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Aufruf
Zehn Punkte für ein besseres Schulsystem

Deutschlands "Lehrer des Jahres", Robert Rauh, hat im Internet einen Aufruf gestartet für eine Bildungsreform. "Mit dem Aufruf wollen wir eine Diskussion anstoßen", sagt er. Zehn Punkte hat er formuliert, besonders wichtig sind ihm kleinere Lerngruppen.

Robert Rauh im Gespräch mit Kate Maleike |
    Kate Maleike: Dass ein Lehrer, der zum "Lehrer des Jahres" gekürt wird, kein, Pardon, Pädagoge von der Stange ist, das ist wohl klar. Robert Rauh ist das auch nicht. Seine Schüler hatten den Geschichtslehrer des Barnim-Gymnasiums in Berlin ja nicht einfach so für diese Auszeichnung vorgeschlagen. "Im Gegensatz zu anderen Lehrern kommt Herr Rauh nicht nur zur Schule und unterrichtet stur nach Lehrplan, gleichgültig, ob wir Schüler die Inhalte verstanden haben oder nicht", hatten sie formuliert, und auch, dass seine höchste Priorität darauf liege, dass alle ein gutes Abitur machen.
    Berlins Lehrer des Jahres 2013 möchte jetzt aber mehr: Er hat im Internet einen Aufruf für eine Bildungsreform gestartet. Guten Tag, Herr Rauh!
    Robert Rauh: Hallo!
    Maleike: Auf der Seite schul-gerecht.de haben Sie zehn Punkte aufgelistet, unter anderem fordern Sie darin bundesweit gleiche Schulabschlüsse, kleinere Klassen, späteren Unterrichtsbeginn und dazu ein bundesweit zweigliedriges Schulsystem. Das klingt nach Revolution!
    Rauh: Das ist keine Revolution, das haben wir damit nicht beabsichtigt, sondern wir wollen in erster Linie eine Diskussion anstoßen. Und zwar mit allen Beteiligten, die mit Schule im engeren und im weiteren Sinne zu tun haben, also mit Lehrern, mit meinen Kollegen, mit Schülern, vor allem mit Eltern und natürlich auch den politisch Verantwortlichen.
    Maleike: Okay, aber trotzdem haben Sie sich, mit Verlaub, die wohl dicksten Bretter in der Bildungsrepublik vorgenommen. Was ermutigt Sie, da von "realisierbar" zu sprechen?
    Rauh: Ja, also die dicksten Bretter – da müssen wir im Einzelnen darüber diskutieren, ob es sich wirklich um dicke Bretter handelt. Ermutigt haben mich viele Gespräche mit Kollegen, mit Eltern, mit Schülern, und dann immer wieder die Äußerung: Wir können ja eh nichts ändern. Wenn wir das Thema anpacken, dann wird uns sofort gesagt, das ist nicht finanzierbar, hier steht uns der Bildungsföderalismus im Wege, und da Bildungsexperten, die sagen, wir können die Lehrplaninhalte nicht rausschmeißen. Aber damit kann man sich nicht zufriedengeben, denn so würde sich nichts ändern.
    Maleike: Das heißt: Schluss mit Jammern, jetzt nach vorne gucken. Sie sammeln ja nun im Internet Mitstreiter, Reformunterstützer. Wen haben Sie da genau im Blick?
    Rauh: Wir haben alle im Blick, die mit Schule zu tun haben, und das sind ja im Prinzip auch alle. Alle haben irgendwie Schule durchlaufen, viele haben ihre Kinder in den Schulen. Und viele können sich auch an ihre eigene Schulzeit erinnern, und häufig sind das keine guten. Wir haben auch vor allem die Bildungsexperten, die Politiker, die Lehrer im Blick, die tagtäglich in die Schule gehen und davon betroffen sind.
    Maleike: Ich könnte mir vorstellen, dass es viele gibt, die inhaltlich komplett auf Ihrer Linie liegen oder zumindest in vielen Punkten, die aber sagen: Diese Forderungen, die sind ja alle nicht neu, die werden in kleinen Teilen in vielen Landesparlamenten immer wieder diskutiert und trotzdem nicht verändert. Was macht Sie trotz allem optimistisch?
    Rauh: Das war uns natürlich auch bewusst, bevor wir den Aufruf veröffentlicht haben. Ich habe den ja schon im Sommer konzipiert und hatte genau diese Bedenken, die Sie gerade formuliert haben, weil wir natürlich wissen, dass das schon häufig diskutiert worden ist und viele der Forderungen, die wir hier aufgestellt haben, auch nicht neu sind. Jetzt die Reaktionen auf den Aufruf und die Diskussion im Internet bestätigen letztendlich unseren Entschluss, eine Diskussion anzustoßen und auch mit den politisch Verantwortlichen in einen Dialog einzutreten. Der Vorteil ist, dass wir eben keiner Institution angehören, keiner Initiative, keiner Gewerkschaft, keiner Partei, und insofern auch nicht interessensgebunden sind.
    Maleike: Eigentlich wäre das, was Sie formuliert haben, diese zehn Punkte, so was wie eine Agenda für den nächsten Bildungsgipfel. Richtig?
    Rauh: Ja, das stimmt.
    Maleike: Wie werden Sie denn jetzt weiter verfahren?
    Rauh: Also mit dem Aufruf wollen wir eine Diskussion anstoßen und, wie gesagt, mit allen Beteiligten einen Dialog führen. Und es gibt ein erstes Gesprächsangebot der Berliner Senatsschulverwaltung, was wir auch annehmen werden. Und denkbar ist auch, den Aufruf und die Unterschriftenliste – und wir haben inzwischen über 1500, die sich innerhalb von anderthalb Tagen beteiligt haben – dem Bildungsausschuss des Bundestages zu übergeben. Dazu benötigen wir aber weitere Unterschriften. Und es wäre denkbar, Anregungen, die jetzt auch eintreffen, so zu formulieren, dass man diesen Katalog eventuell erweitern könnte.
    Maleike: Welche dieser zehn Forderungen ist Ihnen denn eigentlich die wichtigste?
    Rauh: Mir wäre wichtig, dass der erste, der zweite und der dritte Punkt, die gleichen Anforderungen bundesweit, die Reduzierung der Inhalte, das heißt also, alle Inhalte auf den Prüfstand. Und vor alledem kleinere Lerngruppen, damit also auch binnendifferenzierter Unterricht, also individuelles Fördern von Schülern möglich ist.
    Maleike: Sagt Robert Rauh, der Berliner Lehrer des Jahres 2013. Er sammelt im Internet jetzt Unterstützer für eine Bildungsbewegung. Besten Dank für das Gespräch!
    Rauh: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.