Der Wind pfeift unaufhörlich um die kleinen Hütten im Flüchtlingslager Kakuma. Endlose Reihen davon, auf 15 Quadratkilometern verteilt. Manche aus Backstein oder Lehmziegeln mit einem Blechdach, andere komplett aus Metall gebaut.
Auf den Dächern liegen große Blätter, zum Schutz vor der Hitze. In den selbstgebauten Zäunen rund um die Häuschen stecken getrocknete Büsche gegen den Staub, den der Wind in jede Ritze weht.
"Als die Probleme im Südsudan begonnen haben, etwa 1991, haben wir angefangen hier Flüchtlinge aufzunehmen. Die Regierung hat damals entschieden, sie in Kakuma anzusiedeln, wegen der Nähe zur Grenze. Die liegt ungefähr 100 Kilometer von hier."
So Camp-Manager Bernhard Ole Kipury. Kakuma, das war einmal ein winziges Nest mitten in der spärlich bevölkerten Turkana im Norden Kenias. Das kleine Dorf gibt es immer noch, aber seit der endlose Bürgerkrieg im Sudan Tausende in die Flucht getrieben hat, ist gleich nebenan eine ganze Stadt entstanden.
"Das Leben hier ist viel besser"
"Die Unterkünfte sind besser als zu Hause. Hier bekommen die Kinder zu essen, sie haben neue Kleider, die es bei uns nicht gibt. Das Leben dort ist schrecklich. Es war ein Kampf, Essen zu beschaffen. Das Leben hier ist viel besser."
Josephine Icha Jeremano ist erst vor ein paar Wochen aus dem Südsudan geflüchtet – vor den immer wieder aufflammenden Kämpfen und vor der Dürre in ihrem Heimatdorf. In Kakuma bekommen ihre vier Kinder nicht nur regelmäßig zu essen. Sie werden auch medizinisch versorgt und können zur Schule gehen.
"Die kenianische Regierung kann das natürlich nicht alles leisten, sie muss sich zuerst um die eigene Bevölkerung kümmern. Wenn Kenia ein reiches Land wäre, könnte es alle versorgen. Aber so weit sind wir noch nicht. Deshalb sind wir auf die UN angewiesen."
Das Flüchtlingshilfswerk UNHCR und eine ganze Reihe von internationalen Hilfsorganisationen versorgen Flüchtlinge. Eine gewaltige Aufgabe: Kakuma platzt aus allen Nähten. 185.000 Menschen leben in dem Lager, das mal für 125.000 gedacht war.
"Das Lager ist über seine Kapazitätsgrenze hinaus. Deshalb haben wir mit der Regionalregierung verhandelt, um neues Land zu bekommen. Und das haben wir geschafft. Wir hoffen, dass wir die Menschen in das neue Areal umsiedeln können - ab Anfang nächsten Jahres."
Kenia hat noch viel größere Camps
Sagt Catherine Wachiaya vom UNHCR. Dabei ist Kakuma noch relativ klein im Vergleich zum wesentlich bekannteren Dadaab. Kurz vor der Grenze zu Somalia gelegen, beherbergt das Camp derzeit über 350.000 Menschen. Das größte Flüchtlingslager der Welt, die drittgrößte Stadt Kenias – und heftig umstritten.
"Wenn die Flüchtlinge nicht in den nächsten drei Monaten umgesiedelt sind, werden wir sie selbst auf Lastwagen und in Busse verladen und sie nach Hause bringen.
So Kenias Vizepräsident William Ruto Mitte April. Dadaab muss schnellstens weg – die populistische Forderung kam nach dem blutigen Anschlag auf die Universität der Stadt Garissa durch die somalische Terrorgruppe Al-Shabaab kurz zuvor, bei dem über 150 Menschen starben. Und nach schweren Angriffen auf die Sicherheitspolitik der Regierung. Die toughe Rhetorik hat vielen Flüchtlingen Angst gemacht
"Es ist total unsicher in Somalia. Wir gehen nicht zurück. Die kenianische Regierung sollte nicht vergessen, dass nicht alle Somalis Terroristen sind."
"Flüchtling" schon in der zweiten Generation
Die Zwangsumsiedlung – ohnehin ein Verstoß gegen internationale Abkommen – ist längst vom Tisch. Zurück sollen die Menschen trotzdem. Auf freiwilliger Basis, wie es vor rund zwei Jahren schon einmal vereinbart wurde - kurz nach dem Anschlag auf das Westgate-Einkaufszentrum.
"Ich bin somalischer Staatsbürger. Obwohl ich in Kenia geboren und aufgewachsen bin, bin ich hier ein Flüchtling, ein Fremder. Ich kann nicht mal nach Nairobi, ich muss im Camp bleiben."
Abdullahi ist 23, ein "Flüchtling" der zweiten Generation. Obwohl er Somalia nie gesehen hat, will er jetzt dorthin. Aber er ist in der Minderheit. Das UNHCR schätzt, dass bis zum Jahresende vielleicht 5.000 Somalis freiwillig in ihr Heimatland umsiedeln wollen – ein Bruchteil der Flüchtlinge in Kenia. Derzeit sind über 650.000 registriert, die meisten aus Somalia und dem Südsudan.
"Die Flüchtlingslager werden bleiben, solange es politische Unruhen in Kenias Nachbarländern gibt. Es gab eine Menge Probleme in Uganda, im Südsudan, Somalia, Äthiopien. Und all diese Menschen sind hier."
Sagt der Camp-Manager von Kakuma. Auch wenn Kenia die Flüchtlinge nicht selbst versorgen muss: Die Belastung ist immens. Das Land zahlt für Sicherheitskräfte in den Lagern, die Verwaltung, die Erneuerung der vollkommen überbelasteten Zufahrtsstraßen. In der staubtrockenen und bitter armen Turkana gibt es außerdem Konfliktpotential, erklärt Catherine Wachiaya vom UNHCR.
Konflikte mit der Gastgebergemeinde verhindern
"Hier geht es um Ressourcen, vor allem um Wasser. Die Umweltbedingungen sind harsch, Wasser ist knapp. Wenn es Probleme gibt, drehen sie sich meistens um genügend Wasser."
Um solche Konflikte gleich im Keim zu ersticken, wird in Kakuma streng darauf geachtet, dass auch der ursprüngliche Ort etwas von der internationalen Hilfe für die Flüchtlinge hat. Bernhard Ole Kipury
"Die Gemeinde hat Zugang zu den medizinischen Einrichtungen und den Schulen im Camp. Und zwar kostenlos. Um die guten Beziehungen zu erhalten, müssen alle zusammenarbeiten - die Hilfsorganisationen, die Flüchtlinge und die Gastgebergemeinde."
Außerdem fördert das UNHCR mit seinen Spendengeldern auch Projekte im Dorf und der Umgebung. Das allerdings wird schwieriger. Wegen der vielen akuten Krisen in der Welt reicht das Geld derzeit nicht einmal mehr für das Camp selbst: Die Essensrationen für die Flüchtlinge sind bereits zum zweiten Mal in Folge gekürzt worden. Nach neuen Spendern wird gesucht.