Minsk am Mittwoch letzter Woche. Einige Dutzend Passanten flanieren in kleinen Grüppchen über den Prospekt der Unabhängigkeit. Sie gehen Richtung Oktoberplatz. Junge Weißrussen in luftiger Sommerkleidung. Männer und Frauen, viele mit Rucksäcken, einige mit Fotoapparaten. Es ist kurz vor sieben Uhr abends.
Muskulöse Männer mit kurzen Haaren haben sich am Rand des Bürgersteigs aufgebaut. Sie beobachten die Passanten. Auffällig unauffällig. Einige filmen die Vorbeigehenden, die aber lassen sich nicht stören und beginnen zu klatschen.
Die muskulösen Männer drängen die Klatschenden ab. Verhindern, dass sie weiter in Richtung Oktoberplatz ziehen. Immer mehr Sicherheitskräfte in Zivil tauchen auf, zerren einige Passanten in parkende Gefangenentransporter. 30 Verhaftungen meldet die Menschenrechtsorganisation Viasna am nächsten Tag.
Seit knapp zwei Monaten treffen sich junge Weißrussen fast jeden Mittwoch zu Demonstrationen. Sie versammeln sich auf öffentlichen Plätzen oder belebten Hauptstraßen, in der Nähe von Einkaufszentren, vor Regierungsgebäuden. Misstrauisch beäugt von Sicherheitskräften in Zivil.
Mal klatschen die jungen Leute, mal stampfen sie im Takt, mal lassen sie alle gleichzeitig ihre Mobiltelefone läuten, mal stehen sie einfach schweigend da.
Flashmobs, eine neue Form des Protests gegen das weißrussische Regime und seinen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Er regiert das Land seit 17 Jahren mit autokratischen Vollmachten.
Lukaschenko ernennt Richter und entlässt Minister. Miliz, Geheimdienst und Militär sind ihm direkt unterstellt. Die unabhängigen Medien im Land werden unterdrückt, etliche Oppositionspolitiker sitzen derzeit im Gefängnis oder im Arbeitslager.
"Also, in Belarus scheint es mittlerweile - zumindest aus Sicht der staatlichen Organe - so weit zu sein, dass Klatschen ein schweres Delikt ist ... "
Sagt Peter Liesegang, Vorstandsmitglied der deutsch-belarussischen Gesellschaft. Und langjähriger Wahlbeobachter in Weißrussland.
"Die Leute, die sich bewusst auf die zentralen Plätze oder auch woanders hinstellen und klatschen beziehungsweise auch nur durch ihr organisiertes Auftreten ihren Unwillen ausdrücken, müssen damit rechnen, dass sie physischen Repressionen ausgesetzt werden in dem Augenblick. "
Mehr als 160 Personen wurden allein am Nationalfeiertag am 3. Juli in Minsk verhaftet. Weil sie klatschten.
Bei den ersten Aktionen hatten die Demonstranten den Überraschungseffekt noch auf ihrer Seite. Doch mittlerweile sind die Sicherheitsbehörden alarmiert. Sie setzen auf Kontrolle, Einschüchterung und Strafe.
Plätze in der Innenstadt werden vorsorglich abgesperrt. Sicherheitskräfte filmen Passanten und greifen sich ohne Vorwarnung Demonstranten, um sie festzunehmen.
Auch die Protestierenden filmen. Meist mit Mobiltelefonen. Kurze Zeit später ist fast jeder Einsatz im Internet zu sehen. Zum Beispiel auf der Homepage der unabhängigen Zeitung "Nasha Niva". Mal zerren Sicherheitskräfte Passanten in Busse ohne Nummernschilder und Transporter mit verdunkelten Scheiben. Mal schlagen Rentnerinnen mit Handtaschen auf Zivilbeamte ein, die einen jungen Mann festnehmen wollen.
Mehr als 1.700 Weißrussen, so meldet die Menschenrechtsorganisation Viasna, wurden in den letzten Wochen verhaftet. Die meisten wurden von Schnellgerichten zu bis zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt.
Ob in Minsk, Brest, Gomel, Grodno oder Witebsk - trotz der erheblichen Repressalien durch die Staatsmacht ebbt der Protest nicht ab.
"Revolution durch soziale Netzwerke" nennen die Organisatoren ihre Form des Protests. Dahinter stecken viele junge Leute Anfang 20, die nicht mehr in Weißrussland leben, sondern sich ins Ausland abgesetzt haben und von dort aus über die Sozialen Netzwerke, den Kurznachrichtendienst Twitter oder per Handy die Proteste koordinieren.
"So weit wir es hier feststellen können, sind es in der Tat Personen, die mit dem bisherigen Oppositionspotenzial wenig, bis gar nichts zu tun haben. "
Die parteigebundene Opposition genießt in weiten Teilen der weißrussischen Bevölkerung keinen guten Ruf. Die staatlich kontrollierten Medien nutzen jede Gelegenheit, um die Verbindungen der Opposition in die EU, in die USA oder nach Russland anzuprangern und die Lukaschenko-Gegner als Handlanger des Auslands zu diskreditieren. Die Zerstrittenheit innerhalb der Opposition tut ihr Übriges. Die neue Bewegung ist hiervon unbelastet.
