorgaben von der Bundesregierung geben für Vorkehrungen, die Reisende treffen sollten, bevor sie sich auf den Weg machen?
Schulze: Es ist die Frage, was Sie darunter verstehen. Für mich ist es inzwischen selbstverständlich, dass die Hygienemaßnahmen, die wir in Deutschland hier eingeführt haben und der größte Teil der Bürgerinnen und Bürger ja auch akzeptiert, dass ich die dann natürlich, auch wenn ich ins Ausland fahre – ich will nach Südtirol fahren, wenn nichts dazwischenkommt – dort entsprechend auch umsetzen werde, so wie ich es jetzt aus der Heimat gewöhnt bin.
"Da erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß... "
Engels: Das sind die Hygienestandards und in der Tat gelten die ja in vielen der angesprochenen EU-Partnerländer. Auf der anderen Seite gab es ja im Vorfeld viele Diskussionen darüber, ob nicht zum Beispiel eine Art von Immunitätsnachweis geführt werden muss, bevor man einreist. Es gab auch immer die Hinweise, es gäbe dann ja wahrscheinlich eine Corona-Warn-App. Das ist alles nicht der Fall. Soll man trotzdem sich damit zufriedengeben als Reisender, wenn man weiß, da sind die Hygienestandards, oder sollte da mehr verlangt werden?
Schulze: Wie das Thema Immunitätsnachweis diskutiert wird in Deutschland, das können wir verfolgen. Wir haben ja jetzt gehört, dass in Island über so was nachgedacht wird. Letztendlich müssen das die Nationalstaaten für sich selbst entscheiden. Ich kenne es von meinen Dienstreisen, die in meiner Funktion als Mitglied des Umweltausschusses ja auch etwas weiterführen, also über Europa hinaus, und da gibt es in Südamerika Länder, wenn Sie einen bestimmten Impfschutz nicht haben, dann verlassen Sie den Flugplatz nicht mehr, nur noch in Richtung Heimat.
Inwieweit jetzt andere Staaten in Europa diesen Schritt gehen, das kann ich nicht einschätzen, das will ich auch nicht einschätzen. Ich würde es natürlich nicht für gut finden, weil damit natürlich das freie Reisen, woran wir über viele, viele Jahre ja gewöhnt sind, wieder stark eingeschränkt wird.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Engels: Wenn ich Sie richtig verstehe, gibt es keine europäischen Absprachen, dass einheitlich organisiert wird, welche Kriterien die einreisenden Touristen erfüllen müssen?
Schulze: Die sind mir zumindest jetzt nicht bekannt. Da erwischen Sie mich auf dem falschen Fuß beziehungsweise ist das eigentlich mehr eine Sache der Europapolitiker und nicht der Tourismuspolitiker. Ob es dort einheitliche Kriterien geben wird, das ist ja in der Diskussion immer so gesagt worden, sowohl vom Außenminister als auch von unserem Tourismusbeauftragten, Staatssekretär Bareiß. Inwieweit die Absprachen dort zwischen den einzelnen Ländern schon zum Abschluss gekommen sind, entzieht sich zurzeit meiner Kenntnis.
Engels: Heißt: Es bleibt jedem Reisenden aus Deutschland selbst überlassen, sich zu informieren, welche Bestimmungen im Zielland gelten?
Schulze: Ja, das mache ich jetzt auch. Wenn ich beispielsweise das Pfingstwochenende nutze, um in ein anderes Bundesland zu fahren, muss ich natürlich schauen, welche Bestimmungen dort zurzeit relevant sind. Das bringt nun der Föderalismus mit sich. Und wenn ich nach Italien oder nach Spanien in Urlaub fahre, ist es ja wohl nicht zu viel verlangt, sich mal zu informieren, worauf ich dort zu achten habe.
Die Frage der Stornogebühren
Engels: Wie steht es denn dann umgekehrt mit Reisen ausländischer Gäste nach Deutschland? Sollen hier besondere Testregularien als Vorbedingung eingeführt werden?
Schulze: Diese Entscheidung sollte den Fachleuten überlassen werden, in dem Fall dem Bereich Gesundheit, dem Gesundheitsministerium. Wir als Touristiker wollen natürlich, dass die Gastronomie, das Hotel- und Gaststättengewerbe, was ja in den letzten drei Monaten ganz erhebliche Einbußen im Umsatz hatte, möglichst schnell wieder in die Gänge kommen, und Deutschland ist ja mit aus dem vergangenen Jahr fast 90 Millionen ausländischen Touristen auch ein begehrtes Tourismusland in Europa geworden. Diese Zielmarke müssen wir wieder vor Augen haben. Wir wollen natürlich als Touristiker, dass möglichst viele Gäste aus Europa und darüber hinaus unser schönes Land besuchen.
imago images / Christian Spicker  Berlin, Plenarsitzung im Bundestag Deutschland, Berlin - 15.05.2020: Im Bild ist Klaus-Peter Schulze (cdu) während der Sitzung des deutschen Bundestags zu sehen. Berlin Bundestag Berlin Deutschland *** Berlin, Plenary Session in the German Bundestag Germany, Berlin 15 05 2020 In the picture Klaus Peter Schulze cdu can be seen during the session of the German Bundestag Berlin Bundestag Berlin Germany
Bundestagsabgeordneter Klaus-Peter Schulze (CDU) hat vor, seinen Urlaub in Südtirol zu machen - unter Einhaltung der Bestimmungen (imago images / Christian Spicker)
Engels: Herr Schulze, es scheint allerdings noch einiges ungeklärt zu sein. Wie begegnen Sie dem Vorwurf, hier werden vielleicht wirtschaftliche Interessen vor Gesundheitsinteressen gestellt?
