Bernd Lechler: "Glückstiraden" heißt das Debütalbum der Augsburger Indieband mit dem süß-würzigen Namen Zimt. Zwei Frauen, ein Mann, Bass, Synthesizer, Schlagzeug, wenig Gitarre – fürs Formatradio rumpeln sie zu sehr, aber trotzdem haben auch die ruppigeren Songs einen gewissen melancholischen Charme. Und vielleicht hat deshalb ein Musikblog gejubelt, "Glückstiraden" sei das schnuffigste Indiepop-Album des Jahres. Janina Kölbl und Ralf Déteste* von Zimt: Einverstanden mit "schnuffig"?
Ralf Déteste: Sehr schönes Adjektiv. Also, es hat uns bis jetzt noch niemand so geschmückt.
Janina Kölbl: Ja, das Wort, wusste ich gar nicht, dass man das so im Alltagsgebrauch oder besonders für Rezensionen, verwenden kann. Aber das fand ich sehr schön.
"Wir haben keine Vorbilder"
Lechler: Wenn sonst über Ihre Musik geschrieben wird, ist viel von Wave-Rock und Post-Punk die Rede, also so von den frühen 80ern, in denen Sie vermutlich noch gar nicht auf der Welt waren. Haben Sie wirklich Helden aus dieser Zeit, oder hören die Rezensenten da Einflüsse, die gar nicht drin sind?
Déteste: Doch, also das fand ich total witzig, dass das echt geklappt hat. Dass das so mit der 20-jährigen Pause quasi jetzt wieder Anklang findet, und dass da wirklich so die Kenner das dann irgendwie wiedererkannt haben.
Lechler: Was sind das für Bands, auf die Sie sich beziehen?
Déteste: Ja, das ist immer so ein bisschen klischeehaft: Aber natürlich Bands wie Joy Division, bei uns jetzt wahrscheinlich ein bisschen mehr New Order, aber auch Cocteau Twins, später dann sehr viel Stereolab auch, das war dann aber schon wieder eher Anfang der 90er. Doch, durchaus diese Bands.
Lechler: Auf jeden Fall klingt Zimt anders als das meiste, was zur Zeit so in den Charts und im Popradio "geht". Deutschsprachige Sachen sowieso, aber auch mit R'n'B oder sonstwie diesem präzise produzierten Pop wollen Sie offenbar nicht viel zu tun haben. War das explizit so abgemacht? Also gibt es heilige Zimt-Regeln?
Kölbl: Nein, auf keinen Fall. Also, wir sind … Wir haben keine Vorbilder, oder wir wollten nicht irgendwie einer klaren Linie folgen, sondern wir wollten einfach nur das machen, was wir intuitiv machen wollten. Und da gab es keine klaren Regeln.
"Am besten wird man in die Schranken gewiesen"
Lechler: Aufgenommen wurde das in Hamburg mit Zwanie Jonson, seines Zeichens Superschlagzeuger im Dienst von Leuten wie Fettes Brot oder Fanta Vier; und als charmanter Retro-Popsänger auch gerade mit neuem Album unterwegs, den hatten wir kürzlich erst im Corsogespräch. Wie kamen Sie auf ihn?
Déteste: Das war so die Frage, wer es produzieren will. Wir waren da mit Carsten und Gunther, den beiden Chefs vom Label Tapete Records im Gespräch, sie hatten uns vier Leute vorgeschlagen und wir hatten uns dann einfach für Zwanie entschieden, weil er so einen hohen Erfahrungswert mitgebracht hat und wir seine Musik auch ziemlich gut finden, was er macht.
Lechler: Was haben Sie von Zwanie Jonson über Ihre Musik gelernt?
Déteste: Am besten wird man natürlich immer in die Schranken gewiesen, wenn man von so jemand Erfahrenem irgendwie produziert wird. Also, er gibt einem schon Tipps, das ist ein bisschen workshopartig, wenn man bei ihm aufnimmt. Und er zeigt dann: "Probiert das mal eher so, so klingt's noch besser." Also, er hat uns, glaube ich, am besten unsere eigenen Instrumente erklärt.
Popstandort Augsburg
Lechler: Wieso überhaupt Hamburger Label und Hamburger Studio? Gab es in Augsburg keines?
Kölbl: Ja, es war eigentlich eher so Zufall, dass wir zu Zwanie geleitet wurden. Also, es wurden uns mehrere Optionen gestellt und vorgeschlagen, aber letztendlich haben wir uns dann für Zwanie entschieden.