Protest ohne Plakate und Parolen. Widerstand mit Witz und WLAN. Nicht jede einzelne Aktion hat ein konkretes Ziel. "Wir haben eine langfristige Mission: Wir werden den Diktator stürzen", wird einer der Initiatoren in der Frankfurter Rundschau zitiert.
Viele Beobachter ziehen Parallelen zu den jüngsten Revolutionen in Nordafrika. Doch Belarus-Kenner Liesegang ist zurückhaltend.
"Dass der Westen und die Öffentlichkeit diesen Bewegungen einen griffigen Namen gibt, hängt sicherlich mit den Ereignissen in Nordafrika zusammen. Der Unmut in Belarus ist ja nicht neu. Dass es jetzt so scheint - muss man vorab sagen - dass es so scheint, als könnte sich die jetzige Form des internetbasierten Protests zu einer größeren Bewegung ausweiten, liegt sicherlich auch an dem Crackdown vom 19. Dezember, nach dem 19. Dezember und an der jetzt doch vorherrschenden schwerwiegenden wirtschaftlichen Situation in Belarus. "
Im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember letzten Jahres protestierten Zehntausende Weißrussen in Minsk gegen die Wiederwahl von Alexander Lukaschenko. Die Sicherheitskräfte knüppelten die Demonstrationsteilnehmer brutal nieder und verhafteten rund 600 von ihnen.
Im Frühjahr dann erschütterte eine schwere Finanzkrise das Land. Die Bevölkerung stand Schlange vor den Wechselstuben. Wollte weißrussische Rubel in harte Devisen tauschen. Innerhalb von zwei Monaten war ein Großteil der staatlichen Devisenreserven aufgebraucht. Die Folge: Ende Mai wurde der weißrussische Rubel um 50 Prozent abgewertet. Entgegen allen Stabilitätsbeschwörungen von Präsident Alexander Lukaschenko.
Eine Rentnerin geht vorbei an den zahllosen Wurst- und Fleischständen des Komarowska-Marktes, einer riesigen Markthalle im Zentrum von Minsk. Schweinhälften baumeln an Fleischerhaken, Wurst, Speck und Schinken liegen in den Vitrinen.
Stämmige Marktfrauen, mal weiße, mal blaue Kappen auf dem Kopf, strecken der Rentnerin ihre Messer entgegen. Mal mit Wurst- mal mit Schinkenscheiben. Die 60-Jährige schüttelt dankend den Kopf. Sie will nicht probieren, denn sie weiß, dass sie sich diese Produkte nicht leisten kann.
"Ich bekomme 691.000 weißrussische Rubel Rente, mein Mann bekommt 647.000 Rubel, wenn man das zusammenzählt, kommt man auf fast anderthalb Millionen Rubel, aber das reicht nie."
Die 60-Jährige zuckt mit den Schultern. 1,3 Millionen weißrussische Rubel, das sind umgerechnet rund 170 Euro für ihren Zwei-Personen-Haushalt. Die Rentnerin schüttelt den Kopf.
"Vor den Wahlen sind die Renten erhöht worden und zwar um elf Prozent. Das sind für mich ungefähr 70.000 weißrussische Rubel mehr. Aber nach den Wahlen gab es die erste Preiserhöhung und dann die nächste ... "
Erst eine Rentenerhöhung, dann zwei Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel, schließlich die Abwertung des weißrussischen Rubels
"Es reicht nie. Alles ist teurer geworden. Die Nebenkosten sind gestiegen, die Gaskosten haben sich verdoppelt, die Stromkosten sind höher. Die Lebensmittel in den Läden sind auch teurer geworden."
Die Rentnerin blickt auf die Preisschilder, zuckt mit den Schultern. Mehr will sie nicht sagen.
Wer die wirtschaftliche Situation im Land schlecht rede, müsse mit Konsequenzen rechnen, hatte Präsident Lukaschenko gedroht, um kurze Zeit später einige russische Journalisten auszuweisen.
Die Dokumentarfilmerin Olga Nikolaytschuk lässt sich von derartigen Drohungen nicht beeindrucken. Sie hat es sich am Küchentisch ihres alten Bauernhauses am Rande von Minsk bequem gemacht. Trinkt in Ruhe eine Tasse grünen Tee.
"Die meisten meiner Freunde und Verwandten bekommen ihren Lohn in Rubel ausgezahlt. Für sie hat sich die Summe - in Dollar umgerechnet - halbiert. Die Rente meiner Mutter war früher umgerechnet 200 Dollar, heute sind das nur 100. Dementsprechend sind die Preise gestiegen, der Fisch kostet das Doppelte, das betrifft auch Fleisch und alle Grundnahrungsmittel. Die Preise sind explodiert."
