Friedbert Meurer: In der letzten Legislaturperiode hat es eine heftige Auseinandersetzung zwischen zwei Frauen gegeben, die der gleichen Partei angehören, aber völlig unterschiedlicher Meinung bei der Frauenquote waren. Kristina Schröder als Familienministerin wollte die Flexiquote, Ursula von der Leyen deutlich mehr, nämlich eine verbindliche Quote, die der Gesetzgeber für Aufsichtsräte und Vorstände festlegt, und nicht die Unternehmen selbst. Der Ausgang des Streits ist bekannt: Ursula von der Leyen setzte sich durch. Heute Nacht wurde die Regelung jetzt sogar auf das Jahr 2016 vorverlegt, als Ergebnis der zuständigen Arbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD.
Eine Einigung hat es unter anderem gegeben bei der Großen Koalition, nämlich die Frauenquote in Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen ab dem Jahr 2016. Nicht so richtig begeistert von dieser Idee ist Lencke Wischhusen, die Vorsitzende des Bundesverbands Junger Unternehmer und Geschäftsführerin eines Familienunternehmens, das Kunststoffverpackungen herstellt. Guten Tag, Frau Wischhusen.
Lencke Wischhusen: Guten Tag, Herr Meurer. Ich grüße Sie.
Meurer: Sie sind gegen die Frauenquote. Was haben Sie dagegen?
Wischhusen: Absolut! Die Frauenquote ist schlecht für die Wirtschaft und meines Erachtens ist das sogar auch eine Diskriminierung für das weibliche Geschlecht. Denn die Unternehmen sollten die Stellen nach Qualifikation besetzen und eben nicht nach Geschlecht. Gerade der demografische Wandel spielt natürlich da eine ganz, ganz große Rolle und spielt auch den Frauen in die Hände, denn die Unternehmen sind natürlich darauf bedacht, gute Arbeitskräfte und Fachkräfte zu haben. Frauen haben in der Regel sehr, sehr gute Schulabschlüsse, die auch besser sind als die Männer, und ich denke, da brauchen wir keine Quote, sondern da geht es auch ohne.
Meurer: Seit zwölf Jahren doktern die Unternehmen an der Frauenquote herum. Freiwillig sind 17 Prozent Frauenanteil herausgekommen. Ist das nicht doch ein starker Beleg, ohne Zwang geht es nicht?
Wischhusen: Wissen Sie, für mich ist das eigentlich: Die Politik fordert nur von den Unternehmen. Das ist aber der falsche Weg. 17 Prozent in Aufsichtsräten klingt vielleicht nicht viel. In Familienunternehmen, die sind da Vorreiter, sind es schon eine ganze Menge mehr. Wir liegen da mittlerweile bei 27 Prozent. Die sind also auf einem sehr, sehr guten Weg. Ich denke, da sind die Problematiken anders zu sehen.
Meurer: Wieso funktioniert das bei Familienunternehmen besser?
Wischhusen: Ich glaube, dass Familienunternehmen in vielerlei Hinsicht flexibler sind. Unternehmen machen extrem viel für die Frauenförderung, sei es Homeoffice, sei es Betriebs-Kitas oder auch flexible Arbeitszeiten. Ich denke, es ist falsch zu sagen von der Politik, ihr müsst, ihr müsst, ihr müsst, und selber verordnen sie nur eine Quote von oben. Ich denke, eine Quote von oben ändert überhaupt nichts an den unteren Strukturen. Das heißt, entweder ein Unternehmen will Frauen fördern und Frauen sollten gefördert werden, dann muss das aber auch durch das ganze Unternehmen passieren und nicht von oben nach unten. Ich denke, das ist falsch herum.
Meurer: Der Staat tut doch eine ganze Menge für zum Beispiel jetzt die Möglichkeit zum Kita-Besuch für alle Kinder ab einem Jahr, das kostet einen Haufen Geld, bezahlt Betreuungsgeld und so weiter und so weiter. Sitzen da in den Aufsichtsräten und in den Vorständen bisher einfach zu viele Männer, die sagen, Nein, wir wollen unter uns bleiben?
Wischhusen: Ich glaube, was der Michael Fuchs eben in Ihrem Beitrag auch angesprochen hat. In vielerlei Hinsicht ist es auch das Berufswahl-Spektrum bei Frauen, was nicht so breit gefächert ist wie bei Männern. Das heißt, gerade die Mint-Berufe sind sehr, sehr schwach besetzt und Frauen neigen nach wie vor noch dazu, sich diese klassischen Frauenberufe auszusuchen.
Meurer: Mintberufe ist Mathematik, Ingenieur, Naturwissenschaften und Technik.
Wischhusen: Genau. – Entschuldigung! – Ich glaube, da muss was passieren. Ich denke, da muss auch die Politik für sorgen, dass diese Berufe interessanter für Frauen sind. Nur ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich finde es von der SPD absolut verlogen. Das ist so das Modell, Wasser predigen und Wein saufen. Wissen Sie, wenn Sie sich mal die Struktur der SPD angucken: Sie haben einen Kanzlerkandidaten, sie haben einen Fraktionsvorsitzenden und einen Parteivorsitzenden und alles sind Männer. Ich denke, man sollte erst mal in den eigenen Reihen anfangen, bevor man wieder auf die Unternehmen Druck ausübt.