Schulze: Wir sind, glaube ich, als Deutschland ganz gut durch die Krise gekommen und es ist uns auch gelungen, die Bedürfnisse bezüglich des Gesundheitsschutzes umzusetzen, aber auch die Fragen der Wirtschaft nicht ganz außer Acht zu lassen. Dieser Vorwurf, dass die Wirtschaft hier das Primat hat und wir den Gesundheitsschutz hintenanstellen, dem kann ich so nicht folgen. Ich denke, wir haben das in den letzten Monaten gut hinbekommen, und ich bin da auch optimistisch, dass die Regierung, die Bundesregierung, aber auch die Länderregierungen durch ihre Maßnahmen beide Dinge im Blick haben werden.
Engels: Dann schauen wir noch auf etwas anderes, was allerdings auch viele Reisende betreffen wird. Wenn die weltweite Reisewarnung aufgehoben wird und dann nur Empfehlungen gelten, ändert das ja auch das Recht von Reisenden, was die Kostenerstattung von gebuchten Reisen angeht, von denen sie zurücktreten wollen. Machen wir es konkret: Derzeit ist der Reiseveranstalter ja noch verpflichtet, die Kosten zurückzuerstatten. Wenn aber diese Reisewarnung aufgehoben werden wird, ist das anders: Dann müsste ich zum Beispiel ab Mitte Juni eine vor Monaten gebuchte Reise in die Lombardei antreten, oder müsste selbst die Stornokosten tragen, wenn mir das nach wie vor zu unsicher ist. Ist das so und ist das fair?
Schulze: Wenn das so ist, wie Sie es mir beschrieben haben - im Detail habe ich die gesetzliche Vorlage jetzt nicht vor mir zu liegen, um das noch mal nachzuprüfen, aber ich gehe mal davon aus: Wenn es keine Reisewarnung mehr gibt, dann habe ich die Möglichkeit, von der Reise zurückzutreten unter den Bedingungen, die ich vorneweg abgeschlossen habe. Und wenn dort Stornogebühren fällig werden, dann muss ich die natürlich erheben.
Noch eine staatliche Rückholaktion?
Engels: Das heißt, die Verantwortung und auch die möglichen Kosten, die kommen jetzt wieder mehr auf die Reisenden zu?
Schulze: Natürlich. Jeder von uns muss Verantwortung tragen. Wir können doch nicht alles auf irgendwelche staatlichen Strukturen übertragen, dass man verantwortungslos letztendlich handelt und andere zahlen dafür. Eine gewisse Verantwortung von jedem einzelnen erwarte ich und ich erwarte auch, wenn ich Reisen dann einfach, trotzdem es keine Reisewarnung mehr gibt, jetzt einfach absage - Sie müssen sich mal in die Situation der Veranstalter versetzen -, dann kann es ja nicht sein, dass die da auf den Kosten sitzen bleiben. Das ist dann jedem seine persönliche Entscheidung und die muss er gut abwägen.
Bundesaußenminister Heiko Maas, SPD, am 15.05.2020 während einer Videokonferenz mit dem Rat füer Außenbeziehungen der EU RfAB im Auswärtigen Amt in Berlin
Außenminister Maas: Klare Reisebestimmungen bis Mitte Juni
Außenminister Heiko Maas hat angekündigt, mit den Nachbarstaaten und beliebtesten Reiseländern in Europa über einheitliche Quarantäne- und Einreiseregeln zu verhandeln. Bis Mitte Juni soll es verbindliche Vereinbarungen für Urlauber geben.
Engels: Wir alle wissen ja nicht, ob es möglicherweise noch zu einer zweiten Welle der Pandemie kommt. Muss sich die Bundesregierung darauf vorbereiten, im möglichen Fall, dass die Grenzen wieder dichtgemacht werden, oder der gerade wieder anlaufende Flugverkehr eingeschränkt wird, doch wieder deutsche Urlauber nach Hause holen muss?
Schulze: Da gibt es eine ziemlich klare Aussage von unserem Außenminister. Die ist jetzt für mich zurzeit noch verbindlich. Was die große Zukunft und die lange Zukunft bringt, kann man natürlich nicht einschätzen. Er hat gesagt, das war zunächst ein einmaliger Vorgang, der auch von der Organisation her, von der Logistik her und von den Kosten nicht ohne war, und das wird es nicht gleich wieder geben. Wenn jetzt jemand trotz Reisewarnung irgendwo hinfährt, dann muss er schon sehen, wie er zurückkommt.
Engels: Aber wie ist es für den Fall, dass auch innerhalb Europas, wo ja jetzt möglicherweise die Reisewarnung aufgehoben wird, eine zweite Welle kommt und dementsprechend Rückholung wieder nötig wird?
Schulze: Dann muss man, wenn so eine Situation eintritt, entsprechend handeln. Ich glaube, dann würden wir auch im Tourismusausschuss darüber diskutieren, dass so eine Rückholaktion wieder durchgeführt wird, wobei bei der ersten, die Sie jetzt erwähnt haben, im März/April ja die Diskussion überhaupt nicht erforderlich war, die Regierung hier sehr schnell und zielgerichtet gehandelt hat.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.