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Aus der Nachrichtenredaktion
Sprache, Gender und das dritte Geschlecht

Die geschlechtergerechte Sprache findet immer stärkere Verbreitung - zum Beispiel bei Behörden und in den Medien. Die Stadt Hannover hat hier gerade vorgelegt. Wie wir im Hörfunk damit umgehen können, darüber berichtet Francisca Zecher, Nachrichtenchefin von Deutschlandfunk Nova.

    Ein Tweet der baden-württembergischen Landesregierung mit dem geschlechtsneutral formulierten Wort "Bürger*innen" ist am 02.06.2016 auf einem Mobiltelefon zu sehen.
    Ein Tweet der baden-württembergischen Landesregierung mit dem geschlechtsneutral formulierten Wort "Bürger*innen" (picture alliance / dpa / Marijan Murat)
    Thilo Jahn: "Menschen, Studierende, Vorgesetzte – das klingt beim ersten Hinhören nach ganz normalen Begriffen – klar -, von mir vielleicht ein bisschen zu stark ausgesprochen. Aber sie sind sehr besonders, denn sie sind gender-gerecht, schließen also nicht nur Männer, sondern auch Frauen und auch das dritte Geschlecht mit ein. Menschen, Studierende, Vorgesetzte – wer das sagen will, benutzt auch heute noch häufig die anderen Vokabeln, zum Beispiel Bürger, Studenten oder Chefs. Die Stadt Hannover will jetzt aber damit Schluss machen. Sie will ab jetzt gender-gerechte Sprache benutzen. Sprechen wir darüber mit Francisca Zecher aus unserer Nachrichtenredaktion. Francisca, was genau erwartet die Menschen in Hannover da jetzt?
    Hannover will vorbildlich sein
    Francisca Zecher: "Die Stadtverwaltung will in allen Belangen, die sie betreffen, in Zukunft gender-neutral formulieren, wie Du schon gesagt hast. Das betrifft sämtliche E-Mails, Briefe, Flyer, Broschüren, Formulare, Plakate, Pressemitteilungen und so weiter und so fort. Bisher war dort in der Regel die männliche und die weibliche Form zu finden, Bürgerinnen und Bürger oder das Binnen-I. Seit dem 1. Januar gibt es aber in Deutschland auch offiziell das dritte Geschlecht, das sich weder männlich noch weiblich zuordnet, und dieser Entwicklung will die Stadt Hannover Rechnung tragen."
    Jahn: "Ab dem 1. Januar kann man das nämlich auch in seinen Pass reinschreiben, das dritte Geschlecht. Wie sieht das konkret aus in Hannover? Wie wollen die es machen?"
    Zecher: "Bei allem, was schriftlich ist, kann man zum Beispiel das Gender-Sternchen verwenden. Aber man kann auch einfach auf andere Begriffe ausweichen. Das hast Du ja schon mit Menschen, Studierenden und Vorgesetzten gezeigt. Das ist auch das, was man in Hannover vor allem machen will. Es gibt auch im Netz eine Seite: Unter geschicktgendern.de finden sich für viele Begriffe auch gender-gerechte Alternativen. Ich habe da mal nachgeschaut: Für Bürgermeister wird dort zum Beispiel das neutrale Stadtoberhaupt empfohlen, oder für Mieter Mietperson, oder für Zeuge bezeugende Person."
    Jahn: "Klingt erst mal ein bisschen ungewöhnlich vielleicht?"
    Noch ungewohnt, bald vielleicht nicht mehr
    Zecher: "Ja, tut es. Aber wenn Du mich fragst: Je häufiger es benutzt wird, glaube ich, desto gewöhnlicher wird es auch. Das war und ist eigentlich immer so bei Sprache und so verändert sich Sprache ja auch mit der Zeit. Ich finde auch die Argumentation der Stadt ganz logisch. Stadtoberhaupt Stefan Schostok, der sagt nämlich beim Gespräch mit "Spiegel Online": Vielfalt sei eine Stärke seiner Stadt und man wolle alle Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht ansprechen."
    Jahn: "Persönlich, würde ich sagen, versuche ich sehr oft die beiden Geschlechter anzusprechen. Beim dritten Geschlecht tue ich mir öfter mal ein bisschen schwer. Du bist aus der Nachrichtenredaktion, wir haben natürlich da auch viel mit zu tun, mit diesem Thema?"
