Vor zwei Jahren fahndeten die Hohenheimer Forscher schon einmal nach versteckten Schadstoffen in der Küche. Fündig wurden sie in den Fett-Belägen von Dunstabzugshauben. Darin steckten vor allem Chlorparaffine, aber auch andere, chemisch ähnliche Verbindungen, die ebenfalls Chlor oder Brom enthalten. Die Substanzen seien gängige Weichmacher, Binde- und Flammschutzmittel, sagt Walter Vetter, Professor für Lebensmittelchemie an der Universität Hohenheim.
"Die stecken in Küchengeräten drin. Die stecken in Kabelummantelungen drin. Das sind stabile Verbindungen. Die können Brände verhindern. Auf der anderen Seite sind sie eben auch langlebig, können dann eben auch aus den Geräten austreten und dann in der Küche verteilt werden, vom Menschen wieder aufgenommen werden. Und dort können sie dann durchaus schädlich sein."
Jetzt hat Vetters Arbeitsgruppe die sogenannten polyhalogenierten Verbindungen erneut nachgewiesen. Und zwar in Spüllappen, wie sie vermutlich jeder von uns verwendet, um Oberflächen zu reinigen. Studenten benutzten solche Wischtücher 14 Tage lang in der eigenen Küche. Danach wurden sie im Labor analysiert. Auch in den Spüllappen reichern sich Chlorparaffine & Co. demnach an. Christoph Gallistl, Doktorand am Institut für Lebensmittelchemie an der Hohenheimer Uni: "Im Verhältnis zu den anderen Verbindungen waren Chlorparaffine, wenn detektierbar, in sehr hohen Konzentrationen im Mikrogramm-Bereich pro Spüllappen gerechnet aufzufinden. Man hat ja diesen Spüllappen jeden Tag in der Hand, das heißt prinzipiell besteht dann natürlich auch der Aufnahmeweg über Hautkontakt. Es gibt Hinweise, dass die durchaus aufgenommen werden. Bei Spüllappen kommt ja jetzt zum Beispiel auch noch hinzu, dass mit dem Spülmittel quasi die Oberflächenspannung herabgesetzt wird. Da könnte man ja dann auch noch vermuten, dass die Aufnahme dadurch zusätzlich nochmal erhöht wird."
Im Tierversuch eindeutig krebserregend
Doch wie gelangen die Paraffine in die Leinen- oder Kunststofflappen? Walter Vetter geht davon aus: Es geschieht beim Abwischen von Küchengeräten. Welche das sind, ist aber offen. In ihren bisherigen Studien haben die Hohenheimer Lebensmittelchemiker das noch nicht untersucht: "Interessanterweise gab's da gerade eine Studie aus Schweden. Die hatten solche Handmixer. Und haben dann festgestellt, dass zwei Drittel dieser Handmixer Chlorparaffine enthielten und die auch abgaben, wenn sie zum Beispiel ein Lebensmittel gemixt haben. Das heißt, es gibt schon so Dinge, dass aus bestimmten Geräten diese Stoffe austreten."
Doch wie gefährlich sind diese Chlorparaffine für Verbraucher, sollten sie ständig über die Haut aufgenommen werden? Grundsätzlich handelt es sich um Gemische aus unzähligen Molekülen mit unterschiedlich langen Kohlenstoff-Ketten und unterschiedlich hohem Chlor-Gehalt. Man teilt sie ein in kurz-, mittel- und langkettige. Die kurzkettigen gelten als die kritischsten. Im Tierversuch erwiesen sie sich als eindeutig krebserregend. Und sie reichern sich auch im Körper des Menschen an: im Fettgewebe, in der Leber und in der Niere. Ihre Anwendung in der EU wurde deshalb schon vor Jahren verboten.
"Das deckt sich auch mit unseren Befunden in der Küche. Wir finden fast nur noch die mittelkettigen. Und über die gibt's noch relativ wenige toxikologische Daten."
Vorsorglich Handschuhe anziehen
Wie riskant es ist, diesen Stoffen im Haushalt ausgesetzt zu sein, kann Walter Vetter derzeit also noch nicht sagen. Auch mittelkettige Chlorparaffine stehen aber im Verdacht, sich im Körper anzureichern. "Also, ich halte von den halogenierten Verbindungen die Chlorparaffine für das dringendste Problem, um das man sich kümmern muss. Das ist übrigens jetzt gerade auch von der EU erkannt worden. Die EU hat zum Beispiel dem Untersuchungsamt in Freiburg eine Doktorandenstelle geschaffen, von der EU bezahlt, wo man sich jetzt mehr um die Chlorparaffin-Problematik kümmern will."
Der nächste Schritt müsse nun sein, die Quellen der Stoffe zu finden. Also jene Küchengeräte zu identifizieren, in denen große Mengen der Chlorparaffine stecken und aus denen sie offensichtlich freigesetzt werden. "Dann kann man 'was machen. Dann kann man mit den Herstellern reden, mit Politikern reden. Ich glaube ja auch, wenn die Hersteller sich bewusst wären, dass es ein Problem ist, würden die Hersteller auch versuchen, das Problem zu vermeiden. Wir sind jetzt dran, dass wir auch Fördermittel bekommen, damit man solche Dinge angehen kann."
Er wolle Verbraucher nicht ängstigen, betont Vetter. Wer sich aber vorsorglich schützen wolle, der könne beim Küchenputz künftig Handschuhe anziehen.