Die Regisseurin beugt sich nach vorne, deutet aus dem Küchenfenster. Auf einen halb fertigen Neubau auf dem Nebengrundstück. Seit Wochen arbeitet dort niemand mehr. Auch auf den großen Baustellen der Hauptstadt dreht sich kaum noch ein Kran. Nur wenige Arbeiter sind zu sehen.
"Viele arbeiten nur noch drei oder vier Tage die Woche. Manche Arbeiter sind gezwungen, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ich habe einen Freund, der auf Großbaustellen Fenster einsetzt, da ruht jetzt die Arbeit. Für die Produktion von Fernsehern oder Kühlschränken muss man Teile aus dem Ausland importieren. Und selbst wenn die aus Russland kommen, müssen sie in Devisen bezahlt werden."
Unabhängige Medien berichteten in den letzten Wochen mehrfach von Streiks in einzelnen Betrieben. Immer wieder kommt es, angeheizt durch Gerüchte, zu Hamsterkäufen, erzählt Olga Nikolaytschuk.
"Meine Mutter geht jeden Tag mit einem Rucksack in verschiedene Lebensmittelgeschäfte und sucht nach Lebensmitteln, die sie zum alten Preis kaufen kann: Angefangen mit Klopapier bis hin zu Grundnahrungsmitteln wie Buchweizen, Reis, Nudeln. So haben wir zum Beispiel all diese Lebensmittel bei uns im Wohnzimmer hinter dem Sessel eingelagert, damit die Gäste es nicht sehen. In diesem Jahr haben wir auch zum ersten Mal beschlossen, Kartoffeln anzubauen. Mitten in der Stadt, wohlgemerkt."
Fieberhaft sucht die Lukaschenko-Regierung nach frischem Geld. Vonseiten der Europäischen Union ist - nach den Schauprozessen gegen die Oppositionellen in den vergangenen Monaten - nicht mehr mit finanzieller Unterstützung zu rechnen.
Russland aber hat signalisiert, dem autoritären Präsidenten ein weiteres Mal finanziell mit drei Milliarden Euro unter die Arme greifen zu wollen. Allerdings: Der Kredit ist an klare Auflagen gebunden. Zum Beispiel den Verkauf der restlichen Anteile des Gaspipelinebetreibers Beltransgaz an den russischen Energiekonzern Gazprom.
Ausverkauf in Weißrussland. Auch das wird die Menschen weiter auf die Straße treiben. Seit Wochen laufen die Verhandlungen über den Verkauf von Belaruskali, dem drittgrößten Düngerproduzenten der Welt. Mehr als 20 Milliarden Euro könnte er in die klammen Staatskassen bringen.
Weitere 250 Industriebetriebe sollen noch in diesem Jahr privatisiert werden, kündigte die Regierung Mitte Juli an. Gleichzeitig stellte sie beim Internationalen Währungsfonds einen Antrag auf einen Hilfskredit von bis zu 7,5 Milliarden Euro. Doch auf schnelle Unterstützung kann die Lukaschenko-Regierung nicht hoffen, glaubt Prof. Reiner Lindner, der Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft.
"Ich glaube, die Lage ist so dramatisch wie in den letzten 20 Jahren nicht. Belarus ist jetzt 20 Jahre unabhängig und durchläuft, glaube ich, eine schwierige Phase seiner Transformation, da erstmals doch die Isolation auch von internationalen Kreditgebern wie dem IWF, der Weltbank, auch der Europäischen Union, letztlich auch Russlands und Chinas sehr deutlich ist. Also es gibt kein schnelles Geld mehr, es gibt kaum noch Kreditlinien, die zur Verfügung stehen."
Die Regierung braucht aber dringend frische Devisen. Vor allem, um die eigenen Gefolgsleute ruhig zu stellen und weiterhin an sich zu binden. Der große Staatsapparat, nicht zuletzt die zahllosen Mitglieder der Sicherheitskräfte, müssen finanziert werden. Zehntausende von Anhängern hat die autoritäre Regierung in den letzten 17 Jahren auf diese Weise rekrutiert: mit dem Versprechen, im Apparat aufzusteigen, gegen entsprechende Bezahlung.
"Im Moment ist es doch die erstmals so dramatische Situation, dass es direkt von der politischen Liberalisierung abhängt, ob das Land wirtschaftlich überleben kann. Weil sowohl der IWF als auch andere haben deutlich gesagt, sie haben natürlich die wirtschaftliche Lage des Landes im Blick, aber sie sehen auch das Umfeld, die Rechtssicherheit als wichtiges Kriterium an. Und solange ein Großteil der politischen Häftlinge nicht befreit sind und in Freiheit sind, werden bestimmte wirtschaftliche Lösungen nicht in Sicht sein. "
Wirtschaftlich läuft die Zeit gegen die Lukaschenko-Regierung. Letzte Woche stufte die Ratingagentur Moody‘s die Kreditwürdigkeit Weißrusslands von B 2 auf B 3 herab. Das bedeutet: Bei einer weiteren wirtschaftlichen Verschlechterung seien Kreditausfälle zu erwarten. Nun dürfte es noch schwieriger werden, finanzielle Engpässe über den internationalen Geldmarkt zu überbrücken.
