Die Coronakrise hat die Schulen in Deutschland von jetzt auf gleich ins digitale Zeitalter versetzt. Doch ein beträchtlicher Anteil an Kindern und Jugendlichen bleibt dabei in Deutschland auf der Strecke – mehr, als in den Nachbarländern Schweiz und Österreich. Das ergab eine Länderauswertung des kürzlich veröffentlichten "Schulbarometers" der Pädagogischen Hochschule Zug in der Schweiz.
Nur etwas mehr als die Hälfte der befragten deutschen Schulmitarbeiter glaubt demnach, mit dem digitalen Unterricht alle Schülerinnen und Schüler erreicht zu haben. 20 Prozent von ihnen gaben an, dass mehr als die Hälfte ihrer Schüler per Internet, WhatsApp oder Mail nicht angesprochen werden konnten. In den Nachbarländern liegt dieser Anteil viel niedriger. Studienleiter Stephan Huber nannte diese Zahl besorgniserregend: Grund seien zum Teil fehlende Einsatzbereitschaft von Schülern und Lehrern, aber auch fehlende Computer oder W-LAN zuhause.
Geld ist für die Anschaffung von Geräten vorgesehen
"Und da sehen wir halt, das es Probleme gab. Wir gehen davon aus, dass wir ungefähr ein Fünftel der Schülerinnen und Schüler haben, die abgehängt waren oder abhängen, und um die muss man sich eigentlich sorgen."
Zumindest am fehlenden Computer zuhause soll es künftig möglichst nicht mehr liegen. Die Mittel aus dem Digitalpakt waren ausdrücklich nicht oder nur sehr begrenzt für die Anschaffung von digitalen Endgeräten gedacht gewesen. Jetzt legt der Bund mit zusätzlichen 500 Millionen Euro nach – die Länder beteiligen sich mit 10 Prozent. Mit dem Geld, das in etwa drei Wochen zur Verfügung stehen soll, sollen Schulträger in die Lage versetzt werden, Klassensätze von Laptops oder Tablets anzuschaffen, die dann nach Bedarf ausgegeben werden sollen, kündigte Bundesbildungsministerin Anja Karliczek heute an. Die Ausstattung sei von Land zu Land und von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich, betonte die CDU-Politikerin.
"Und deshalb sollen auch die Schulen selbst die Kriterien und die Verteilung der Geräte an die Schülerinnen und Schüler festlegen. Wer die Geräte für die Schulen beschafft, wird von Land zu Land auch unterschiedlich geregelt sein. Verteilt werden sie aber dann durch die Schulen selbst. Die Geräte bleiben auch im Eigentum der Schule und können dann auch im Regelbetrieb von der Schule weiter genutzt werden.
Brennpunktschulen brauchen dringend Unterstützung
Der Verband Bildung und Erziehung begrüßte das Sofortprogramm der Bundesregierung – doch es müsse auch geklärt werden, wer die Geräte warte und nach welchen Indikatoren sie verteilt werden sollen. Diese festzulegen, dürfe nicht den Schulen aufgebürdet werden, warnte VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann. Es sei wichtig, dass die Mittel jetzt auch schnell bei den Schulen ankommen, betonte Stefanie Hubig, Bildungsministerin von Rheinland-Pfalz und turnusmäßige Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Viele Länder hätten schon eigene Programme für sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler aufgelegt.
"Aber es ist gut, denn der Bedarf ist groß, dass wir jetzt dieses zusätzliche Geld an die Schulträger geben können. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit, des Zugangs zu Bildung in diesen Zeiten, und es ist natürlich auch ein guter Anschub für die Digitalisierung von Schulen."
Förderalismus steht einheitlicher Lernplattform im Weg
Auch dieser Anschub wird dringend gebraucht. Die Voraussetzungen für das digitale Lernen ist an den Schulen ungleich verteilt, gerade Brennpunktschulen brauchen dringend Unterstützung. Langjährige Versäumnisse bei der Digitalisierung rächen sich nun. Viele Schulen haben bis heute noch nicht einmal W-LAN. In Berlin musste die Bildungsverwaltung auf Anfrage der FDP einräumen, dass von den 600 Schulen der Stadt bislang keine einzige an das Glasfasernetz angeschlossen ist.
Einer einheitlichen digitalen Grundausstattung steht auch der Föderalismus im Weg: Laut einem Bericht der Wirtschaftswoche haben bislang nur drei Länder die mit Millionenförderung des Bundes entwickelte nationale Schulcloud eingeführt - eine einheitliche Lernplattform, die seit März zur Verfügung steht. Die anderen Länder setzen lieber auf die Entwicklung von eigenen Modellen – wohl auch aus Angst, der Bund könne über die Plattform auch auf die Lerninhalte Einfluss nehmen wollen. Einsetzbar seien die meisten davon jedoch noch immer nicht. Als Konsequenz forderte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Nadine Schön, zusammen mit anderen Digitalpolitikern ihrer Partei, einen nationalen Gipfel zur digitalen Bildung. Die Krise habe gezeigt, dass gemeinsame technische Standards für die Lernsysteme nötig seien, so die Politikerin, um digitale Lehr- und Lerninhalte verschiedener Anbieter verfügbar zu machen.