Meurer: Na ja, hat die SPD gemacht mit der Frauenquote für Bundestagsabgeordnete und für eigene Gremien. Da waren sie schon deutlich schneller als die Union.
Wischhusen: Aber es ist ja kein Vorreiter in dem Moment, wo man drei Männer da oben an der Spitze hat.
Meurer: Was sagen Sie denn zu der Argumentation der Befürworterinnen der Frauenquote, es gibt in Unternehmen eine gläserne Decke und an der kommen wir nicht vorbei, wir brauchen Hilfe?
Wischhusen: Ich glaube, dass diese gläserne Decke eher ein Problem war von einer Führungsgeneration „Männer fördern Männer“. Ich glaube, diese Zeit ist aber vorbei. Ich glaube, da hat sich ganz viel an den Führungsstilen auch der großen Unternehmen geändert. Ich denke, dass gerade Frauen und ihre Fähigkeiten mittlerweile sehr geschätzt werden in Unternehmen, und es zeigt ja auch, dass die Quoten (oder ich nenne es mal besser Anteile) mittlerweile in den Unternehmen weitaus besser sind als noch vor 10 oder 20 Jahren.
Meurer: Aber nicht ganz oben.
Wischhusen: Doch schon. Wenn Sie sagen, 17 Prozent in Aufsichtsräten, finde ich das jetzt keine ganz schlechte Zahl, wenn man sich überlegt, wie wenig es noch vor 10, 20 Jahren war. Ich glaube, man muss diesen Corporate Governance Kodex auch erst mal wirken lassen und muss dem ein bisschen Zeit geben. Ich denke schon, dass die Unternehmen viel für Frauen tun.
Meurer: Frau Wischhusen, ich habe eingangs gesagt, Sie sind Geschäftsführerin eines Familienunternehmens, das, wenn ich das richtig sehe, Kunststoffverpackungen herstellt.
Wischhusen: Handelt!
Unternehmen wollen Frauen fördern
Meurer: Handelt. – Sie sind in diese Position gekommen, weil ihrer Familie dieses Unternehmen gehört. Was hätten Sie denn gesagt, Frau Wischhusen, wenn Sie zu irgendeinem DAX-Unternehmen gegangen wären, und würden jetzt sehen, irgendwo ist für mich Schluss in der Karriere?
Wischhusen: Wissen Sie, der Mark Wössner, früherer Chef von Bertelsmann, hat letztens in einem Interview zu mir gesagt: 'Wissen Sie, Frau Wischhusen, gehen Sie mal in einen Konzern, da sind Sie ganz schnell ganz oben.' Ich glaube, wenn Frauen wollen und wenn die Unternehmen Frauen fördern, dann ist das auch möglich und dann braucht es keine Quote.
Meurer: Wenn Sie die Quote schon ablehnen, was kann denn noch mehr getan werden, damit es nicht bei diesen mageren 17 Prozent bleibt? Was schlagen Sie vor?
Wischhusen: Ich würde ein bisschen noch mehr die amtierende Politik da mit reinziehen wollen, oder die Politiker, denn es ist ja schon so, wie eben gesagt: Die Unternehmen selber geben eine ganze Menge. Was aber nach wie vor der Fall ist, dass viele Frauen sich die Teilzeit aussuchen, weil sie natürlich für ihre Familien auch da sein wollen, und ich denke, die Vereinbarkeit ist noch nicht so perfekt. Natürlich sind Kita-Plätze mittlerweile zu Teilen möglich, aber das ist vielleicht in den Großstädten der Fall, aber auf dem platten Land sieht das da auch ganz anders aus. Und vor allem für Kinder unter drei, da hört es ja nicht auf. Es geht ja noch viel weiter. Nachher brauchen die in der Schule Förderung, Hausaufgabenhilfe und, und, und. Ich denke, da ist auch die Politik gefordert und muss das Ganze ausweiten.
Meurer: Ist Karriere ganz nach oben möglich in Teilzeit?
Wischhusen: Das kommt auf die Branche an, würde ich sagen, denn natürlich ist auch die Präsenz in einem Unternehmen wichtig. Und was heißt Teilzeit? Wenn man sagt, man macht auch mal Homeoffice auf einem Freitag, dann ist das überhaupt kein Problem. Da gehe ich von aus. Wenn Sie jetzt aber zu 100 Prozent Homeoffice machen, dann bin ich der Ansicht nein.
Meurer: Aber Sie könnten sich schon vorstellen, da wir ja jetzt über Aufsichtsräte von großen Unternehmen reden, dass eine Frau dort im Aufsichtsrat sitzt oder sogar im Vorstand und ist an, ich sage mal, einem Tag der Woche zu Hause und macht home office? Das geht?
Wischhusen: Absolut! Ich glaube, da gibt es keine Probleme.
Meurer: Ist das den Männern bekannt in diesen Unternehmen, dass das geht?
Wischhusen: Wie gesagt, der Fachkräftemangel ist wirklich allgegenwärtig und die Unternehmen kämpfen um gute Leute, und da ist ein Tag in der Woche überhaupt kein Problem und diese Teilzeit muss auch dann den Frauen eingeräumt werden.
Meurer: Lencke Wischhusen, die Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer, wünscht mehr Frauen in Aufsichtsräten und Vorständen, aber bitte schön nicht mit einer gesetzlich vorgeschriebenen Quote. Frau Wischhusen, danke und auf Wiederhören!
Wischhusen: Dankeschön! Auf Wiederhören.
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