Déteste: Und Hamburg ist 'ne coole Stadt …
Kölbl: Ja, genau.
Déteste: … das war halt auch irgendwie aufregend, mal zwei Wochen in Hamburg einfach leben, wenn man so aus dem Süden kommt.
Lechler: Ja, wie ist denn Augsburg - oder Augschburg, wie die Augsburger sagen - so als Popstandort? Ich meine, da gibt es… Anajo fällt mir ein, ziemliche tolle Indieband, die es nicht mehr gibt, dann Andreas Bourani, aber der ist auch erst nach München und dann nach Berlin geflüchtet. Sind Sie da jetzt alleine?
Déteste: Nee, überhaupt nicht. Augsburg hat, glaube ich, derzeit die interessanteste Indiepop-Szene, sag ich jetzt ganz bewusst mal. Indiepop ist natürlich immer ein bisschen ein schwammiger Begriff, aber es gibt so für jedes Genre, sag ich, mindestens eine Band. Und wir hatten vorher schon ein kleines Label hier in Augsburg, wo wir unter Vertrag waren, "Kleine Untergrund Schallplatten". Und der Labelchef, Ronnie Pinkau, der hat einfach ein unglaublich gutes Näschen für so Bands hier. Und das ist wirklich eine ganz große Subkultur an Bands, das weiß man immer gar nicht, weil Augsburg ja relativ klein scheint.
"Euer Wohlstand regt mich auf"
Lechler: Ihr Albumtitel "Glückstiraden" – das klingt sehr romantisch. Aber die Songs heißen dann "Empathielosigkeit" oder "Ideal ist nichts". Wo bleibt jetzt das Glück?
Kölbl: Ja, ich denke mal, dass der Titel auch eher ironisiert verstanden werden kann. Natürlich kann man das Glück in den Songs finden, und wir hoffen natürlich, dass unsere Hörerinnen und Hörer das Glück dann letztendlich finden. Aber für uns ist es eher ein ironisierter Titel.
Lechler: Und haben Sie das Gefühl, wir leben in einer Zeit der Empathielosigkeit?
Kölbl: Ja, wir denken schon, dass die Tendenz da hingeht. Generell hat das was mit Zwischenmenschlichkeit zu tun, also zwischenmenschliche Empathielosigkeit wird da angesprochen, sozusagen.
Lechler: Kann ein Song was dagegen machen? Ich meine, die Protagonistin in dem Lied, die ist auch selber empathielos. Das klingt ja recht trostlos.
Kölbl: Ja, das ist auch wieder so mit einem ironischen Touch, sage ich mal, der Song.
Lechler: Ein Lied heißt "Wohlstand". Da gibt es die Zeile: "Ich will, dass es Euch gut geht, doch Euer Wohlstand regt mich auf." Um was für eine Ambivalenz geht es da? Um welche Grenze oder welchen Widerspruch?
Déteste: Ich glaube, das ist eher so dieser kleinbürgerliche Wohlstand, in so einer Prenzlberg-Manier. Da, wo eigentlich dann schon … Klar, Mitte, Bürgerlichkeit und alles. Man hat ein Dach überm Kopf, man hat wahrscheinlich einen gut bezahlten Job, aber dass man einfach den Hals nicht vollkriegt und trotzdem noch besser leben könnte. Das ist damit eigentlich eher gemeint.
Lechler: Wie sieht denn Ihr Terminkalender in der nächsten Zeit aus? Ich habe keine Konzerttermine von Zimt gefunden.
Déteste: Das ist alles gerade noch so im Aufbau. Also, das Booking läuft heiß gerade, oben in Hamburg, und wir haben bis jetzt nur eine Show bestätigt in Augsburg, das ist quasi die Release-Show dann auch, das erste Konzert nach dem Albumrelease am 4. November im City Club in Augsburg.
Lechler: Wenn man Bands über ihren Namen befragt, kommt selten etwas Interessantes raus. Ich riskiere das jetzt trotzdem mal, weil ich bei Zimt mit all diesen Advent- und Apfelmus-Assoziationen eigentlich eine viel lieblichere Musik erwartet hätte. Wieso passt "Zimt" trotzdem zu Ihnen?
Kölbl: Weil Zimt auf der einen Seite bitter ist und auf der anderen Seite auch süß, hat ja auch immer einen süßlichen und einen bitteren Geschmack. Und ich glaube, das spiegelt unsere Musik auch ganz gut wider.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
*Auf Wunsch des Musikers haben wir die vorherige Version des Namens durch seinen Künstlernamen ersetzt.