Gleichzeitig ist dem Staat aber der Weg zu Mehreinnahmen - etwa durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern - verbaut. Denn steigende Preise sorgen umgehend für Unmut und Proteste auf den Straßen. Diese Erfahrung musste die Regierung in Minsk schon vor einigen Wochen machen, als sie - krisenbedingt - die Benzinpreise erhöhte. Der ungeschriebene Sozialvertrag zwischen Lukaschenko und weiten Teilen der Bevölkerung, der da heißt: Wirtschaftliche Stabilität gegen politische Enthaltsamkeit gerät in Gefahr. Peter Liesegang:
"Es ist sicherlich so, dass die bisherige sogenannte Stabilität in Belarus erkauft wurde durch soziale Transferleistungen und durch die von Staatswegen aufrecht erhaltene Fast-Vollbeschäftigung und Ähnliches. Dies ist dem Regime momentan nicht mehr möglich, aufgrund mangelnder Ressourcen."
Vor allem die Energieversorgung ist die finanzielle Achillesferse der Lukaschenko-Regierung. Das Land ist von russischen Öl- und Gaslieferungen abhängig. Bis jetzt verging kaum ein Winter ohne Gasstreitigkeiten zwischen Moskau und Minsk. An deren Ende setzte sich fast immer der große Nachbar durch. Und in Weißrussland stiegen die Preise. Auch dieses Jahr wird sich daran wenig ändern, glaubt Rainer Lindner vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft:
"Ich glaube schon, dass sich in den Monaten September, Oktober, insbesondere wenn es eine frühe kalte Jahreszeit gibt, die Dinge wieder zuspitzen werden. Russland wird versuchen wollen den Gaspreis neu zu verhandeln, auch die Transitpreise werden dann zur Debatte stehen. Und natürlich wird sich das Außenhandelsdefizit weiter verschärfen. Belarus wird immer weniger Geld- und Goldreserven zur Verfügung haben."
Moskau nutzt die desolate Situation des kleinen Nachbarn, um ihn sich gefügig zu machen und so in seinem alten sowjetischen Herrschaftsbereich wieder Fuß zu fassen.
So könnte Weißrussland ein heißer Herbst bevorstehen. Die Demonstrationen zeigen Wirkung. Mit ihrer neuen Form des Protestes hat die vor allen Dingen die junge Generation ein ums andere Mal die Rat- und Hilflosigkeit der Sicherheitskräfte vorgeführt. Weiter steigende Lebenshaltungs- und Energiepreise könnten aber auch bei anderen Bevölkerungsgruppen für wachsenden Unmut sorgen.
Jetzt steht aber erst einmal die Sommerpause vor der Tür. Doch an Ruhe ist in Minsk nicht zu denken. Der Sommer wird für das Regime arbeitsreich werden.
Die weißrussische Regierung wird alles daran setzen, neue Finanzmittel zu akquirieren, um ihr schwankendes System wirtschaftlich und damit auch politisch zu stabilisieren. Gleichzeitig werden die Sicherheitskräfte verstärkt nach den Hintermännern der Proteste fahnden und versuchen, die technischen Kanäle für die Kommunikation per Internet zu blockieren.
Erst Reformen - dann Kredite. Diese Strategie könnte die weißrussische Regierung schrittweise in Richtung Demokratisierung lenken, glaubt Rainer Lindner. Um gleichzeitig die Bevölkerung zu unterstützten, plädiert er für eine Liberalisierung der Einreisebestimmungen in die EU:
"Ich glaube, die EU tut das Richtige, wenn sie einerseits diejenigen sanktioniert, die Schuld auf sich geladen haben und andererseits die Visaschranken möglichst schnell auch für Weißrussen fallen lässt, denn dann gerät ein Austausch in Gang, der es dann auch schwer macht für ein Regime, das Land weiter unter der Glocke zu halten."
Peter Liesegang fordert auf, sich für ein "Worst-case-Szenario" in Weißrussland zu wappnen.
"Meiner Ansicht müssten wir uns in der EU und speziell auch in Deutschland Gedanken dazu machen, wie wir denn reagieren, sollte es zu blutigen Auseinandersetzungen in Belarus kommen, sollte dort eine Situation entstehen, die nicht über das Mittelmeer in Nordafrika stattfindet, die nicht in Syrien stattfindet, sondern die in einem Land stattfindet, welches an drei EU-Staaten grenzt, in dem Augenblick muss die EU in der Lage sein, auf eine solche Situation adäquat zu reagieren."
