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Auftritt in Oberhausen
Yildirim wirbt für Präsidialsystem

Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim hat im Ruhrgebiet vor tausenden Landsleuten für die Einführung des Präsidialsystems geworben. Sein Auftritt wurde von Protesten begleitet. Schon im Vorfeld hatte es heftige Kritik an der Veranstaltung gegeben.

    Türkischer Ministerpräsident Yildirim bei seiner Rede in Oberhausen
    Yildirim bei seinem Auftritt in Oberhausen (dpa/Roland Weihrauch)
    Zwei Monate vor dem Referendum über die umstrittene Verfassungsänderung in der Türkei wollte der türkische Regierungschef auch in Deutschland möglichst viele Türken von den Vorzügen des Präsidialsystems überzeugen. Die Veranstaltung in der Oberhausener Arena stand unter dem Motto "Wer sein Land liebt, sagt Ja".
    Mehrere tausend Zuschauer waren in die Arena gekommen und schwenkten während der Rede Yildirims türkische Fahnen. "Seid ihr für eine große Türkei? Eine starke Türkei? Für Stabilität, Ruhe und Frieden?", lautete Yildirims rhetorische Fragen während seines Auftritts - und weiter: "Dann gebt eine Antwort, die ganz Europa, die ganze Welt hören kann!"
    Der Saal kochte, die Menge war begeistert und bekundete ihre Unterstützung für den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan - so schildert DLF-Reporter Daniel Heinrich die Stimmung vor Ort. An mehreren Verkaufsständen gab es Erdogan-"Fanartikel" zu kaufen.

    Teilnehmer bei einer Veranstaltung mit dem türkischen Ministerpräsidenten Yildirim halten am 18.02.2017 in Oberhausen (Nordrhein-Westfalen) türkische Fahnen in den Händen.
    Anhänger des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim in Oberhausen. (dpa / picture alliance / Roland Weihrauch)
    Friedliche Gegendemonstrationen
    Draußen fanden zeitgleich zu Yildirims Auftritt Gegendemonstrationen statt. Sie verliefen nach Angaben der Polizei in Oberhausen friedlich. Rund 800 Menschen sollen sich an den Protesten beteiligt haben. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort.
    "taz"-Reporter abgewiesen
    Nach Angaben der Berliner Tageszeitung "taz" wurde einem Journalisten der Zutritt zu der Veranstaltung verweigert. Trotz Akkreditierung sei der Reporter vom Sicherheitsdienst der türkischen Regierungspartei AKP nicht in den Saal gelassen worden, teilte die Redaktion mit. Dies sei mit Sicherheitserwägungen und einer Absprache mit der Polizei begründet worden. Eine derartige Absprache habe die Polizei aber dementiert.
    "Selbstverständlich steht es Veranstaltern frei, Personen aus Sicherheitsgründen von einer Teilnahme auszuschließen", sagte Katrin Gottschalk, Mitglied der Chefredaktion der "taz". "Jedoch hat die ganz offensichtlich unbegründete Zurückweisung unseres Reporters den Geruch einer politischen Maßregelung." Diese Behinderung journalistischer Arbeit sei weder in der Türkei noch in Deutschland akzeptabel.
    Referendum Mitte April
    In der Türkei wird am 16. April über die Einführung des Präsidialsystems abgestimmt. Wahlberechtigt sind auch im Ausland lebende Türken. Etwa 1,4 Millionen wahlberechtigte Türken haben ihren Wohnsitz in Deutschland.
    Kritik aus der deutschen Politik
    Bei vielen Politikern in Deutschland war der Auftritt Yildirims im Vorfeld auf harsche Kritik gestoßen. Türkeistämmige Bundestagsabgeordnete kritisierten über Parteigrenzen hinweg die Propaganda für ein autoritäres System. Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen rief die Bundesregierung auf, Yildirims "Werbefeldzug für die Diktatur" zu verbieten.
    Kritische Stimmen gab es auch mit Blick auf die Festsetzung des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) rief die Türkei in diesem Zusammenhang zur Achtung demokratischer Grundrechte auf: "Wer bei uns Meinungsfreiheit beansprucht, sollte auch selbst Rechtsstaat und Pressefreiheit gewährleisten", erklärte er.
    Der Grünen-Politiker Volker Beck forderte die Bundesanwaltschaft auf, Ermittlungen gegen Yildirim wegen der Spitzelaffäre um Imame des türkischen Islamverbands Ditib aufzunehmen. Die türkische Religionsbehörde Diyanet, in deren Auftrag die Imame Anhänger der Gülen-Bewegung bespitzelt haben sollen, sei dem Ministerpräsidenten unmittelbar unterstellt, sagte der Kölner Bundestagsabgeordnete. Die Bundesanwaltschaft bestätigte auf Anfrage des Deutschlandradios den Eingang von Becks Anzeige. Sie werde zurzeit geprüft.
    (gri/cc)