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Aus für alte Reaktoren?

EnBW und RWE wollen nach Ablauf des Atom-Moratoriums die Meiler Neckarwestheim 1, Philippsburg 1 und Biblis B nicht wieder hochfahren. Eine kurze Wiederbelebung der alten Atomkraftwerke für ein paar Wochen wird es somit nicht geben, sagt Georg Ehring.

Von Georg Ehring |
    Britta Fecke: Herr Ehring, wird also an diesem historischen Tag 50 Jahre Kahl am Main mit dem Ende für Biblis, Neckarwestheim und Philippsburg das Ende der zivilen Atomkraft in Deutschland eingeläutet?

    Ehring: Zumindest ist seit heute klar, dass es nicht für ein paar Wochen eine kurze Wiederbelebung der alten Atomkraftwerke geben wird, sie bleiben abgeschaltet: Die Eigentümer EnBW, RWE, Eon und Vattenfall verzichten auf die Möglichkeit, ihre Kraftwerke für kurze Zeit wieder anzufahren, bis das Gesetzespaket zum Atomausstieg formell in Kraft tritt - das soll im Juli so weit sein. Bis dahin hätten sie rein juristisch die Erlaubnis gehabt, die Meiler wieder ans Netz zu bringen, doch diese Möglichkeit war wohl eher theoretischer Natur: RWE war mit solchen Gedankenspielen vorgeprescht, insbesondere mit der Überlegung Biblis B wieder anzufahren. Doch hier gab es wohl gewichtige Gegenargumente: Wie die hessische Atomaufsicht reagiert, war offen - und man hätte zwar noch etwas Geld mit den Reaktoren verdienen können - allerdings auf Kosten eines großen Imageschadens, der dann auch Kunden kosten könnte und auf Kosten der Beziehungen zur Politik, von der die Energiewirtschaft wegen der starken staatlichen Regulierung der Stromversorgung viel intensiver abhängt als viele andere Branchen. Wer die erneuerbaren Energien betreiben darf und wie die Kohle- und Gaskraftwerke und auch die verbleibenden Atomkraftwerke künftig behandelt werden, das hängt ja sehr stark von politischen Entscheidungen ab und hier will man das Tischtuch vielleicht nicht völlig zerschneiden.

    Fecke: Heißt das jetzt: Es gibt einen Atomkonsens?

    Ehring: Fast - in der Politik gibt es den Konsens weitgehend, jetzt haben ja nach der SPD auch die Grünen erklärt, dass sie dem schwarz-gelben Atomausstieg zustimmen, wenn auch mit Bedenken im Detail, nur die Linkspartei überlegt noch und ist eher dagegen. Die Anti-Atomkraft-Bewegung will weiter für einen schnelleren Ausstieg kämpfen, hier gibt es also keinen Konsens - und auf der anderen Seite stehen die großen Energiekonzerne. Sie wollen sich zwar fügen - offen ist allerdings noch die Frage von Schadensersatz für die Unternehmen, die ihre Reaktoren nun früher vom Netz nehmen müssen. Eon, RWE und Vattenfall haben schon erklärt, dass sie die Vermögensverluste durch den Atomausstieg nicht einfach hinnehmen wollen. Eon-Chef Johannes Teyssen hat schon ausgerechnet, dass seine Firma durch den Ausstiegsbeschluss schlechter stehe als durch den rot-grünen Atomausstieg von 2002 - die sofortige Stilllegung der älteren Reaktoren sorge für außerordentliche Aufwendungen in Milliardenhöhe. Analysten der Landesbank Baden-Württemberg haben den Wert der 17 aktiven Kernkraftwerke vor Fukushima mit fast 35 Milliarden Euro beziffert - es geht also um sehr viel Geld. Das Bundesverfassungsgericht könnte also über die finanzielle Seite des Atomausstiegs noch einmal beraten und hier haben mögliche Kläger durchaus ihre Ansatzpunkte. Beispielsweise die Schließungstermine der noch aktiven Reaktoren - gestaffelt sollen sie ja bis 2022 vom Netz gehen, warum die einen früher und die anderen später, ist allerdings vielleicht nicht so gut begründet - für den Eigentümer finanziell aber ziemlich wichtig.