Denn auf weitere Proteste, so viel scheint sicher, wird das System Lukaschenko mit weiteren Repressionen antworten.
Muskulöse Männer mit kurzen Haaren haben sich am Rand des Bürgersteigs aufgebaut. Sie beobachten die Passanten. Auffällig unauffällig. Einige filmen die Vorbeigehenden, die aber lassen sich nicht stören und beginnen zu klatschen.
Die muskulösen Männer drängen die Klatschenden ab. Verhindern, dass sie weiter in Richtung Oktoberplatz ziehen. Immer mehr Sicherheitskräfte in Zivil tauchen auf, zerren einige Passanten in parkende Gefangenentransporter. 30 Verhaftungen meldet die Menschenrechtsorganisation Viasna am nächsten Tag.
Seit knapp zwei Monaten treffen sich junge Weißrussen fast jeden Mittwoch zu Demonstrationen. Sie versammeln sich auf öffentlichen Plätzen oder belebten Hauptstraßen, in der Nähe von Einkaufszentren, vor Regierungsgebäuden. Misstrauisch beäugt von Sicherheitskräften in Zivil.
Mal klatschen die jungen Leute, mal stampfen sie im Takt, mal lassen sie alle gleichzeitig ihre Mobiltelefone läuten, mal stehen sie einfach schweigend da.
Flashmobs, eine neue Form des Protests gegen das weißrussische Regime und seinen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Er regiert das Land seit 17 Jahren mit autokratischen Vollmachten.
Lukaschenko ernennt Richter und entlässt Minister. Miliz, Geheimdienst und Militär sind ihm direkt unterstellt. Die unabhängigen Medien im Land werden unterdrückt, etliche Oppositionspolitiker sitzen derzeit im Gefängnis oder im Arbeitslager.
"Also, in Belarus scheint es mittlerweile - zumindest aus Sicht der staatlichen Organe - so weit zu sein, dass Klatschen ein schweres Delikt ist ... "
Sagt Peter Liesegang, Vorstandsmitglied der deutsch-belarussischen Gesellschaft. Und langjähriger Wahlbeobachter in Weißrussland.
"Die Leute, die sich bewusst auf die zentralen Plätze oder auch woanders hinstellen und klatschen beziehungsweise auch nur durch ihr organisiertes Auftreten ihren Unwillen ausdrücken, müssen damit rechnen, dass sie physischen Repressionen ausgesetzt werden in dem Augenblick. "
Mehr als 160 Personen wurden allein am Nationalfeiertag am 3. Juli in Minsk verhaftet. Weil sie klatschten.
Bei den ersten Aktionen hatten die Demonstranten den Überraschungseffekt noch auf ihrer Seite. Doch mittlerweile sind die Sicherheitsbehörden alarmiert. Sie setzen auf Kontrolle, Einschüchterung und Strafe.
Plätze in der Innenstadt werden vorsorglich abgesperrt. Sicherheitskräfte filmen Passanten und greifen sich ohne Vorwarnung Demonstranten, um sie festzunehmen.
Auch die Protestierenden filmen. Meist mit Mobiltelefonen. Kurze Zeit später ist fast jeder Einsatz im Internet zu sehen. Zum Beispiel auf der Homepage der unabhängigen Zeitung "Nasha Niva". Mal zerren Sicherheitskräfte Passanten in Busse ohne Nummernschilder und Transporter mit verdunkelten Scheiben. Mal schlagen Rentnerinnen mit Handtaschen auf Zivilbeamte ein, die einen jungen Mann festnehmen wollen.
Mehr als 1.700 Weißrussen, so meldet die Menschenrechtsorganisation Viasna, wurden in den letzten Wochen verhaftet. Die meisten wurden von Schnellgerichten zu bis zu zehn Tagen Gefängnis verurteilt.
Ob in Minsk, Brest, Gomel, Grodno oder Witebsk - trotz der erheblichen Repressalien durch die Staatsmacht ebbt der Protest nicht ab.
"Revolution durch soziale Netzwerke" nennen die Organisatoren ihre Form des Protests. Dahinter stecken viele junge Leute Anfang 20, die nicht mehr in Weißrussland leben, sondern sich ins Ausland abgesetzt haben und von dort aus über die Sozialen Netzwerke, den Kurznachrichtendienst Twitter oder per Handy die Proteste koordinieren.
"So weit wir es hier feststellen können, sind es in der Tat Personen, die mit dem bisherigen Oppositionspotenzial wenig, bis gar nichts zu tun haben. "
Die parteigebundene Opposition genießt in weiten Teilen der weißrussischen Bevölkerung keinen guten Ruf. Die staatlich kontrollierten Medien nutzen jede Gelegenheit, um die Verbindungen der Opposition in die EU, in die USA oder nach Russland anzuprangern und die Lukaschenko-Gegner als Handlanger des Auslands zu diskreditieren. Die Zerstrittenheit innerhalb der Opposition tut ihr Übriges. Die neue Bewegung ist hiervon unbelastet.
