Am Montag (08.03.2020) beginnt vor dem Schweizer Bundesstrafgericht in Bellinzona der Prozess zur sogenannten Sommermärchen-Affäre. Angeklagt sind die ehemaligen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger, der frühere DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt sowie der frühere FIFA-Generalsekretär Urs Linsi. Ob das Strafverfahren wirklich Licht ins Dunkel bringt, ist allerdings äußerst fraglich.
Heimliche Treffen zwischen Lauber und Infantino
Denn Mitte der Woche wurde bekannt, dass es zwischen Bundesanwalt Michael Lauber und FIFA-Boss Gianni Infantino mehrere geheime Treffen gegebem haben soll - und das, obwohl Lauber gegen Infantino ermittelte. Der Vorfall ist brisant, denn zu den Treffen gibt es keine Vermerke in der Akte. Auch will sich keiner der beiden Beteiligten heute an das Treffen erinnern.
Heinz-Joachim Eckert glaubt aber nicht, dass dies den Prozess zum Platzen bringt. Eckert war lange Jahre Richter am Landgericht in München und war bis 2013 Vorsitzender der rechtsprechenden Kammer der FIFA-Ethikkommission. In dieser Funktion beschäftigte er sich mit den Untersuchungen zu den Korruptionsvorwürfen der FIFA und den Ungereimtheiten bei der Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 nach Deutschland. Mit Blick auf den Prozessbeginn in Bellinzona betonte Eckert, dass er die Einvernahme der beiden Personen beantragen würde, um sie vor Gericht zu befragen, was Gegenstand hier der Besprechungen gewesen ist.
Ein Verfahren hat die Bundesanwaltschaft bereits eingestellt: Die beiden früheren FIFA-Spitzenfunktionäre Jérôme Valcke und Markus Kattner. Beide beriefen sich auf Befangenheit von Bundesanwalt Michael Lauber. "Es ist schon sehr eigentümlich, dass die Schweizer Justiz so lange gebraucht hat, um überhaupt zu einer Anklage zu kommen, und jetzt auf den letzten Metern zeitlich ins Schleudern kommt", sagte Hans-Joachim Eckert im Deutschlandfunk. Als Stichwort nannte er den Coronavirus sowie die Erkrankung der Hauptakteure. Mindestens zwei der drei angeklagten Ex-Funktionäre des Deutschen Fußball-Bundes werden definitiv nicht in die Schweiz reisen.
Sommermärchenverfahren droht die Verjährung
Man könne fast glauben, dass kein Interesse an einer Aufklärung vorhanden sein, so Eckert. Das Verfahren muss bis Ende April 2020 abgeschlossen sein - sonst droht die Verjährung. Die Wahrscheinlichkeit, dass es so kommt, sei hoch. Und: Das sei eigentlich das Beste, was passieren kann sowohl für die FIFA als auch für die Schweizer Justiz.
Kritik: Warum wurden Bin Hammam nicht vernommen?
Hans-Joachim Eckert kritisierte vor allem die fehlende Vernehmung von Mohammed Bin Hammam: "Warum hat man nicht denjenigen, der wirklich weiß, was gewesen ist, vernommen oder versucht zu vernehmen? Die FIFA hätte die Möglichkeiten letztendlich hier den Einfluss geltend zu machen, dass er auch - und sei es nur in Qatar durch die Schweizer Justizbeamten - vernommen wird."
DFB habe volle Aufklärung versäumt
Hart ins Gericht ging Eckert auch mit dem Deutschen Fußball-Bund. Der Verband habe es versäumt, die Affäre "mit voller Intensität" aufzuklären. "Das fängt ja schon damit an, dass offensichtlich und unwidersprochen Dokumente beim DFB, die diesen Teilbereich betreffen - nennen wir es vorsichtig - nicht mehr vorhanden sind."
Auch das in Auftrag gegebenen Gutachten, habe nicht alles abgedeckt, was zur Aufklärung nötig gewesen wäre. Als problematisch sieht er auch die Rolle von Franz Beckenbauer - der wegen Krankheit auch nicht am Verfahren teilnehmen kann. "Es wäre besser gewesen, dass man hier reinen Tisch gemacht hätte und wirklich gesagt hätte, was damals Sache gewesen ist", sagte Eckert.
Absolute Trennung von Geldflüssen und wirtschaftlichem und sportlichem Bereich
Eckert sprach sich für eine absolute Trennung zwischen dem wirtschaftlichen Bereich und ebenso einen sportlichen Bereich im DFB aus. "Überall dort, wo Geld bewegt wird und Entscheidungen im Bereich von Geldflüssen getroffen werden, muss völlig neutral und von unabhängigen Stellen überprüfbar sein, welche Gelder sind hereingekommen, welche Gelder werden für was ausgegeben. Damit wäre aber der Kernbereich des sportlichen Geschäftes nicht tangiert. Nach wie vor würde die FIFA entscheiden, wo die Weltmeisterschaften stattfinden, oder der DFB und DFL könnte entscheidend, wann und wo gespielt wird. Aber die absolute Trennung zwischen dem Geldflüssen und dem wirtschaftlichen und sportlichen Bereich sollte eigentlich auf lange Zukunft angestrebt werden", so Eckert.