Jürgen Liminski: Guten Morgen, Frau Augstein!
Franziska Augstein: Ja, guten Morgen!
Liminski: Frau Augstein, die Stimme eben kennen Sie. Hat der "Spiegel" einen eigenen Stil oder hat er ihn nicht.
Augstein: Ja, dieses, was mein Vater da gesagt hat, bezog sich nicht auf die Haltung des "Spiegel" und nicht auf seine Recherchearbeit, sondern auf die Art, in der die Artikel formuliert sind. Es bezog sich zuletzt darauf, dass Enzensberger in den 60er-Jahren dem "Spiegel" vorgeworfen hat, einhellig so einen Ton der Häme in der Bundesrepublik installiert zu haben. Das hat jetzt mit der Frage, die uns jetzt beschäftigt, glaube ich, nicht sehr viel zu tun. Die Frage, die uns beschäftigt, hat nichts mit Stil zu tun, sondern mit Haltung – und, na ja, Machtprobe, jemand, der eine Machtprobe bestehen muss.
Ich hatte immer gedacht, dass in einem Unternehmen die Leute Hand in Hand arbeiten sollen. Also, wenn es da Machtproben gibt, die man gewinnt, dann ist das ein ganz, ganz schlimmer Anfang. Und Herr Blome gehört einfach nicht aus Stilfragen nicht zum "Spiegel", sondern Herr Blome gehört deswegen nicht zum "Spiegel", weil er als Springer-Mann bewiesen hat, dass er für eine Art von Journalismus steht, die man als regierungsnah zu bezeichnen hat. Der "Spiegel" ist das Gegenteil, der "Spiegel" interessiert sich für Aufklärung.
Liminski: Ist denn ...
Augstein: Sollte Herr Blome nun sagen, das ist kein Problem. Ich kann auch Journalisten nicht daran hindern, zu recherchieren, dann muss ich mich fragen, muss ich mich auch fragen: Was hat so jemand beim "Spiegel" verloren, der die Haltung wechselt je nach Arbeitgeber?
Liminski: Wenn man Sie so reden hört, könnte man meinen, der Machtkampf ist noch nicht beendet.
Augstein: Na ja, ich kann ja nur kommentieren. Und ich weiß, dass eben in diesem Beitrag, in diesem schönen Beitrag, da klang so durch, als würde man sich jetzt arrangieren. Und als wäre jetzt irgendwie da ein Kompromiss gefunden. Ich weiß, dass sehr, sehr viele beim "Spiegel" nach wie vor der Auffassung sind, dass sie von ihrer eigenen Crew, nämlich von ihrer eigenen Führung der Mitarbeiter-KG, jetzt nicht gut dargestellt wurden, nicht gut vertreten worden sind. Was sich da weiter abspielen wird, kann ich nicht sagen.
Liminski: Also das Stolpern sozusagen geht weiter. Wie geht es denn weiter mit dem Nachrichtenmagazin insgesamt?
Augstein: Insgesamt glaube ich, dass es sich – auch das ist ein fürchterliches Missverständnis bei der Bestellung von Herrn Blome – einfach um eine Verschiebung handelt, die gar nicht gut gewesen ist. Man suchte eigentlich jemanden, der ein bisschen besser miteinander verzahnen kann das Online-Arbeiten und den gedruckten "Spiegel". So, da hieß es, das könne Herr Blome. Das ist fein, von mir aus – aber warum muss so jemand dann Hauptstadtbüroleiter des gedruckten "Spiegel" werden? Das ist überhaupt nicht das, weswegen man ihn eigentlich eingestellt hat, ja? Gut, das muss also geschehen.
Gleichzeitig beobachte ich in der gesamten Presse, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen Ländern, dass überall natürlich die Anzeigen einbrechen, es überall einen gewissen Leserschwund gibt, mal hier ist er größer, mal da ist er kleiner. Dass aber die Leute, die da führen, auf einmal Panik bekommen und denken, sie müssen alles aufs Digitale umstellen. Und dabei neigen sie dazu, zu vergessen, dass nach wie vor – und vor allem, das gilt nun wirklich für die Bundesrepublik – die gedruckten Zeitungen, die gedruckten Magazine es sind, die das Geld einbringen. Das Digitale tut zum Umsatz ein bisschen dazu, zum Profit ganz, ganz wenig. Die gedruckten Dinge sind es, die der Leser haben will, sonst würde er sie nicht kaufen und das Geld herbeischaffen. Und nun, jetzt überstürzt das alles auf online umzupolen, halte ich für einen philosophischen und Managementfehler, wie er das machen will.
Liminski: Ja, also das ist ja nicht nur ein Problem des "Spiegel", auch Springer stellt ja völlig auf digital um. Und dieser Radikaldigitalismus wird ja auch von dem neuen Chefredakteur, der am 1. September antritt, vertreten. Hinter dem Streit steht eben die journalistische Rivalität zwischen Print und Online. Wo liegt denn Ihrer Meinung nach die Zukunft?
