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Aus Gold mach Anti-Helium

Physik. - Antimaterie ist die Spiegelversion unserer normalen Materie. Da sich bei ihr alles genau andersherum verhält, fasziniert sie die Physiker. Allerdings läßt sie sich nur für winzige Augenblicke und mit teuren Apparaten erzeugen. An einem Beschleuniger in den USA konnten Forscher jetzt erstmals die Kerne von Antihelium erzeugen.

Von Frank Grotelüschen |
    Antiteilchen künstlich zu produzieren ist für Physiker zwar kein Kinderspiel. Aber mit großem und teurem Gerät gelingt das schon seit Jahrzehnten. Relativ einfach lassen sich Positronen herstellen, die Antiteilchen der Elektronen. Sie werden beim Zerfall bestimmter radioaktiver Substanzen frei.

    "Positron hat, glaube ich, jeder schon mal gehört, zum Beispiel von der Medizin, wo Positronenscanner eingesetzt werden zur Diagnose","

    sagt Thorsten Kollegger, Physiker an der Universität Frankfurt. Schwieriger wird es, will man Antiprotonen erzeugen, die Antikerne von Wasserstoff, dem leichtesten aller chemischen Elemente. Dazu braucht es Teilchenbeschleuniger, wie sie am Forschungszentrum Cern in Genf stehen. Dort gelingt es mittlerweile, Antiprotonen mit Positronen zu verheiraten, um Antiwasserstoffatome zu basteln. Noch kniffeliger wird es, will man ein schwereres Element als Antiwasserstoff kreieren, und zwar Antihelium. Dazu braucht es noch aufwendigere Beschleunigerexperimente. Kollegger:

    ""In diesem Fall ein Beschleuniger am Brookhaven National Lab auf Long Island in der Nähe von New York, mit einem Umfang von circa vier Kilometern. In diesem Beschleuniger werden Goldkerne auf sehr hohe Geschwindigkeiten nahe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und dann zur Kollision gebracht."

    Beobachtet werden diese Kollisionen von einem Detektor namens Star, er ist groß wie ein Einfamilienhaus. Thorsten Kollegger zählt zu jenen gut 500 Physikern aus zwölf Ländern, die ihn betreiben. Bei jedem Zusammenprall von schnellen Goldkernen entstehen hunderte von neuen Teilchen, die in alle Richtungen davonstieben – ähnlich wie bei einer Feuerwerksrakete, die am Nachthimmel explodiert. Manche der davonfliegenden Teilchen bestehen aus Antimaterie. Und ganz selten ist ein Antiheliumkern dabei. Kollegger

    "In so einer Kollision entstehen im Schnitt ungefähr 500 Teilchen. Insgesamt haben wir uns eine Milliarde Kollisionen angeschaut, mit jeweils circa 500 Teilchen. Und von denen waren nur 18 Antihelium."

    Immerhin genug, um sich einer Entdeckung sicher zu sein, sagt Kollegger. Ein langes Leben war den Exoten allerdings nicht beschieden. Denn trifft ein Antiteilchen auf ein normales Teilchen, vernichten sich beide und zerstrahlen zu einem intensiven Lichtblitz – der Fachmann spricht von Annihilation. Deshalb war das Leben der Antiheliumkerne nach wenigen Millisekunden-Bruchteilen beendet, nämlich als sie gegen die Wand des Detektors stießen. Die Ergebnisse von Kollegger und seinen Leuten kommen gerade rechtzeitig für ein Forscherteam, das morgen mit der Raumfähre "Endeavour" ein spektakuläres Experiment zur Internationalen Raumstation bringen will – einen Detektor namens AMS.

    "Eine der Zielsetzungen von AMS ist, Antimaterie im All zu suchen. Im All haben Sie Vakuum. Dadurch gibt es keine Annihilationsprozesse zwischen normaler Materie und Antimaterie."

    AMS soll nach rasenden Antiteilchen aus dem All fahnden. Mit den Daten von Star lässt sich besser abschätzen, wie viele Antiheliumkerne der AMS-Detektor wahrscheinlich aufschnappen wird. Kollegger:

    "Sollte AMS eine deutlich höhere Anzahl von Antihelium messen, wäre das ein Anzeichen dafür, dass Sie im Weltall Produktionsprozesse haben, wo sie Antimaterie haben. Es gibt auch Spekulationen in Richtung Antimaterie-Galaxien."

    Eigentlich gehen die Physiker davon aus, dass die meiste Antimaterie kurz nach dem Urknall vor 14 Milliarden Jahren aus dem Weltall verschwand. Sollte es dennoch ganze Galaxien aus Antimaterie geben, wäre das eine wissenschaftliche Sensation. Im Prinzip könnte es dort sogar Planeten mit Lebewesen geben. Ein Rendezvous mit solch einem Anti-Alien wäre allerdings fatal: Wegen der Annihilation würde ein freundlicher Handschlag reichen, um eine Detonation von der Heftigkeit einer Wasserstoffbombe auszulösen.