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Aufklärung über Homosexualität verboten

Vor kurzem hat das litauische Parlament ein neues Mediengesetz verabschiedet. Um Kinder und Jugendliche zu schützen, soll es von März 2010 an verboten sein, "positiv gefärbte" Berichte über Kriminalität, Gewalt und Glücksspiel oder Hypnose zu senden. Künftig steht es in der Baltenrepublik aber auch unter Strafe, Homosexualität, Bisexualität und Polygamie zu "propagieren" - Amnesty International und Human Rights Watch protestieren.

Von Matthias Kolb |
    Wer nur die Adresse kennt, der kann das Büro der Litauischen Schwulenliga im Zentrum von Vilnius nicht finden. Besucher müssen anrufen und sich den Weg durch die Hinterhöfe beschreiben lassen. In dem geräumigen Büro serviert der Vorsitzende, Vladimir Simonko, Tee und erklärt die Vorsichtsmaßnahmen:

    "Die Situation für Homosexuelle in Litauen ist sehr schwierig. Viele Menschen stehen uns feindselig gegenüber und deswegen leben fast alle Schwulen und Lesben im Verborgenen: Sie verraten weder ihrer Familie noch ihren Kollegen, dass sie homosexuell sind. Das belastet sehr."

    Der 45 Jahre alte Simonko befürchtet, dass die Lage bald noch schlechter wird. Vor kurzem hat das Parlament ein Mediengesetz beschlossen, das Minderjährige vor sogenanntem schädlichen Einfluss schützen soll. Dazu gehört neben Pornografie und Gewaltdarstellungen auch das Propagieren von Homosexualität und Polygamie. Wer sich positiv über diese "nicht-traditionellen Lebensformen" äußert, muss von März 2010 an mit bis zu 1500 Euro Geldstrafe oder Sozialarbeit rechnen. Für das unabhängige Institut zur Beobachtung der Menschenrechte schränkt die neue Regelung die Meinungsfreiheit ein. Direktor Henrikas Mickevicius:

    "Das Problem an diesem Gesetz ist, dass Schlüsselbegriffe nicht definiert sind. Es ist unklar, was mit den familiären Werten gemeint ist, die angeblich untergraben werden. Auch Propaganda ist nicht eindeutig festgelegt."

    Vor der Abstimmung hatte Human Rights Watch aus diesem Grund vor Zensur gewarnt, Amnesty International klagte, das Gesetz mache es Jugendlichen unmöglich, sich unabhängig zu informieren. Kritiker wie die Sozialdemokratin Aušrinė Pavilionienė fürchten, dass künftig auch Lehrer belangt werden, wenn sie über Homosexualität sprechen. Die Abgeordnete hat gegen das Gesetz gestimmt und sieht Litauen auf dem falschen Weg:
    "Das Gesetz ist zu puritanisch, zu katholisch, es führt uns ins Mittelalter zurück. Man kann Kinder nicht mit einem dogmatischen Moralgesetz erziehen. Indem Politiker verbieten, über Sexualität, Verbrechen oder Drogen zu berichten, verschwinden diese Dinge doch nicht aus der Gesellschaft."

    Die Debatte um die Rechte von Homosexuellen hat momentan die Wirtschaftskrise als wichtigstes Thema in den litauischen Medien verdrängt. Auf den Nachrichtenseiten im Internet wird nichts häufiger kommentiert, im Radio melden sich viele Bürger zu Wort - und eine deutliche Mehrheit unterstützt das neue Gesetz. Neben der Abgeordneten Pavilionienė stellen sich nur wenige öffentlich gegen die vorherrschende Meinung. Henrikas Mickevicius vom Institut zur Beobachtung der Menschenrechte:

    "Mich beunruhigt, dass die kulturelle Elite in Litauen schweigt. Das Thema wird seit Jahren von einer kleinen Gruppe von Politikern vom äußersten rechten Rand vorangetrieben, natürlich mit Unterstützung der katholischen Kirche. Viele Intellektuelle haben entweder keine Meinung oder nicht den Mut zu widersprechen."

    Mittlerweile ist die Position der ultrakonservativen Hardliner offenbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. So erklärt sich auch das Abstimmungsergebnis: 87 Abgeordnete votierten für das Mediengesetz, nur sechs dagegen. 25 jedoch enthielten sich - wohl aus Angst, in den Medien und von den Wählern kritisiert zu werden. Valentinas Mazuronis von der Partei "Ordnung und Gerechtigkeit" vertritt eine typische Haltung:

    "Ich bin gegen Diskriminierung. Aber ich bin auch gegen Gruppen, die anderen Menschen ihren Lebensstil diktieren und unsere Kinder verderben wollen. Wir sind ein kleines Land und müssen unsere traditionellen Werte wie Ehe, Familie und die Liebe zur Heimat schützen. Sonst wird Litauen als Nation verschwinden."

    Die neue und überaus beliebte Präsidentin Dalia Grybauskaite hat das Gesetz zwar unterzeichnet, doch sie plädiert für Nachbesserungen - eine Forderung, auf die Vladimir Simonko von der Litauischen Schwulenliga derzeit wenig gibt. Er hofft vielmehr auf internationale Unterstützung, etwa durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Der für Mai 2010 geplante Marsch "Baltic Pride", eine Variante des Christopher Street Day, soll auf alle Fälle stattfinden. Allerdings, gesteht Aktivist Eduardas Platovas, denke er nun öfters ans Aufgeben:

    "Als wir 1995 mit der Arbeit begonnen haben, dachten wir, es gebe eine Perspektive. Aber jetzt sind wir so pessimistisch wie noch nie in unserem Leben."