Augstein: Na ja, ich sage Ihnen, die Zukunft liegt, wird, also à la longue wird es natürlich so sein, dass viele Zeitungen sich auf einem niedrigeren Druckniveau einpendeln müssen. Aber solange man nicht erfahren hat und ausprobiert hat, dass man mittels Nachrichtenübermittlung auf dem digitalen Wege Geld verdienen kann, darf man das alte nicht in die Tonne treten, so.
Liminski: Der "Spiegel" ist, um ein Wort von Enzensberger, den Sie auch eben genannt haben, aufzugreifen, ein wichtiger Teil der Bewusstseinsindustrie. Sie sind selbst Journalistin, arbeiten im Feuilleton – glauben Sie an die Qualität des Journalismus?
Augstein: Ja.
Liminski: Auch in online, meine ich?
Augstein: Na ja, das ist ... die Kollegen haben ein Problem, unter dem die Kollegen von Print nicht stehen: Ein Onlinejournalist arbeitet sozusagen im Minutentakt. Das sollte man auch ein bisschen – finde ich – ein bisschen eindämmen. Jemand, der Nachrichten raushauen muss, wie ein Dampfkocherhitzer Wasser zum Kochen bringt, der hat keine Möglichkeit, jemals nachzudenken, der hat auch keine Möglichkeit, irgendwie mal ein bisschen zu recherchieren. Das muss zurückgefahren werden. Ich denke auch, dass das digitale Publikum einverstanden ist, wenn sie nicht irgendwie – ich weiß jetzt nicht, in welchen Abständen –, also nicht alle halbe Stunde ein Update bekommen, sondern ein bisschen abgehangen, vielleicht alle Stunde. Verstehen Sie, es ist jetzt nur ein Beispiel, die Zahlen kenne ich nicht.
Liminski: Halten Sie denn eine Fusion von "Spiegel online" und dem "Spiegel"-Print für möglich?
Augstein: Im Moment nicht. Aber à la longue, wenn man ein bisschen das Moment der Verzögerung online reintut. Und wenn bei online die Leute eben in derselbe Art und Weise erfahren sind, wie die meisten in gedrucktem Journalismus, dann selbstverständlich.
Liminski: Der Machtkampf beim "Spiegel" geht weiter, und auch die Rivalität zwischen Print und online – das war zur Zukunft des Nachrichtenmagazins die Anteilseignerin und Tochter des Gründers Franziska Augstein. Besten Dank fürs Gespräch, Frau Augstein!
Augstein: Danke Ihnen, Wiederschauen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Franziska Augstein: Ja, guten Morgen!
Liminski: Frau Augstein, die Stimme eben kennen Sie. Hat der "Spiegel" einen eigenen Stil oder hat er ihn nicht.
Augstein: Ja, dieses, was mein Vater da gesagt hat, bezog sich nicht auf die Haltung des "Spiegel" und nicht auf seine Recherchearbeit, sondern auf die Art, in der die Artikel formuliert sind. Es bezog sich zuletzt darauf, dass Enzensberger in den 60er-Jahren dem "Spiegel" vorgeworfen hat, einhellig so einen Ton der Häme in der Bundesrepublik installiert zu haben. Das hat jetzt mit der Frage, die uns jetzt beschäftigt, glaube ich, nicht sehr viel zu tun. Die Frage, die uns beschäftigt, hat nichts mit Stil zu tun, sondern mit Haltung – und, na ja, Machtprobe, jemand, der eine Machtprobe bestehen muss.
Ich hatte immer gedacht, dass in einem Unternehmen die Leute Hand in Hand arbeiten sollen. Also, wenn es da Machtproben gibt, die man gewinnt, dann ist das ein ganz, ganz schlimmer Anfang. Und Herr Blome gehört einfach nicht aus Stilfragen nicht zum "Spiegel", sondern Herr Blome gehört deswegen nicht zum "Spiegel", weil er als Springer-Mann bewiesen hat, dass er für eine Art von Journalismus steht, die man als regierungsnah zu bezeichnen hat. Der "Spiegel" ist das Gegenteil, der "Spiegel" interessiert sich für Aufklärung.
Liminski: Ist denn ...
Augstein: Sollte Herr Blome nun sagen, das ist kein Problem. Ich kann auch Journalisten nicht daran hindern, zu recherchieren, dann muss ich mich fragen, muss ich mich auch fragen: Was hat so jemand beim "Spiegel" verloren, der die Haltung wechselt je nach Arbeitgeber?
Liminski: Wenn man Sie so reden hört, könnte man meinen, der Machtkampf ist noch nicht beendet.
Augstein: Na ja, ich kann ja nur kommentieren. Und ich weiß, dass eben in diesem Beitrag, in diesem schönen Beitrag, da klang so durch, als würde man sich jetzt arrangieren. Und als wäre jetzt irgendwie da ein Kompromiss gefunden. Ich weiß, dass sehr, sehr viele beim "Spiegel" nach wie vor der Auffassung sind, dass sie von ihrer eigenen Crew, nämlich von ihrer eigenen Führung der Mitarbeiter-KG, jetzt nicht gut dargestellt wurden, nicht gut vertreten worden sind. Was sich da weiter abspielen wird, kann ich nicht sagen.
