Vielleicht erst einmal ein paar Worte dazu, warum wir das eine wie das andere ungern machen. Liest und hört man "sogenannt", dann zeigt das meist den Versuch, einen Begriff zu umgehen sowie das Eingeständnis, keinen treffenderen Ausdruck zu kennen. Die Anführungszeichen teilen das Schicksal des nur halb Gelungenen. Und sie sind im Radiobetrieb an sich sinnlos, man hört sie ja nicht.
Warum gehen wir also mit den sogenannten "Transitzentren" so gegen unseren Impuls? Als erstes einmal ein Blick in Wikipedia. Dort liest man:
"Eine Transitzone oder ein Transitbereich ist bei internationalen Flughäfen der Bereich, der einen Umstieg auf ein weiteres Flugzeug zur Weiterreise in einen anderen Staat ermöglicht, ohne dass der Passagier zuvor einer Einreisekontrolle unterworfen wird."
Flüchtlinge werden nicht duty-free shoppen
Die allgemeine Vorstellung der Transitbereiche ist für die aktuelle Diskussion problematisch. Es geht nicht um einen Ort, an dem sich Menschen bei einer selbstgewählten Reise, etwa in den Urlaub, für ein paar Stunden des Umstiegs aufhalten. In den Transitzentren wird niemand mit Duty-free-Rabatt Zigaretten, Parfum oder Schokolade kaufen. Es geht um Menschen, deren Recht auf Bearbeitung ihres Asylwunsches in Deutschland geprüft wird. Andernfalls werden sie in ein anderes Land abgeschoben.
Wir finden daher, dass es falsch wäre, in den Nachrichten einfach so und ohne weiteres von Transitzonen oder Transitzentren zu sprechen. Es wäre keine genaue Beschreibung, sondern eher ein Euphemismus, eine Beschönigung.
PR ist das eine, Journalismus das andere
Jetzt kann man sagen, aber die Politik nennt das doch so. Ja, das ist richtig. Die Politik spricht aber auch gerne von Wachstumsbeschleunigungs- und Landschaftsverschönerungsgesetzen. Aufgabe von Redaktionen ist es, Begriffe zu prüfen, bevor wir sie uns zu eigen machen. Aufgabe von Redaktionen ist es keinesfalls, Begriffe einfach zu übernehmen und weiterzureichen.
Diese Vorsicht gilt bei weitem nicht nur gegenüber politischen Akteuren. Wirtschaftsunternehmen verstecken Entlassungen gerne hinter "Optimierungen" und "Effizienzsteigerungen". Der Deutsche Fußballbund hatte vor kurzem deutlich mehr sprachlichen Spin bei der "best-never-rest" Mannschaft, als die Spieler auf dem Platz umsetzen konnten. Und auch die katholische Kirche und die evangelische, Greenpeace, Amnesty International und andere versuchen, über Sprache Inhalte zu transportieren und Stimmungen zu schaffen.
Framing kann gefährlich für die Demokratie werden
Das ist auch deren gutes Recht. Man nennt es PR. Journalismus muss aber anderen Regeln folgen. Selten war es so wichtig wie heute. Selten war soviel "Framing", also das bewusste, von Interessen geleitete Deuten und Umdeuten von Begriffen. Und selten waren die Möglichkeiten dazu so gut, Stichwort soziale Medien. Hier lauern gravierende Gefahren für unsere gesellschaftliche Diskussion und für unsere Demokratie.
Bleibt eine Frage: warum schreiben wir dann über "sogenannte Transitzentren" und nehmen nicht einfach einen anderen Begriff? Die ehrliche Antwort: wir haben noch keinen besseren gefunden und sind weiter auf der Suche. Es gibt zwar andere Bezeichnungen, die gerade kursieren, aber sie überzeugen uns nicht. Wir sprechen zum Beispiel nicht von Abschiebelagern, weil wir auch so einen falschen Eindruck vermitteln würden, nur in eine andere Richtung. Statt Beschönigung betrieben wir dann Dämonisierung eines noch etwas vagen Konzepts. Das eine ist so unzulässig wie das andere.