Protest ohne Plakate und Parolen. Widerstand mit Witz und WLAN. Nicht jede einzelne Aktion hat ein konkretes Ziel. "Wir haben eine langfristige Mission: Wir werden den Diktator stürzen", wird einer der Initiatoren in der Frankfurter Rundschau zitiert.
Viele Beobachter ziehen Parallelen zu den jüngsten Revolutionen in Nordafrika. Doch Belarus-Kenner Liesegang ist zurückhaltend.
"Dass der Westen und die Öffentlichkeit diesen Bewegungen einen griffigen Namen gibt, hängt sicherlich mit den Ereignissen in Nordafrika zusammen. Der Unmut in Belarus ist ja nicht neu. Dass es jetzt so scheint - muss man vorab sagen - dass es so scheint, als könnte sich die jetzige Form des internetbasierten Protests zu einer größeren Bewegung ausweiten, liegt sicherlich auch an dem Crackdown vom 19. Dezember, nach dem 19. Dezember und an der jetzt doch vorherrschenden schwerwiegenden wirtschaftlichen Situation in Belarus. "
Im Anschluss an die Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember letzten Jahres protestierten Zehntausende Weißrussen in Minsk gegen die Wiederwahl von Alexander Lukaschenko. Die Sicherheitskräfte knüppelten die Demonstrationsteilnehmer brutal nieder und verhafteten rund 600 von ihnen.
Im Frühjahr dann erschütterte eine schwere Finanzkrise das Land. Die Bevölkerung stand Schlange vor den Wechselstuben. Wollte weißrussische Rubel in harte Devisen tauschen. Innerhalb von zwei Monaten war ein Großteil der staatlichen Devisenreserven aufgebraucht. Die Folge: Ende Mai wurde der weißrussische Rubel um 50 Prozent abgewertet. Entgegen allen Stabilitätsbeschwörungen von Präsident Alexander Lukaschenko.
Eine Rentnerin geht vorbei an den zahllosen Wurst- und Fleischständen des Komarowska-Marktes, einer riesigen Markthalle im Zentrum von Minsk. Schweinhälften baumeln an Fleischerhaken, Wurst, Speck und Schinken liegen in den Vitrinen.
Stämmige Marktfrauen, mal weiße, mal blaue Kappen auf dem Kopf, strecken der Rentnerin ihre Messer entgegen. Mal mit Wurst- mal mit Schinkenscheiben. Die 60-Jährige schüttelt dankend den Kopf. Sie will nicht probieren, denn sie weiß, dass sie sich diese Produkte nicht leisten kann.
"Ich bekomme 691.000 weißrussische Rubel Rente, mein Mann bekommt 647.000 Rubel, wenn man das zusammenzählt, kommt man auf fast anderthalb Millionen Rubel, aber das reicht nie."
Die 60-Jährige zuckt mit den Schultern. 1,3 Millionen weißrussische Rubel, das sind umgerechnet rund 170 Euro für ihren Zwei-Personen-Haushalt. Die Rentnerin schüttelt den Kopf.
"Vor den Wahlen sind die Renten erhöht worden und zwar um elf Prozent. Das sind für mich ungefähr 70.000 weißrussische Rubel mehr. Aber nach den Wahlen gab es die erste Preiserhöhung und dann die nächste ... "
Erst eine Rentenerhöhung, dann zwei Preiserhöhungen für Grundnahrungsmittel, schließlich die Abwertung des weißrussischen Rubels
"Es reicht nie. Alles ist teurer geworden. Die Nebenkosten sind gestiegen, die Gaskosten haben sich verdoppelt, die Stromkosten sind höher. Die Lebensmittel in den Läden sind auch teurer geworden."
Die Rentnerin blickt auf die Preisschilder, zuckt mit den Schultern. Mehr will sie nicht sagen.
Wer die wirtschaftliche Situation im Land schlecht rede, müsse mit Konsequenzen rechnen, hatte Präsident Lukaschenko gedroht, um kurze Zeit später einige russische Journalisten auszuweisen.
Die Dokumentarfilmerin Olga Nikolaytschuk lässt sich von derartigen Drohungen nicht beeindrucken. Sie hat es sich am Küchentisch ihres alten Bauernhauses am Rande von Minsk bequem gemacht. Trinkt in Ruhe eine Tasse grünen Tee.
"Die meisten meiner Freunde und Verwandten bekommen ihren Lohn in Rubel ausgezahlt. Für sie hat sich die Summe - in Dollar umgerechnet - halbiert. Die Rente meiner Mutter war früher umgerechnet 200 Dollar, heute sind das nur 100. Dementsprechend sind die Preise gestiegen, der Fisch kostet das Doppelte, das betrifft auch Fleisch und alle Grundnahrungsmittel. Die Preise sind explodiert."