Liminski: Also das Stolpern sozusagen geht weiter. Wie geht es denn weiter mit dem Nachrichtenmagazin insgesamt?
Augstein: Insgesamt glaube ich, dass es sich – auch das ist ein fürchterliches Missverständnis bei der Bestellung von Herrn Blome – einfach um eine Verschiebung handelt, die gar nicht gut gewesen ist. Man suchte eigentlich jemanden, der ein bisschen besser miteinander verzahnen kann das Online-Arbeiten und den gedruckten "Spiegel". So, da hieß es, das könne Herr Blome. Das ist fein, von mir aus – aber warum muss so jemand dann Hauptstadtbüroleiter des gedruckten "Spiegel" werden? Das ist überhaupt nicht das, weswegen man ihn eigentlich eingestellt hat, ja? Gut, das muss also geschehen.
Gleichzeitig beobachte ich in der gesamten Presse, nicht nur in der Bundesrepublik, sondern auch in anderen Ländern, dass überall natürlich die Anzeigen einbrechen, es überall einen gewissen Leserschwund gibt, mal hier ist er größer, mal da ist er kleiner. Dass aber die Leute, die da führen, auf einmal Panik bekommen und denken, sie müssen alles aufs Digitale umstellen. Und dabei neigen sie dazu, zu vergessen, dass nach wie vor – und vor allem, das gilt nun wirklich für die Bundesrepublik – die gedruckten Zeitungen, die gedruckten Magazine es sind, die das Geld einbringen. Das Digitale tut zum Umsatz ein bisschen dazu, zum Profit ganz, ganz wenig. Die gedruckten Dinge sind es, die der Leser haben will, sonst würde er sie nicht kaufen und das Geld herbeischaffen. Und nun, jetzt überstürzt das alles auf online umzupolen, halte ich für einen philosophischen und Managementfehler, wie er das machen will.
Liminski: Ja, also das ist ja nicht nur ein Problem des "Spiegel", auch Springer stellt ja völlig auf digital um. Und dieser Radikaldigitalismus wird ja auch von dem neuen Chefredakteur, der am 1. September antritt, vertreten. Hinter dem Streit steht eben die journalistische Rivalität zwischen Print und Online. Wo liegt denn Ihrer Meinung nach die Zukunft?
Augstein: Na ja, ich sage Ihnen, die Zukunft liegt, wird, also à la longue wird es natürlich so sein, dass viele Zeitungen sich auf einem niedrigeren Druckniveau einpendeln müssen. Aber solange man nicht erfahren hat und ausprobiert hat, dass man mittels Nachrichtenübermittlung auf dem digitalen Wege Geld verdienen kann, darf man das alte nicht in die Tonne treten, so.
Liminski: Der "Spiegel" ist, um ein Wort von Enzensberger, den Sie auch eben genannt haben, aufzugreifen, ein wichtiger Teil der Bewusstseinsindustrie. Sie sind selbst Journalistin, arbeiten im Feuilleton – glauben Sie an die Qualität des Journalismus?
Augstein: Ja.
Liminski: Auch in online, meine ich?
Augstein: Na ja, das ist ... die Kollegen haben ein Problem, unter dem die Kollegen von Print nicht stehen: Ein Onlinejournalist arbeitet sozusagen im Minutentakt. Das sollte man auch ein bisschen – finde ich – ein bisschen eindämmen. Jemand, der Nachrichten raushauen muss, wie ein Dampfkocherhitzer Wasser zum Kochen bringt, der hat keine Möglichkeit, jemals nachzudenken, der hat auch keine Möglichkeit, irgendwie mal ein bisschen zu recherchieren. Das muss zurückgefahren werden. Ich denke auch, dass das digitale Publikum einverstanden ist, wenn sie nicht irgendwie – ich weiß jetzt nicht, in welchen Abständen –, also nicht alle halbe Stunde ein Update bekommen, sondern ein bisschen abgehangen, vielleicht alle Stunde. Verstehen Sie, es ist jetzt nur ein Beispiel, die Zahlen kenne ich nicht.
Liminski: Halten Sie denn eine Fusion von "Spiegel online" und dem "Spiegel"-Print für möglich?
Augstein: Im Moment nicht. Aber à la longue, wenn man ein bisschen das Moment der Verzögerung online reintut. Und wenn bei online die Leute eben in derselbe Art und Weise erfahren sind, wie die meisten in gedrucktem Journalismus, dann selbstverständlich.
Liminski: Der Machtkampf beim "Spiegel" geht weiter, und auch die Rivalität zwischen Print und online – das war zur Zukunft des Nachrichtenmagazins die Anteilseignerin und Tochter des Gründers Franziska Augstein. Besten Dank fürs Gespräch, Frau Augstein!
Augstein: Danke Ihnen, Wiederschauen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.