    Zecher: "Ja, auf jeden Fall! Und ehrlich gesagt: Das ist eins der Themen, um das wir in der Redaktion sehr viel ringen und worüber wir wirklich viel diskutieren. Ich vertrete da den Standpunkt, Sprache bestimmt das Bewusstsein. Deswegen ist es wichtig, dass wir alle Gender-Formen ansprechen und nutzen und nicht nur die männliche, denn es gibt nicht nur Wissenschaftler, Politiker, Schüler und Bürger. Wenn immer nur von diesen gesprochen wird, dann hat das tatsächlich, glaube ich, auch Auswirkungen auf das Weltbild. Wenn ich zum Beispiel an einen Arzt denke, sehe ich meistens vor meinem geistigen Auge einfach einen Mann."
    Jahn: "Auf jeden Fall! Und das dritte Geschlecht ist natürlich in der Tat das Schwierige, das zu inkludieren".
    Zecher: "Ja."
    Jahn: "Wie geht Ihr mit diesem Problem noch um?"
    Der Gender-Stern funktioniert im Radio nicht
    Zecher: "Das ist für eine Hörfunk-Nachrichtenredaktion echt schwierig, denn wir können kein Sternchen benutzen. Das hört man nämlich einfach nicht. Und in jedem zweiten Satz immer die männliche und weibliche Formulierung, Studenten und Studentinnen, Politiker und Politikerinnen, das ist irgendwann auch echt ermüdend. Es verlängert auch die Nachricht einfach, und wir haben sowieso schon ein Platzproblem. Und ja, wie Du schon sagtest: Das dritte Geschlecht, das berücksichtigen wir einfach auch nicht."
    Jahn: "Weil ich so darauf herumhacke. Gibt es da eine Lösung?"
    Zecher: "Aber das ist das Problem! – Wir versuchen, eine gute Mischung hinzubekommen. Manchmal schreiben wir Bürgerinnen und Bürger. Sehr oft sprechen wir von Menschen und Personen. Da ist auch das dritte Geschlecht dabei. Wir versuchen, neutrale Begriffe wie Forschende zu benutzen. Aber obwohl wir das alles versuchen, immer noch zu oft wird es dann doch die bekannte männliche Form, weil die einfach am schnellsten geht. Da muss man nicht viel nachdenken. Und auch bei den Menschen, die uns zuhören, da wird sie natürlich am einfachsten verstanden, weil das ist das, was man kennt. Aber wie gesagt, wir versuchen trotzdem viel."
    Jahn: "Hast Du schon ein Feedback? Weißt Du, wie das bei den Menschen ankommt, die uns hören?"
    Viel Zustimmung von den Hörer*innen
    Zecher: "Es gibt natürlich einige, die schreiben uns, dass sie das total nervt. Aber wir bekommen vor allem Mails von Leuten, die kritisieren, wenn wir nicht gender-gerecht formulieren. Das finde ich auch ganz interessant. Das zeigt, was sich da verändert hat. Da fällt mir auch die Zuschrift eines Mannes ein, wohl gemerkt, der zurecht sehr empört darüber war, dass wir mal geschrieben haben, dass Soldaten bei der Bundeswehr keine Burkas tragen dürfen. – Siehst Du den Fehler?"
    Jahn: "Ja, Soldatinnen wahrscheinlich."
    Zecher: "Genau. Wir haben es nicht gemerkt, obwohl wir jede Meldung bei uns gegenlesen. Männer tragen keine Burkas, sondern Frauen. Es hätte also Soldatinnen heißen müssen, und da sieht man, wie blind man oft als erstes auf die männliche Form zugreift und wie wichtig gender-gerechte Sprache am Ende doch ist."
    Jahn: "Die Stadt Hannover führt gender-gerechte Sprache ein. Das Thema ist aber nicht nur dort aktuell, sondern natürlich auch bei uns hier, wie uns Francisca Zecher aus der Nachrichtenredaktion erklärt hat. Und dass dieses Thema ein neues Bewusstsein schafft, ist eine gute Sache."
    Das Gespräch haben wir in der Sendung "Update" am 23.1.2019 ausgestrahlt.