Die Regisseurin beugt sich nach vorne, deutet aus dem Küchenfenster. Auf einen halb fertigen Neubau auf dem Nebengrundstück. Seit Wochen arbeitet dort niemand mehr. Auch auf den großen Baustellen der Hauptstadt dreht sich kaum noch ein Kran. Nur wenige Arbeiter sind zu sehen.
"Viele arbeiten nur noch drei oder vier Tage die Woche. Manche Arbeiter sind gezwungen, unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ich habe einen Freund, der auf Großbaustellen Fenster einsetzt, da ruht jetzt die Arbeit. Für die Produktion von Fernsehern oder Kühlschränken muss man Teile aus dem Ausland importieren. Und selbst wenn die aus Russland kommen, müssen sie in Devisen bezahlt werden."
Unabhängige Medien berichteten in den letzten Wochen mehrfach von Streiks in einzelnen Betrieben. Immer wieder kommt es, angeheizt durch Gerüchte, zu Hamsterkäufen, erzählt Olga Nikolaytschuk.
"Meine Mutter geht jeden Tag mit einem Rucksack in verschiedene Lebensmittelgeschäfte und sucht nach Lebensmitteln, die sie zum alten Preis kaufen kann: Angefangen mit Klopapier bis hin zu Grundnahrungsmitteln wie Buchweizen, Reis, Nudeln. So haben wir zum Beispiel all diese Lebensmittel bei uns im Wohnzimmer hinter dem Sessel eingelagert, damit die Gäste es nicht sehen. In diesem Jahr haben wir auch zum ersten Mal beschlossen, Kartoffeln anzubauen. Mitten in der Stadt, wohlgemerkt."
Fieberhaft sucht die Lukaschenko-Regierung nach frischem Geld. Vonseiten der Europäischen Union ist - nach den Schauprozessen gegen die Oppositionellen in den vergangenen Monaten - nicht mehr mit finanzieller Unterstützung zu rechnen.
Russland aber hat signalisiert, dem autoritären Präsidenten ein weiteres Mal finanziell mit drei Milliarden Euro unter die Arme greifen zu wollen. Allerdings: Der Kredit ist an klare Auflagen gebunden. Zum Beispiel den Verkauf der restlichen Anteile des Gaspipelinebetreibers Beltransgaz an den russischen Energiekonzern Gazprom.
Ausverkauf in Weißrussland. Auch das wird die Menschen weiter auf die Straße treiben. Seit Wochen laufen die Verhandlungen über den Verkauf von Belaruskali, dem drittgrößten Düngerproduzenten der Welt. Mehr als 20 Milliarden Euro könnte er in die klammen Staatskassen bringen.
Weitere 250 Industriebetriebe sollen noch in diesem Jahr privatisiert werden, kündigte die Regierung Mitte Juli an. Gleichzeitig stellte sie beim Internationalen Währungsfonds einen Antrag auf einen Hilfskredit von bis zu 7,5 Milliarden Euro. Doch auf schnelle Unterstützung kann die Lukaschenko-Regierung nicht hoffen, glaubt Prof. Reiner Lindner, der Geschäftsführer des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft.
"Ich glaube, die Lage ist so dramatisch wie in den letzten 20 Jahren nicht. Belarus ist jetzt 20 Jahre unabhängig und durchläuft, glaube ich, eine schwierige Phase seiner Transformation, da erstmals doch die Isolation auch von internationalen Kreditgebern wie dem IWF, der Weltbank, auch der Europäischen Union, letztlich auch Russlands und Chinas sehr deutlich ist. Also es gibt kein schnelles Geld mehr, es gibt kaum noch Kreditlinien, die zur Verfügung stehen."
Die Regierung braucht aber dringend frische Devisen. Vor allem, um die eigenen Gefolgsleute ruhig zu stellen und weiterhin an sich zu binden. Der große Staatsapparat, nicht zuletzt die zahllosen Mitglieder der Sicherheitskräfte, müssen finanziert werden. Zehntausende von Anhängern hat die autoritäre Regierung in den letzten 17 Jahren auf diese Weise rekrutiert: mit dem Versprechen, im Apparat aufzusteigen, gegen entsprechende Bezahlung.
"Im Moment ist es doch die erstmals so dramatische Situation, dass es direkt von der politischen Liberalisierung abhängt, ob das Land wirtschaftlich überleben kann. Weil sowohl der IWF als auch andere haben deutlich gesagt, sie haben natürlich die wirtschaftliche Lage des Landes im Blick, aber sie sehen auch das Umfeld, die Rechtssicherheit als wichtiges Kriterium an. Und solange ein Großteil der politischen Häftlinge nicht befreit sind und in Freiheit sind, werden bestimmte wirtschaftliche Lösungen nicht in Sicht sein. "
Wirtschaftlich läuft die Zeit gegen die Lukaschenko-Regierung. Letzte Woche stufte die Ratingagentur Moody‘s die Kreditwürdigkeit Weißrusslands von B 2 auf B 3 herab. Das bedeutet: Bei einer weiteren wirtschaftlichen Verschlechterung seien Kreditausfälle zu erwarten. Nun dürfte es noch schwieriger werden, finanzielle Engpässe über den internationalen Geldmarkt zu überbrücken.
