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Aus der Asche auf die Startbahn

Raumfahrt. - Während die Amerikaner nach einem Nachfolger für ihre Space Shuttles suchen, Russland eine neue Kapsel entwickeln will und selbst China und Japan bemannt ins All streben, geht die Alte Welt mit dem europäischen Raumgleiter Phoenix in diesen Tagen den nächsten Schritt. In Lemwerder, nördlich von Bremen, testet das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt noch bis morgen das geflügelte Raumfahrzeug erstmals auf einer Start- und Landebahn. Von da soll Phoenix nämlich eines Tages auch abheben, und dorthin soll er als wiederverwendbares Raumschiff auch zurückkehren.

Von Guido Meyer |
    Boden-Roll-Test nennt sich die Prüfung, der sich Phoenix derzeit unterziehen muss. Theoretisch eine Unterforderung für Europas Raumgleiter, der doch eigentlich ins All fliegen soll. Aber irgendwie muss er ja auch zurückkehren. Und da dies eben nicht mit einem von Fallschirmen gebremsten Kapselaufprall auf dem Wasser oder auf Festland geschehen soll, will das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nun wissen, ob und wie Phoenix rollt.

    Wir haben also unseren Phoenix komplett flightready, das Fahrwerk ist integriert, ausgefahren, und wir werden zum ersten Mal des Vehikel autonom betreiben, also völlig selbständig, eigengesteuert, auf der Runway rollen. Natürlich fliegen wir dort nicht, aber es erlaubt uns zum ersten Mal wirklich, das Vehikel als autonomes System zu betreiben. Wir lernen sehr viel über diesen Testbetrieb, weil wir über Telemetrie Daten aus dem Innern sehen und verfolgen können.

    Wilhelm Gockel, zuständig für den Bereich Orbitale Infrastruktur bei EADS in Bremen. Phoenix sieht aus wie ein US-Space Shuttle, ist aber kleiner und seinerseits Modell für den sogenannten Space Hopper, der einmal unbemannt Lasten ins All transportieren könnte. Derzeit ist aber weniger Hüpfen als Schieben angesagt. Gockel:

    Wir haben also unseren Phoenix, der ist so aufgesetzt, dass wir mit einem kräftigen Auto und einer Schleppstange das Vehikel anziehen, auf Geschwindigkeiten bis 120, 140 Stundenkilometer am Ende. Dann kappen wir die Schleppstange, das heißt wir lassen das Vehikel los. Es soll dann automatisch mit dem Autopiloten auf die Mittellinie der Runway rollen und dort ausrollen, wo wir einmal die Funktion unseres Autopiloten für das Ausrollen, was ja auch automatisch gesteuert wird, überprüfen, die Navigation, die uns sagt, wo wir sind, in welche Richtung wir fahren. Wir sehen die Stabilität des Fahrwerks bei hohen Geschwindigkeiten. Wir testen unsere Bremsen für die Räder, die wir dort aktivieren. Und wir testen eigentlich unsere ganzen operationellen Prozeduren.

    Nicht nur Phoenix' Landung ist spannend, auch seine Startphase ist ungewöhnlich. Auf einem 40 Meter langen Schlitten soll er auf rund 200 Stundenkilometer beschleunigt werden, um dann horizontal zu starten; das Ganze von Kourou aus, in Französisch-Guayana, von wo aus derzeit bereits die Ariane-Raketen aus dem Urwald ins All starten. Phoenix steigt dann etwa 150 Kilometer in die Höhe, um dort seine Oberstufe auszusetzen, die rund sieben Tonnen Nutzlast in ihre endgültige Umlaufbahn bringen kann. Das Trägerfahrzeug selbst kehrt zurück zum Startplatz und landet eben wie ein Flugzeug. Gockel:

    Was wir jetzt machen, ist der Nachweis der automatischen Landung. Das ist die letzte Phase eines Rückkehrfluges eines wiederverwendbaren Raumtransportsystems. Das Vehikel, so, wie es jetzt ist, reicht aus, um auch die nächste Flugphase zu analysieren, die nächste Flugphase, die eigentlich vor der Landung stattfindet. Das ist ein Flugbereich aus einer Höhe von etwa 25 Kilometer mit einer Geschwindigkeit von etwa doppelter Schallgeschwindigkeit, zurückzuführen auf diese Endanflugrate, wo wir jetzt unseren Flugversuch beginnen.

    Der Abwurf des Modells von einem russischen Flugzeug oder von einem Stratosphärenballon aus dreißig Kilometer Höhe - das sind die nächsten Schritte bei der Erprobung der Flugphasen von Phoenix. Johann Spies, beim Bremer Weltraumkonzern EADS zuständig für die Entwicklung neuer Transportsysteme:

    Unser Ziel ist es, die heutigen Ein-Weg-Träger-Systeme zu unterbieten in den Kosten. Wir wollen damit den Transport in den Weltraum erschwinglicher machen. Und mittelfristig auch sicherer, indem bei jedem Flug ein deutlich geringerer Anteil als heute an Flughardware verloren geht. Der größte Teil kommt zum Erdboden zurück und kann wiederverwendet werden.

    Womit Europa sich selbst Konkurrenz macht, könnte sich das Phoenix-System doch als wesentlich kostengünstiger erweisen, als die derzeitige Ariane V.