Gleichzeitig ist dem Staat aber der Weg zu Mehreinnahmen - etwa durch die Erhöhung der Verbrauchssteuern - verbaut. Denn steigende Preise sorgen umgehend für Unmut und Proteste auf den Straßen. Diese Erfahrung musste die Regierung in Minsk schon vor einigen Wochen machen, als sie - krisenbedingt - die Benzinpreise erhöhte. Der ungeschriebene Sozialvertrag zwischen Lukaschenko und weiten Teilen der Bevölkerung, der da heißt: Wirtschaftliche Stabilität gegen politische Enthaltsamkeit gerät in Gefahr. Peter Liesegang:
"Es ist sicherlich so, dass die bisherige sogenannte Stabilität in Belarus erkauft wurde durch soziale Transferleistungen und durch die von Staatswegen aufrecht erhaltene Fast-Vollbeschäftigung und Ähnliches. Dies ist dem Regime momentan nicht mehr möglich, aufgrund mangelnder Ressourcen."
Vor allem die Energieversorgung ist die finanzielle Achillesferse der Lukaschenko-Regierung. Das Land ist von russischen Öl- und Gaslieferungen abhängig. Bis jetzt verging kaum ein Winter ohne Gasstreitigkeiten zwischen Moskau und Minsk. An deren Ende setzte sich fast immer der große Nachbar durch. Und in Weißrussland stiegen die Preise. Auch dieses Jahr wird sich daran wenig ändern, glaubt Rainer Lindner vom Ostausschuss der Deutschen Wirtschaft:
"Ich glaube schon, dass sich in den Monaten September, Oktober, insbesondere wenn es eine frühe kalte Jahreszeit gibt, die Dinge wieder zuspitzen werden. Russland wird versuchen wollen den Gaspreis neu zu verhandeln, auch die Transitpreise werden dann zur Debatte stehen. Und natürlich wird sich das Außenhandelsdefizit weiter verschärfen. Belarus wird immer weniger Geld- und Goldreserven zur Verfügung haben."
Moskau nutzt die desolate Situation des kleinen Nachbarn, um ihn sich gefügig zu machen und so in seinem alten sowjetischen Herrschaftsbereich wieder Fuß zu fassen.
So könnte Weißrussland ein heißer Herbst bevorstehen. Die Demonstrationen zeigen Wirkung. Mit ihrer neuen Form des Protestes hat die vor allen Dingen die junge Generation ein ums andere Mal die Rat- und Hilflosigkeit der Sicherheitskräfte vorgeführt. Weiter steigende Lebenshaltungs- und Energiepreise könnten aber auch bei anderen Bevölkerungsgruppen für wachsenden Unmut sorgen.
Jetzt steht aber erst einmal die Sommerpause vor der Tür. Doch an Ruhe ist in Minsk nicht zu denken. Der Sommer wird für das Regime arbeitsreich werden.
Die weißrussische Regierung wird alles daran setzen, neue Finanzmittel zu akquirieren, um ihr schwankendes System wirtschaftlich und damit auch politisch zu stabilisieren. Gleichzeitig werden die Sicherheitskräfte verstärkt nach den Hintermännern der Proteste fahnden und versuchen, die technischen Kanäle für die Kommunikation per Internet zu blockieren.
Erst Reformen - dann Kredite. Diese Strategie könnte die weißrussische Regierung schrittweise in Richtung Demokratisierung lenken, glaubt Rainer Lindner. Um gleichzeitig die Bevölkerung zu unterstützten, plädiert er für eine Liberalisierung der Einreisebestimmungen in die EU:
"Ich glaube, die EU tut das Richtige, wenn sie einerseits diejenigen sanktioniert, die Schuld auf sich geladen haben und andererseits die Visaschranken möglichst schnell auch für Weißrussen fallen lässt, denn dann gerät ein Austausch in Gang, der es dann auch schwer macht für ein Regime, das Land weiter unter der Glocke zu halten."
Peter Liesegang fordert auf, sich für ein "Worst-case-Szenario" in Weißrussland zu wappnen.
"Meiner Ansicht müssten wir uns in der EU und speziell auch in Deutschland Gedanken dazu machen, wie wir denn reagieren, sollte es zu blutigen Auseinandersetzungen in Belarus kommen, sollte dort eine Situation entstehen, die nicht über das Mittelmeer in Nordafrika stattfindet, die nicht in Syrien stattfindet, sondern die in einem Land stattfindet, welches an drei EU-Staaten grenzt, in dem Augenblick muss die EU in der Lage sein, auf eine solche Situation adäquat zu reagieren."
Denn auf weitere Proteste, so viel scheint sicher, wird das System Lukaschenko mit weiteren Repressionen antworten.